Zur Geschichte des Zündhölzchens
Zur Geschichte des Zündhölzchens.
Wollte man die Zündhölzchen, die täglich verbraucht werden, zusammenzählen, man würde ungeheuere Summen, sicher mehr als eine Milliarde erhalten. Um den Riesenbedarf an den kleinen Hölzchen, die so rasch in Feuer und Flammen aufgehen, zu decken, sind zahlreiche Fabriken diesseit und jenseit des Oceans mit Dampfbetrieb und rasselnden Maschinen thätig, und wir sind so verwöhnt, daß wir in den feuerbergenden Hölzchen nichts besonderes erblicken, uns ärgern, wenn einmal eins von ihnen versagt, ein Köpfchen zischend abspringt oder das Holz nach dem Erlöschen der Flamme fortglimmt.
Wir müssen eigentlich unter die Wilden gehen, um die Zündhölzchen bewundern zu lernen. Da hält der weiße Reisende im „dunkelsten“ Afrika, umringt von schwarzen Naturkindern, die zum ersten Male in eines Kulturmenschen Angesicht schauen. Ohne arge Absicht zieht er eine Schwedenschachtel hervor, um seine Cigarre anzustecken; eine leise Handbewegung und die Flamme lodert; aber siehe da – die schwarze Zuschauermenge prallt voll Entsetzen zurück und flieht mit dem Rufe: „Zauber, Zauber!“
Und diese Neger sind eigentlich keine Wilden; auch sie sind Herren des Feuers, an dem sie sich wärmen und mit dessen Hilfe sie Metalle gewinnen, Eisen erzeugen und schmieden; aber sie erzeugen das Feuer noch in der früheren umständlichen Weise, indem sie entweder Stahl gegen Feuerstein schlagen oder gar in der mühseligen Art grauer Vorzeit dürre Hölzer aneinander reiben. Da perlt mancher Schweißtropfen zur Erde nieder, bevor die ersehnte Flamme erscheint, und obendrein gelingt es nicht immer. Der Weiße aber erzeugt das Feuer spielend, im Augenblick.
Bei den lebhaften Erörterungen über die Erfindung des Zündhölzchens, welche vor kurzem durch die Zeitungen gingen, wird es den Lesern willkommen sein, die Geschichte des wunderbaren Feuerspenders im Zusammenhang kennenzulernen.
Zu Anfang dieses Jahrhunderts entdeckten die Chemiker eine Anzahl von Körpern, die sich unter verschiedenen Umständen viel leichter als dürres Holz oder Schwamm entzündeten, und da die Naturforscher der Neuzeit zumeist praktische Leute waren, so verfielen sie auf den Gedanken, diese Stoffe zur leichteren Gewinnung des Feuers zu verwerthen. Sie hatten z. B. gefunden, daß das chlorsaure Kali, das heute so oft zu Gurgelungen bei Halsleiden benutzt wird, sich zersetzt und brennbare Stoffe entzündet, sobald es mit konzentrierter Schwefelsäure in Berührung kommt.
Auf diese Wahrnehmungen gründete man die ersten brauchbaren Zündhölzchen. Ein Stückchen Holz wurde an der Spitze mit einem Ueberzug von Schwefel versehen und darüber eine Masse aus Gummi und chlorsaurem Kali gebracht. Tauchte man nun das „Köpfchen“ des Holzes in konzentrierte Schwefelsäure, so verpuffte das chlorsaure Kali, entzündete den leicht brennbaren Schwefel, und dieser theilte dem Holze die Flamme mit. Das waren die sogenannten Tauch- oder Tunkzündhölzchen, die bereits im Jahre 1812 hergestellt wurden und sich einer großen Beliebtheit erfreuten. Die Schwefelsäure hielt man in Fläschchen bereit, von deren Stöpseln Asbestfäden in das Innere hinabhingen, welche auf diese Weise mit der Säure getränkt wurden. Wollte man nun Feuer haben, so zog man den Asbestfaden heraus und drückte an ihn das Köpfchen des Zündhölzchens, worauf die Entzündung stattfand. Es leben noch viele alte Leute unter uns, die sich in ihrer Jugend der Tunkhölzer in der oben beschriebenen oder einer anderen Ausstattung bedient haben. So wurde das chlorsaure Kali zum Feuerspender der Menschheit.
