Zum Gedächtnis des Schauspielers Mitterwurzer

Textdaten
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Autor: Hugo von Hofmannsthal
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Titel: Zum Gedächtnis des Schauspielers Mitterwurzer
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aus: Gedichte, S. 74–76
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Entstehungsdatum: 1897
Erscheinungsdatum: 1922
Verlag: Insel Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld und Commons
Kurzbeschreibung: Gedicht zum Gedächtnis des Burgschauspielers Friedrich Mitterwurzer (1844–1897)
Erstdruck in: Wiener Rundschau (Wien), 2. Jg., 2. Heft, 1.5.1898 Google-USA*
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ZUM GEDÄCHTNIS

DES SCHAUSPIELERS MITTERWURZER

Er losch auf einmal aus so wie ein Licht.
Wir trugen alle wie von einem Blitz
Den Widerschein als Blässe im Gesicht.

Er fiel: da fielen alle Puppen hin,

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In deren Adern er sein Lebensblut

Gegossen hatte; lautlos starben sie,
Und wo er lag, da lag ein Haufen Leichen,
Wüst hingestreckt: das Knie von einem Säufer
In eines Königs Aug gedrückt, Don Philipp

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Mit Caliban als Alp um seinen Hals,

Und jeder tot.

Da wußten wir, wer uns gestorben war:
Der Zauberer, der große, große Gaukler!
Und aus den Häusern traten wir heraus

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Und fingen an zu reden, wer er war.

Wer aber war er, und wer war er nicht?

Er kroch von einer Larve in die andre,
Sprang aus des Vaters in des Sohnes Leib
Und tauschte wie Gewänder die Gestalten.

20
Mit Schwertern, die er kreisen ließ so schnell,

Daß niemand ihre Klinge funkeln sah,
Hieb er sich selbst in Stücke: Jago war
Vielleicht das eine, und die andre Hälfte
Gab einen süßen Narren oder Träumer.

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Sein ganzer Leib war wie der Zauberschleier,
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In dessen Falten alle Dinge wohnen:

Er holte Tiere aus sich selbst hervor:
Das Schaf, den Löwen, einen dummen Teufel
Und einen schrecklichen, und den, und jenen,

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Und dich und mich. Sein ganzer Leib war glühend,

Von innerlichem Schicksal durch und durch
Wie Kohle glühend, und er lebte drin
Und sah auf uns, die wir in Häusern wohnen,
Mit jenem undurchdringlich fremden Blick

35
Des Salamanders, der im Feuer wohnt.


Er war ein wilder König. Um die Hüften
Trug er wie bunte Muscheln aufgereiht
Die Wahrheit und die Lüge von uns allen.
In seinen Augen flogen unsre Träume

40
Vorüber, wie von Scharen wilder Vögel

Das Spiegelbild in einem tiefen Wasser.

Hier trat er her, auf eben diesen Fleck,
Wo ich jetzt steh, und wie im Tritonshorn
Der Lärm des Meeres eingefangen ist,

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So war in ihm die Stimme alles Lebens:

Er wurde groß. Er war der ganze Wald,
Er war das Land, durch das die Straßen laufen.
Mit Augen wie die Kinder saßen wir
Und sahn an ihm hinauf wie an den Hängen

50
Von einem großen Berg: in seinem Mund

War eine Bucht, drin brandete das Meer.

Denn in ihm war etwas, das viele Türen
Aufschloß und viele Räume überflog:
Gewalt des Lebens, diese war in ihm.

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Und über ihn bekam der Tod Gewalt!

Blies aus die Augen, deren innrer Kern
Bedeckt war mit geheimnisvollen Zeichen,
Erwürgte in der Kehle tausend Stimmen
Und tötete den Leib, der Glied für Glied

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Beladen war mit ungebornem Leben.


Hier stand er. Wann kommt einer, der ihm gleicht?
Ein Geist, der uns das Labyrinth der Brust,
Bevölkert mit verständlichen Gestalten,
Erschließt aufs neu zu schauerlicher Lust?

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Die er uns gab, wir konnten sie nicht halten

Und starren nun bei seines Namens Klang
Hinab den Abgrund, der sie uns verschlang.