Zu Theodor Körners hundertjährigem Geburtstag

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Autor: Dr. Emil Peschel
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Titel: Zu Theodor Körners hunderjährigem Geburtstag
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 637–640
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Zu Theodor Körners hundertjährigem Geburtstag.

 „Wahrlich, Dich liebten die Götter, Geschiedener! Freundlich mit Liedern
      Kränzt’ in der Jugend schon liebend die Muse Dein Haupt.
 Und da Du nun auszogst begeisterungskühn zu dem Kampfe,
      Ward in der Stunde des Tods Dir noch ein gnädig Geschick;
 Denn Du stiegst in der Fülle der Kraft, in heiligem Muthe
      Schnell von dem tödlichen Blei schmerzlos zum Orkus hinab.“

Es waren gewaltige Zeiten, jene stürmischen Anfänge unseres Jahrhunderts. Europa wankte in seinen alten staatlichen Grundlagen; Deutschland vor allem ward durch den eisernen Druck des französischen Welteroberers bis in seine Tiefen erregt. Aber mitten in diesem Umsturz, in dem nichts mehr zu beharren schien, bereitete sich eine innere Neugeburt des deutschen Volkes vor. Der literarische Aufschwung, der nach der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts angebrochen war und in Lessing, Schiller und Goethe rasch die führenden klassischen Geister erhalten hatte – er fand im Zusammenhang mit jener Neubelebung des Volksbewußtseins gegenüber der Fremdherrschaft und dem nationalen Unglück patriotische Klänge, vaterländische Weisen. Das Morgenroth deutscher Einheit und deutschen Fühlens, das jetzt für uns zum lichten Tag geworden ist, war verheißungsvoll heraufgezogen, und Männer wie Arndt, Schenkendorf und Rückert begrüßten den werdenden Tag mit begeisterten Tönen. Keiner unter den vaterländischen Dichtern aber hat seine Muse feuriger und tapferer in den Dienst dieser großen Zeit gestellt als der Sänger von „Leyer und Schwert“, als Theodor Körner.

Für ihn, der am 23. September 1791 geboren wurde, verlief gleich die frühe Jugend unter dem Zeichen jener Erschütterungen, welche im Gefolge der französischen Revolution und der sich anschließenden Kämpfe auftraten; und als der poetische Genius des Jünglings eben die Flügel geregt hatte, da erklang auch schon am 3. Februar 1813 jener Aufruf Friedrich Wilhelms III., welcher Deutschlands Söhne zum entscheidenden Ringen gegen Napoleon aufforderte und den emporstrebenden Dichter in die Reihen der Lützowschen Freischar führte. So mußten für Theodor Körner die Kinder seiner Muse zugleich zu Kindern des Krieges werden, und es ist nicht zu verwundern, daß seine besten Lieder dem heißen Kampf für das Vaterland galten. Gefecht und Feldwache, einsame Stunden unter dem gestirnten Himmel, kühne Ritte durchs Land im hellen Sonnenschein – das alles ward ihm zum Gedicht in diesem mächtigen Spiel der Waffen, wo nicht nur in seiner eigenen Seele, sondern in jedem seiner Genossen jene echte Begeisterung lebendig war, welche das Letzte an die Freiheit des Volkes setzt. Karl Immermann, der Dichter des „Oberhofs“, welcher 1815 gleichfalls in den Kampf gegen Frankreich zog, schildert diesen Geist, der in Körner und in den Lützowschen Scharen lebendig war, bei Gelegenheit des Kölner Freiwilligenfestes am 8. Februar 1838 mit folgenden treffenden Worten:

0Körners Geburtshaus0
zu Dresden im Jahre 1791.