Inzwischen entdeckte man an diesem Salze noch andere sehr wichtige Eigenschaften. Mischte man es mit verschiedenen Stoffen, wie z. B. mit Schwefelantimon, so entstand daraus ein Gemenge, das bei Stoß oder kräftiger Reibung unter Flammenentwicklung explodierte. Der Württemberger Joh. Friedr. Kammerer soll der erste gewesen sein, der 1832 auf den Gedanken kam, dieses Gemenge zur Herstellung von Zündhölzchen zu verwenden. Er versah das eine Ende des Hölzchens mit einem Schwefelüberzug, bereitete eine klebrige Masse aus 50 Theilen Gummiarabikum, 10 Theilen chlorsaurem Kali und 20 Theilen Schwefelantimon, tauchte das Schwefelende der Hölzer in diese Mischung und ließ das Ganze trocknen. Das Entzünden dieser neuen Feuerzeuge war noch etwas umständlich; man nahm ein Blatt Sand- oder Glaspapier, faltete es zwischen den Fingern zusammen, steckte das Hölzchen dazwischen und rieb es hin und her, indem man das Papier mit den Fingern zusammendrückte. Die Erfindung war noch nicht vollkommen; die Köpfchen versagten recht oft oder sprangen ab, da die Explosion zu heftig war. Immerhin aber war den Zündwarenfabrikanten, deren Zahl schon damals beträchtlich war, der richtige Weg gezeigt, und im allgemeinen gilt Kammerer als der Begründer der Zündhölzchenindustrie.
Außer dem chlorsauren Kali war aber noch ein anderer Körper berufen, den Menschen die Kunst des Feuererzeugens zu erleichtern; es war dies der Phosphor. Der reine Phosphor ist ein weißer Körper, der sich an der Luft bereits entzündet, wenn [868] er auf nur 50° C. erwärmt wird. Diese Wärme wird nun mit Leichtigkeit schon bei einer gelinden Reibung an einer rauhen Fläche erzeugt, und man war bald darauf gekommen, den leicht entzündbaren Körper zur Herstellung von Feuerzeugen zu benutzen. In der That wurden derartige Versuche schon in den ersten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts angestellt, aber die ersten Phosphorfeuerzeuge waren höchst unvollkommen und gefährlich; man sollte reinen Phosphor unter Wasser in Fläschchen aufbewahren, dann stückchenweise hervorholen und schließlich durch Verreibung auf Leder entzünden.
Als nun Kammerer von der ersten Mischung, die er zur Herstellung der Köpfchen für seine Zündhölzchen erdacht hatte, nicht befriedigt wurde, stellte er eine neue her, in welcher neben chlorsaurem Kali noch Phosphor enthalten war. Die Zündhölzchen versagten jetzt nicht mehr; denn der Phosphor entzündete sich selbst bei gelinder Reibung und zersetzte das chlorsaure Kali, welches dabei den nöthigen Sauerstoff lieferte, um den Schwefel zu entzünden und eine lebhafte Verbrennung möglich zu machen. Die Idee fand Anklang, und in Wien entstanden unter Leitung von Stephan Römer und J. Preshel die ersten größeren Fabriken, welche Phosphorhölzchen lieferten.
Aber auch diesen Hölzchen hafteten schwere Mängel an. Die Mischung von Phosphor und chlorsaurem Kali explodiert mit solcher Gewalt, daß man mit ihr Bomben füllen könnte, und so kam es, daß bei der Fabrikation viele schwere Unfälle sich ereigneten und das Verfahren in vielen Ländern verboten wurde. Die neuen Zündhölzchen waren wilde Gesellen, die erst gezähmt werden mußten, und diese Zähmung gelang schließlich den Wiener Fabrikanten, indem sie das chlorsaure Kali in der Köpfchenmasse durch Stoffe ersetzten, die langsamer Sauerstoff abgaben, durch Mennige, Bleisuperoxyd oder guten Braunstein. Damit war die erste Stufe der Vollendung in der Herstellung der Zündhölzchen erreicht; die Welt erhielt Phosphorhölzchen, wie sie noch heute gemacht werden, und sie verdankt dieselben vor allem den deutschen und österreichischen Erfindern Kammerer, Preshel und Römer.
