Zur ärztlichen Anwendung der Elektricität

Textdaten
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Autor: Reginald Henry Pierson
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Titel: Zur ärztlichen Anwendung der Elektricität
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 183–184
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[183] Zur ärztlichen Anwendung der Elektricität. Ein von mir in Nr. 34 des Jahrgangs 1877 der „Gartenlaube“ veröffentlichter Artikel: „Die Elektricität als Heilmittel“ hat mehrere Fabrikanten elektrischer Apparate und sogenannter elektrischer Ketten veranlaßt, sich auf den genannten Aufsatz zur Empfehlung ihrer Erzeugnisse zu beziehen und in mehr oder weniger directer Weise den Glauben hervorzurufen, als ob ich diese Fabrikate selbst zur Anwendung empfohlen hätte. Ich sehe mich deshalb genöthigt, zunächst hiermit zu erklären, daß ich weder in dem erwähnten Artikel, noch auf irgend eine andere Weise die betreffenden Fabrikanten zu solchem Vorgehen veranlaßt oder ermächtigt habe, außerdem aber halte ich es für meine Pflicht, die Leser der „Gartenlaube“ vor der Selbstbehandlung mit elektrischen Apparaten auf das Dringendste zu warnen.

Die Elektricität kann in den Händen eines mit der Handhabung der nöthigen Apparate vertrauten und mit den dieselbe voraussetzenden physikalischen und medicinischen Kenntnissen versehenen Arztes ungemein segensreich wirken, bei ungeschickter Anwendung aber steht sie an Gefährlichkeit den eingreifendsten Arzneimitteln durchaus nicht nach, und ich könnte selbst über zahlreiche Fälle berichten, in welchen die nicht sachgemäße Behandlung mit elektrischen Apparaten die traurigsten Folgen gehabt hat.

Wenn bei Kranken, denen von einem erfahrenen Arzte die Anwendung der Elektricität angerathen worden ist, aus irgend welchen Gründen, z. B. wegen großer Entfernung vom Wohnorte des Arztes u. dergl., die Behandlung durch den Arzt nicht möglich ist, so dürfen dieselben sich nur unter der Voraussetzung selbst elektrisiren, daß ihnen genaue Vorschriften bezüglich der Stärke des anzuwendenden Stromes, der Dauer und Häufigkeit der einzelnen Sitzungen gegeben werden. Außerdem sollte der betreffende Arzt aber in nicht allzu langen Zwischenräumen, etwa alle drei bis vier Wochen, sich von der Wirkung der Behandlung und von der Beschaffenheit der Apparate überzeugen, letzteres [184] besonders deshalb, weil durch den Gebrauch der Apparate sich die Stärke derselben allmählich ändert.

Was nun die in den Zeitungsannoncen angepriesenen Apparate betrifft, so sind dies durchweg sogenannte Inductionsapparate, welche – vorausgesetzt, daß sie überhaupt zu Heilzwecken anwendbar sind, was keineswegs bei allen der Fall ist – nur für ganz bestimmte Krankheitsformen passen und z. B. bei Rückenmark- und Gehirnleiden im Allgemeinen entweder wirkungslos oder geradezu schädlich sind. Für diese Zustände ist gewöhnlich nur der constante oder galvanische Strom geeignet, der aber kostspieligere Apparate erfordert und deshalb von den Fabrikanten billiger Inductionsapparate für überflüssig erklärt wird.

Die sogenannten „elektrisch-galvanischen Ketten“, Gichtketten mit oder ohne „Flußableitung“, sind, soweit ich sie kenne, meistens so ungeschickt construirt, daß sie gar keinen Strom erzeugen; einige geben zwar anfänglich einen schwachen Strom, nach kurzer Zeit aber verschwindet derselbe durch Oxydation der leitenden Theile, und die ohnehin schon viel zu theuer bezahlte Kette ist dann nicht mehr so viele Pfennige werth, wie sie Mark gekostet hat.
Dr. Pierson in Dresden.