Zucht der Kriechthiere und Lurche zu Unterrichtszwecken

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Zucht der Kriechthiere und Lurche zu Unterrichtszwecken
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 88 b
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Beilage: Zwanglose Blätter
Ad. Franke: Die Reptilien und Amphibien Deutschlands : nach eigenen Beobachtungen geschildert, Leipzig, 1881, Harvard
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[088 b] Zucht der Kriechthiere und Lurche zu Unterrichtszwecken. Wie man Säugethiere und Vögel ausstopfen läßt, um sie als Anschauungsmittel für den naturgeschichtlichen Unterricht zu verwenden, so pflegt man die Kriechtiere und Lurche zu demselben Zwecke in Spiritus aufzubewahren. Solche Präparate sind stets selbst den besten Abbildungen vorzuziehen, da sie die natürliche Gestalt und Färbung der Thiere fast lebenstreu wiedergeben, und in manchen Fällen dürfte sogar ihr Vorzeigen zu den unerläßlichen Pflichten der Schule gehören. Dies ist namentlich bei Beschreibung der einzigen giftigen Schlangenart Deutschlands, der Kreuzotter, der Fall. Alljährlich hören wir von Todesfällen und schweren Erkrankungen, welche durch Kreuzotterbisse verursacht werden, und diese Unglücksfälle berechtigen uns wohl zu der Forderung, daß jedes Schulkind das giftige Reptil so genau kennen müßte, daß es dasselbe auf den ersten Blick von den ungefährlichen Arten zu unterscheiden vermöchte. Gute Abbildungen und das Auswendiglernen der genauesten Körperbeschreibung dieser Schlangenart führen keineswegs zu dem gewünschten Ziele; denn in Wirklichkeit hat man bei der plötzlich eintretenden Gefahr keine Zeit zu vergleichenden zoologischen Studien. Nur das dem Gedächtniß tief eingeprägte natürliche Bild des Thieres kann hier vielfachem Unglück vorbeugen, und schon diese eine Thatsache erläutert den hohen Werth der von uns oben erwähnten Präparate als Anschauungsmittel für die Schulen. Außerdem aber bietet die Entwickelung der Reptilien und Amphibien vom einfachen Ei an bis zum vollendeten Thiere einen der anziehendsten und überraschendsten Abschnitte der beschreibenden Naturwissenschaft. Aus diesem Grunde ist auch eine möglichst weite Verbreitung guter, diese verborgenen Vorgänge darstellenden Präparate in hohem Grade wünschenswerth.

Wir lenken im Nachstehenden die Aufmerksamkeit unserer Leser auf eine derartige Sammlung und geben Denjenigen, die sich dafür interessiren, gleichzeitig einen Fingerzeig, wie solche in richtiger Art und ohne besonders großen Kostenaufwand herzustellen ist.

Ein intelligenter und mit seiner Beobachtungsgabe ausgestatteter Laie, der vor Jahresfrist leider zu früh heimgegangene Ad. Franke aus Stötteritz bei Leipzig, hat sich vor mehr als zwanzig Jahren die Aufgabe gestellt, die wenig bekannten Lebensgewohnheiten unserer heimischen Kriechtiere und Lurche zu ergründen. Er gelangte bald zu der Ueberzeugung, daß die in größeren Thiergärten und Aquarien gesammelten Erfahrungen über die Lebensweise dieser Wesen auf falschen Voraussetzungen beruhten, da dort die Thiere in der Gefangenschaft unter höchst unnatürlichen Verhältnissen gehalten werden. Franke stellte darum ein eigenes Terrarium her, welches lediglich für die einheimischen Reptilien und Amphibien berechnet war und den natürlichen Verhältnissen, unter welchen diese Thiere zu leben gewohnt sind, durchaus entsprach.

In einem 1881 herausgegebenen Werkchen „Die Reptilien und Amphibien Deutschlands“ (Leipzig, Veit u. Comp.) giebt er eine ausführliche Beschreibung seines Terrariums, welches einen quadratisch abgeteilten Raum von etwa 40 Meter Flächeninhalt umfaßt und mit einer 1¼ Meter hohen Umfriedigung versehen ist. In der Mitte desselben befindet sich ein etwas über zwei Cubikmeter messendes Wasserbassin mit Springbrunnen, hinter welchem sich eine aus porösen Steinen zusammengesetzte Felsengruppe erhebt. Dieser Miniaturberg hat in seinem Inneren reichliche Hohlräume, die mit Laub, Moos u. dergl. ausgelegt sind und den im Terrarium gehaltenen Thieren als Winterquartier dienen. Der „Berg“ ist selbstverständlich mit Bäumchen und Sträuchern besetzt, und nach oben ist das Terrarium vollständig frei.

„Durch diese Einrichtung,“ schreibt Ad. Franke in seinem oben erwähnten Buche, „ist es mir nicht nur möglich geworden, das Leben der Kriechthiere und Lurche in Bezug auf Nährweise, Charakter, Fortpflanzung und Winterschlaf in nächster Nähe zu beobachten, sondern ich züchte auch alljährlich eine ziemliche Anzahl junger Thiere, was bis jetzt, besonders bei den Kriechtieren, nicht eben vielen Forschern gelungen sein dürfte.“

Die günstigen Erfolge dieser eigenartigen Zucht und das dringende Anraten angesehener Fachmänner veranlaßten Ad. Franke noch kurz vor seinem Tode, die deutschen Kriechtiere und Lurche sammt deren verschiedenen Entwickelungsstadien, vom Ei bis zu ihrer vollen Entwickelung, als selbständige Sammlungen darzustellen. Anerkennung für die so entstandenen trefflichen Lehrmittel hat er noch auf einigen Lehrmittelausstellungen zu ernten vermocht.

Als wir an einem klaren Herbstsonntage vorigen Jahres das genannte Terrarium in Stötteritz bei Leipzig aufsuchten, fanden wir es auf der alten Höhe seiner Entwickelung unter der sorgsamen Leitung des Sohnes von Ad. Franke, des Herrn H. Franke. Der engbegrenzte Raum gestattet uns leider nicht, das bunte Treiben, welches sich dort auf den wenigen Quadratmetern Natur vor unseren Augen entwickelte, ausführlich zu schildern. Einen Begriff davon wird sich aber der Leser schon machen können, wenn wir ihm einfach sagen, daß das Terrarium allein an 200 Schlangen neben Salamandern, Fröschen und Eidechsen beherbergt.

Nicht minder interessant war der Besuch des „Laboratoriums“, in welchem zierlich geordnet die vielen Gläser mit Spirituspräparaten zu sehen waren. Da konnte man in bunter Reihe die interessanten Entwickelungsstufen unserer heimischen Reptilien und Amphibien schauen; alle jene merkwürdigen Thiere, von dem gewöhnlichen Frosche bis zu der seltenen grünen Smaragdeidechse und der giftigen Kreuzotter, waren in der Sammlung in vorzüglichen Exemplaren vertreten.

Wenn diese kurze Schilderung hier und dort zur Anschaffung solcher Lehrmittel für die Schulen und vielleicht auch zur Gründung ähnlicher Terrarien Veranlassung geben sollte, dann würde ihr Zweck erreicht sein. Wir brauchen kaum noch darauf hinzuweisen, daß eine derartige Einrichtung neben dem praktischen Nutzen für die Schule auch ihrem Leiter geistigen Genuß und viel Belehrung bietet.