Aber die Menschen sind nun einmal anspruchsvoll, und so hatten sie auch an den ersten brauchbaren Zündhölzchen vieles auszusetzen. Der Gestank, den der Schwefel beim Verbrennen erzeugt, störte sie, und dem wurde auch insofern Rechnung getragen, als man für feinere Ware den Schwefel durch Paraffin ersetzte, in welches die Hölzchen getaucht wurden, bevor man das Köpfchen anbrachte. Viel wichtiger war aber ein anderer Einwand: der weiße Phosphor ist ein heftiges Gift, eine geringe Anzahl von Köpfchen genügt, um einen Menschen ums Leben zu bringen, und in der That griffen Gift- und Selbstmörder vielfach zu den leicht zugänglichen Hölzchen. Unter den Phosphordämpfen, die sich während der Verarbeitung entwickelten, hatten auch die Arbeiter schwer zu leiden, indem bei ihnen die Knochen des Ober- und Unterkiefers abstarben, die „Phosphornekrose“ der Knochen entstand. „Gifthöhlen“ nannte man die Zündholzfabriken, und am schlimmsten sah es dort aus, wo der kleine Mann die Herstellung der Hölzchen als eine Art Hausindustrie betrieb.
Wie betrübend diese Thatsachen auch waren, so konnten doch die Fabrikanten auf die Verwendung des Phosphors nicht verzichten, und die Welt hatte sich derart an die Zündhölzchen gewöhnt, daß ein Verbot der Anfertigung geradezu undenkbar war. Die Regierungen waren darum bestrebt, die Uebelstände wenigstens zu mildern, und erließen Verordnungen, durch welche die Phosphorvergiftung in den Fabriken verhütet werden sollte. Es sollte für Reinlichkeit, für gründliche Lüftung der Arbeitsräume Sorge getragen werden, die Verwendung des Phosphors wurde beschränkt; so dürfen z. B in Deutschland in der Zündholzmasse nur 8% weißen Phosphors enthalten sein. Völlig konnte dadurch dem Uebelstande nicht abgeholfen werden, und noch im Jahre 1891 haben sich die Schweizer Fabrikinspektoren ohne Ausnahme dahin ausgesprochen, daß selbst die genauesten Vorschriften über den Bau und den Betrieb der Zündwarenfabriken nicht genügen, um Erkrankungen an Nekrose zu verhüten, und daß dies nur durch eine gänzliche Beseitigung des weißen Phosphors zu erreichen wäre.
So forderte wie die meisten Errungenschaften der Kultur auch das Zündhölzchen alljährlich seine Opfer, obwohl wir zur Ehre der deutschen Industrie hervorheben müssen, daß sie alles dransetzt, um die Arbeiter vor den mit der Fabrikation verbundenen Gefahren zu schützen. Die Phosphorvergiftungen sind in unseren Fabriken gottlob selten geworden, denn nach amtlichen Berichten ergaben sich für ganz Deutschland im Jahre 1887 nur 8 und im Jahre 1888 nur 3 Nekrosefälle, während im Jahre 1886 gar keine derartige Erkrankung vorgekommen war.
Im Jahre 1845 hat Lorinser in Wien zum ersten Male auf die bis dahin unbekannte Phosphorvergiftung aufmerksam gemacht. Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß zu derselben Zeit und in derselben Stadt der schon genannte Römer eine Entdeckung machte, welche berufen war, später eine Umwälzung in der Zündhölzchenfabrikation zu bewirken und den gefährlichen weißen Phosphor entbehrlich zu machen. Indem Römer den Phosphor längere Zeit auf 240° bis 250° C. erhitzte, erhielt er eine neue Form desselben, eine rothbraune, völlig unkrystallinische Masse, die sich an der Luft nicht verändert, erst bei 250° C. entzündet und völlig ungiftig ist. Das ist der „amorphe“ oder „rothe Phosphor“.
Römer und Preshel stellten sogleich Versuche an, ob man durch den neuen Körper nicht den weißen Phosphor in den Zündhölzern ersetzen könnte. Sie fanden nun, daß ein Gemenge von chlorsaurem Kali, Schwefelantimon und amorphem Phosphor durch Reibung an einer rauhen Fläche sich wohl entzünde. Aber der Erfolg glich demjenigen, den Kammerer bei seinen ersten Zündhölzchen erlebt hatte, die Masse explodierte mit solcher Heftigkeit, daß das Köpfchen mit lautem Knall zersprang und brennende Massen umherflogen. Die Zähmung dieser Mischung wollte nicht gelingen.
Etwas später, gegen das Jahr 1850, trat der deutsche Chemiker Böttger mit einer sehr wichtigen Neuerung auf, welche den Beginn einer neuen Aera in der Zündholzfabrikation bedeutete. Er setzte die Köpfchenmasse aus chlorsaurem Kali und Schwefelantimon zusammen, indem er Gummi als Bindemittel benutzte, und stellte eine besondere Reibfläche her, die aus einem Anstrich bestand, der amorphen Phosphor enthielt. Strich man nun das Köpfchen über diese Masse, so entzündete sich infolge der Reibung hier und dort ein winziges Theilchen des amorphen Phosphors, dieses Fünkchen setzte wieder ein Theilchen des Zündholzköpfchens in Brand und löste die Explosion der ganzen Mischung von chlorsaurem Kali und Schwefelantimon aus.
Das waren also „schwedische“ Sicherheitszündhölzchen, die in Deutschland schon in den fünfziger Jahren in mehreren Fabriken nach der Böttgerschen Anweisung hergestellt wurden, aber damals gegen die Phosphorhölzer nicht aufkommen konnten. Man hatte sich an die letzteren gewöhnt, sie ließen sich so bequem anzünden; wenn die Reibfläche verloren ging, so genügte ein Strich an der Wand oder der Hose, um Feuer zu erlangen. Bei den neuen Hölzchen mußte man stets die Reibfläche mit amorphem Phosphor mit sich führen; war diese abgenutzt, so waren die Zündhölzchen unbrauchbar; denn sie versagten, wenn man sie an einer beliebigen rauhen Fläche rieb.
Allein im Anfang der sechziger Jahre wurde der hohe Werth der deutschen Erfindung anderswo erkannt. Der schwedische Ingenieur Lundström gründete die berühmte Fabrik in Jönköping. Die Masse der Zündköpfchen und der Streichfläche blieb die alte, aber die Schweden ersannen eine praktische Verpackung, lieferten die Hölzchen in den kleinen bequemen Schiebeschachteln, und so fiel das Haupthinderniß einer weiteren Verbreitung weg. Die „schwedischen Zündhölzchen“, wie sie jetzt allgemein genannt werden, entzünden sich nicht so leicht von selbst wie die alten Phosphorhölzer, sie sind darum feuersicherer und die Kinder können mit ihnen nicht so leicht Brände stiften; ferner sind sie giftfrei. Vor allem aber sind diese Sicherheitshölzchen als eine wahre Wohlthat für die Arbeiter in Zündwarenfabriken zu betrachten; denn der rothe Phosphor ruft keine Phosphornekrose hervor.
Kein Wunder also, daß die „Schweden“ einen förmlichen Siegeszug durch die Welt antraten, in Europa, Amerika eine Heimstätte fanden und selbst nach Asien und Australien, ja in den „dunklen“ afrikanischen Welttheil vordrangen. Während ihrer Blüthezeit stellte die Jönköpinger Fabrik jährlich Zündhölzchen im Werthe von 4 Millionen Mark her; bald sind ihr freilich in den verschiedensten Gegenden Nebenbuhlerinnen erwachsen, und namentlich in Deutschland besitzen wir eine Anzahl von Werkstätten, aus denen vorzügliche Böttgersche Sicherheitshölzer in schwedischer Ausstattung hervorgehen. Sie haben sich derart eingebürgert, [870] daß sie den alten Phosphorhölzchen die Lebensbedingungen schwer machen und einige Staaten sich überhaupt mit der Absicht tragen, die Verwendung des giftigen weißen Phosphors zur Herstellung von Zündhölzchen gänzlich zu verbieten.
Damit hat jedoch das Zündhölzchen die höchste Stufe seiner Vollkommenheit sicher noch nicht erreicht. Es steht ihm noch eine dritte glorreichere Entwicklungsepoche bevor. Es ist doch ein Mangel, daß das Sicherheitshölzchen sich nur an der präparierten Reibfläche der Schachtel entzündet. Immerfort strebt man einem höheren Ziel entgegen, nämlich dem, giftfreie Zündhölzchen zu schaffen, die sich ebenso leicht wie die Phosphorhölzchen an jeder rauhen Fläche entflammen lassen. Zweifellos wird dies auch gelingen. Betrachten wir nur die Köpfchen der „Schweden“! Wenn man behauptet, daß sie sich nur an der dunklen Fläche der Schachtel entzünden, so ist das streng genommen eine Uebertreibung. Die ersten Zündhölzchen Kammerers bestanden ja auch aus einem Gemenge von chlorsaurem Kali und Schwefelantimon und wurden, wenn auch mit Schwierigkeit, an rauhen Reibflächen angebrannt. Wir können auch die Köpfchen der „Schweden“ auf einer nicht zu harten Papierunterlage, z. B. auf dem Umschlag eines Schreibheftes, anbrennen, wenn wir mit einigem Nachdruck und einer gewissen Schnelligkeit darüber streichen. Die Chemie kennt aber noch eine Reihe anderer Körper, die sich durch Reibung leichter als dieses Gemenge entzünden, so z. B. das unterschwefligsaure Bleioxyd oder pikrinsaures Kali. Von Natur sind dies wilde Gesellen, die so rasch explodieren und verbrennen, daß die entstandene Flamme keine Zeit hat, das Hölzchen selbst zu entzünden; aber es wird dem Menschen wohl noch glücken, die Unbändigen zu zähmen, wie das bei so vielen anderen Explosionskörpern der Fall war. Dem Scharfsinn der Erfinder ist somit auf dem Gebiete der Zündwarenfabrikation noch immer ein dankbares Feld vorbehalten.
Wir haben bis jetzt nur die chemische Seite der Zündhölzchenfrage betrachtet; nicht minder wichtig ist aber die Entwicklung der Technik in der Herstellung der winzigen Feuergeber. Die Zeiten sind dahin, wo der kleine Mann mit wenigen Apparaten Zündhölzchen zu Hause oder in einer einfachen Werkstätte mit Gewinn herstellen konnte. Heutzutage haben die Maschinen auch auf diesem Felde den Sieg über die Handarbeit davongetragen und sie sind auch allein imstande, die ungezählten Milliarden der Hölzer zu liefern, die wir alljährlich verbrennen.
Man muß hinauswandern in waldreiche Gebiete, um diesen Zweig der menschlichen Thätigkeit in seiner vollen Leistungsfähigkeit kennenzulernen, um mit Staunen wahrzunehmen, wieviel Scharfsinn nöthig war, um uns das Zündhölzchen in glatter, tadelloser Gestalt für so billiges Geld liefern zu können. In Deutschland blüht die Zündwarenindustrie vor allem in den Waldgegenden Bayerns und im Harz, wo auch – in Garmisch und in Clausthal – besondere Fachzeitschriften für die Zündwarenindustrie erscheinen.
Das beste und schönste Holz für unsere Ware liefert die Espe; aber sie könnte allein den Bedarf nicht decken, und so wird auch Fichten- und Tannenholz vielfach zur Bereitung von Zündhölzchen verwendet. In den ersten Zeiten, als das Zündhölzchen sich Geltung errang, hobelten fleißige Männer aus Holzscheiten den feinen „Holzdraht“, wie die runden Hölzchen heißen. Gegenwärtig sind die Holzdrahtmaschinen so vervollkommnet, daß eine einzige bis 6 Millionen Hölzer während eines zehnstündigen Arbeitstages zu liefern vermag. Der gehobelte Holzdraht eignet sich aber wenig zu Zündhölzchen, deren Köpfchen keinen Phosphor enthalten, und man hat darum zur Herstellung der schwedischen Hölzer ein neues Verfahren ersonnen, wobei man die Hölzchen durch Schälen gewinnt.
Da liegen vor uns die geraden Stämme der Waldbäume, sehen wir zu, wie sie in Millionen Hölzchen zersplittert werden! Zunächst wird das Stammholz entrindet und dann mittels der Kreissäge in Klötze von etwa 40 cm Länge zerlegt. Nun wandern die Klötze in einen Apparat, in dem sie ausgekocht oder „gedämpft“ werden. Mit mächtigen Zangen wird darauf das Holz aus dem Brühbottich herausgeholt und im heißen Zustande in eine Schälmaschine eingespannt. Hier wird es um seine Achse gedreht und trifft auf ein scharfes Messer, das ein zusammenhängendes Holzband von der Dicke eines Streichhölzchens von ihm abschält; gleichzeitig wird dieses Band in etwa 5 cm breite, also der Länge eines Zündhölzchens entsprechende Streifen zerschnitten. Diese Maschinen vermögen während eines Arbeitstages 4000 Quadratmeter Holzspan zu liefern, aus dem 15 Millionen Hölzchen bereitet werden können; dabei beträgt ihr Kraftbedarf nur 2 Pferdestärken und an Bedienung erfordern sie nur einen Mann.
Die schmalen Holzbänder wandern nun in eine „Abschlagemaschine“, welche der gewöhnlichen Häckselmaschine ähnlich ist. Durch einen einfachen Mechanismus werden 50 bis 70 übereinander gelegte Holzbänder langsam vorwärts gerückt und kommen unter ein scharfes Messer, das sie in Hölzchen von der gewünschten Dicke zerlegt. Die abgetrennten Hölzchen fallen auf ein Band ohne Ende und werden von diesem in die Trockenräume befördert. Es giebt Abschlagemaschinen, die, von einem Mann und einem Jungen bedient, bis zu 28 Millionen Hölzchen im Tage liefern.
Wir möchten gleich an dieser Stelle bemerken, daß auch die Schachteln zu schwedischen Zündhölzchen mit Hilfe verschiedener Maschinen angefertigt werden. Eine Beschreibung derselben würde uns zu sehr in das Technische führen, nur über ihre Leistungsfähigkeit werden einige Mittheilungen willkommen sein.
Die erste Maschine ist eine Schälmaschine und liefert täglich 3000 Quadratmeter Schachtelspan, woraus man 200000 Schachteln machen kann. Die zweite Maschine theilt den Schachtelspan auf genaue Schachtelbreite und liefert 300 000 bis 400 000 Holzstückchen, aus welchen Schachteln geklebt werden können. Auch diese Klebearbeit besorgt eine Maschine. Die Außenschachtel oder die „Hülse“ wird bekanntlich durch blaues Papier zusammengehalten. Dieses Papier wird in endlosen Streifen von 56 mm Breite von einer seitwärts stehenden Rolle der Maschine zugeführt, und diese besorgt das Abschneiden, Kleben, Biegen etc. selbstthätig, bedarf zu ihrer Bedienung nur eines Mädchens und liefert im Tag 36 000 Hülsen. Eine andere Maschine fertigt die Schieber oder Einschiebsel für die Schwedenschachteln und liefert in ähnlicher Weise 25000 Schieber in 10 Stunden. Nun müssen noch die Schachteln auf beiden Schmalseiten mit der Anstrichmasse versehen werden. Auch dafür giebt es eine Maschine, die täglich 120000 bis 150000 Schachteln mit dem Anstrich versieht, und zwar sauberer und genauer, als dies die Menschenhand vermöchte. Endlich ist noch eine Maschine für das Aufkleben des Firmaschildchens da, welche im Tag 40 000 bis 50 000 Schachteln etikettiert und dabei mit dem Kleister sparsamer umgeht als ein Arbeiter.
Und nun bedenke man noch, daß diese Maschinen heutzutage in Tausenden von Exemplaren in der Welt verbreitet sind, dann wird man sich einen Begriff machen können von der Bedeutung, welche die Zündhölzchenindustrie in unserer Zeit erlangt hat.
Doch kehren wir zu unseren Hölzchen zurück, die wir im Trockenraume gelassen haben, und die nunmehr mit dem feuerbergenden Köpfchen versehen werden sollen! Bevor dies geschieht, müssen die Spitzen der Hölzchen mit leicht entzündbaren Stoffen, wie Schwefel, Paraffin oder Stearin getränkt werden. Zu diesem Zwecke werden sie in die betreffenden erwärmten Stoffe getaucht oder „getunkt“. Schon im Anbeginn der Geschichte des Zündhölzchens sah man ein, daß man nicht vorwärts kommen würde, wenn man die Hölzchen einzeln mit der Hand eintauchen wollte, und erfand den Tunkrahmen. Es sind dies dünne Brettchen, die mit einer Reihe gleichlaufender Einschnitte versehen sind. In diese Rinnen legte man die Hölzchen, und da die Rinnen seicht waren, so ragte der Holzdraht über sie hervor. Die gefüllten Brettchen schichtete man auf einem Gestell übereinander und preßte sie zusammen, so daß ihr Inhalt fest eingeklemmt wurde. Aus solchem Rahmen starrten mehrere Hunderte oder Tausende von Hölzchen nebeneinander hervor, die dann alle zusammen in die Tunkmasse gebracht werden konnten.
Früher wurde das Einlegen der Hölzchen in die Rahmen von Arbeiterinnen besorgt, welche darin eine so große Fertigkeit erlangten, daß sie an einem Arbeitstage bis 200000 Hölzchen in die Rahmen faßten. Aber auch für diese mühselige Arbeit hat man später Maschinen ersonnen, mit deren Hilfe heute eine Arbeiterin während eines Arbeitstages etwa anderthalb Millionen Hölzchen in den Rahmen zu bringen vermag.
Dagegen ist es bis jetzt nicht gelungen, die wichtige Arbeit des Eintunkens in die Zündmasse durch Maschinen besorgen zu lassen; hier muß noch immer die menschliche Hand eingreifen.
Sind nun die Hölzchen mit den Köpfchen versehen, so wandern sie wieder in Trockenräume, in welchen sie verbleiben, bis sie [871] alle Feuchtigkeit verloren haben; dann müssen sie aus dem Rahmen befreit, „abgelegt“, und in Schachteln verpackt werden. Dieser Theil der Arbeit, der mit Brandgefahr verbunden ist, mußte bis vor nicht langer Zeit gleichfalls durch die menschliche Hand besorgt werden; jetzt hat man Auslegemaschinen ersonnen, welche die Hölzer den geöffneten Rahmen entnehmen und geordnet in größere Kasten fallen lassen, aus welchen sie dann in kleinere Schachteln umgepackt werden. Eine solche Auslegemaschine neuester Bauart vermag bis zu drei Millionen Hölzchen an einem Tage den Tunkrahmen zu entnehmen, und dabei arbeitet sie, wie die Erfahrung gelehrt hat, bei weitem feuersicherer als der Mensch.
In allerjüngster Zeit hat der Schwede Lundgrenn, der schon durch seine Maschinen zur Herstellung der Schwedenschachteln berühmt geworden war, noch eine Maschine erfunden, welche die leeren Schwedenschachteln mit Hölzchen füllt und die Schachteln geschlossen abliefert. Man braucht weiter nichts zu thun, als nur die Behälter der Maschine mit Zündhölzchen und Schachteln zu füllen, und empfängt von ihr in 10 Stunden 25
000 wohlgefüllte Schachteln!Wir sehen, das kleine Zündhölzchen, das rasch vergängliche, hat eine ruhmreiche Geschichte; es ist eine bewundernswerthe Leistung des Menschengeschlechts; in ihm steckt eine ungeheure Summe scharfsinniger Geistesarbeit. Der Neger hat recht, wenn er beim Anblick des seltsamen Dinges, das Licht und Feuer sprüht, ausruft, es sei ein Zauber; denn das kleine Hölzchen übertrifft sicher die wunderbaren Künste der alten Magier.