„Die Jugend und Frische des deutschen Gesammtlebens war in seinen zartesten Nerven von der Fremden-Ueberziehung angetastet worden; deutsches Denken, Sinnen und Dichten stand in Gefahr, mit der heimischen Sprache den fremden Lauten und dargeliehenen oder aufgedrungenen Geistesformen weichen zu müssen. Deshalb kämpfte die Blüthe der Jugend aus dem Hörsaal, der Kirche, dem Lehrstuhl, der Gerichtshalle so begeistert mit. Diese Jugend fühlte, daß das ganze Erbe unserer großen geistigen Ahnen und die Zukunft des Geistes, welche ihr anheim fallen sollte, auf dem Spiele stehe. Der Athem dieser Jugend durchdrang erfrischend das Heer, überallhin waren ihre Sprossen gepflanzt, nirgends aber stand der junge, grüne Hain so dicht, als in den Lützowschen Freischaren. Hier war der Student der Nebenmann des jungen Geistlichen; Aerzte, Künstler, Lehrer, Naturforscher, ausgezeichnete, zum Theil schon hochgestellte Beamte von besonderem Schwunge des Wirkens waren an die wenigen Kompagnien und Schwadronen vertheilt, welche zum Zeichen, daß alle Farben des deutschen Lebens erst wieder aufwachen sollten, das farblose Schwarz trugen. Unsere Sinnes- und Geistesart war gewissermaßen dort in einer gedrängten und übersichtlichen Gruppe nach ihren verschiedensten Formen sichtbar. Ein kühner, freisinniger Führer hielt diese eigenartigen Persönlichkeiten, diese wundersame Genossenschaft unter den schwierigsten Umständen in Sieg und Niederlage zusammen.

Die Freischar war die Poesie des Heeres, und so hat sie denn auch den Dichter des Kampfes in ihrem Schoße ausgetragen: Theodor Körner. Ein schönes, beneidenswerthes Leben! Indem er den Kriegsrock anzieht, streift er alles Schwache, Nachgeahmte seiner ersten Versuche ab; er ist ein Anderer geworden. Von Feldwache zu Feldwache, von Gefecht zu Gefecht quellen ihm Lieder zu, eigene, unnachgeahmte, unnachahmbare, welche die Nation zu ihren Schätzen zählt, er dichtet sein ‚Schwertlied‘, einen der höchsten Laute unserer Sprache. Da werben schon die Trompeten. Er wirft den Stift weg und ergreift sein Schwert, die Braut, welche er eben besungen: in der Fülle dieser Wonne, auf dem Gipfel solchen Glücks tritt ihn der Tod an, rasch, ohne daß er sein Antlitz gesehen hat, und die Brüder geben ihm den Feuergruß in die erkämpfte Gruft. Er fehlt [638] im Siegesheimzuge, aber er ruht auf freier Erde, wie er wollte, und lebt im Volke:

‚Denn was berauscht die Leyer einst gesungen,
Das hat des Schwertes freie That errungen.‘“ –

Ja, Körner lebt fort in seinem Volke! Am 23. September dieses Jahres wird in seinem Vaterlande und allenthalben, wo Deutsche wohnen, welche der Heimath und ihrer Größe nicht vergessen, sein Andenken dankbar gefeiert. Und es muß hier nicht wie so oft ein halb Verschollener beim hundertjährigen Gedenkfeste erst wieder in die Erinnerung zurückgerufen werden. Körners Bild ist nie entschwunden, und vor allem hat seine Vaterstadt Dresden sich stets dessen erinnert, daß innerhalb ihrer Mauern einst die Wiege des „deutschen Tyrtäus“ stand.

Antonie Adamberger
die Braut Theodor Körners.

Schon am 26. August 1863, am fünfzigjährigen Todestage des Dichters, wurde die Stätte seiner Geburt in der Neustadt mit einer Gedenktafel geschmückt und die Straße mit dem Geburtshause, die vorher „am Kohlenmarkt“ hieß, in „Körnerstraße“ umgetauft. Und am 18. Oktober 1871, dem Jahrestag der Schlacht bei Leipzig, fand auf dem Georgplatz in Dresden vor dem Gymnasium zum heiligen Kreuz, dem einst Körner selbst als Schüler gehörte, die Enthüllung des Standbilds statt, das Ernst Hähnel mit verständnißvoller Künstlerhand für den Sänger der Befreiungskriege gerade zu der Zeit entworfen hatte, als Deutschlands Heere wiederum die siegreichen Waffen gegen den Erbfeind im Westen kehrten. Endlich feierte am 28. März 1875 unter dem Geläute der Osterglocken und umbraust von vielhundertstimmigem Jubelgesang dort im anmuthigen „Deutschen Florenz“ ein Raum seine Auferstehung, der in seiner Anspruchslosigkeit bisher wenig beachtet worden war.

An diesem Tage wurde nämlich das Geburtshaus Körners mit den darin aufgestellten Sammlungen zum „Körnermuseum“ geweiht, unter gleichzeitiger Enthüllung zweier Reliefbildnisse an der Außenseite, von denen das eine den Heldenjüngling selbst wiedergiebt, während das andere Schiller darstellt, der von 1785 bis 1787 hier bei den Eltern Theodor Körners in traulichem Zusammensein verweilte und an diesem gastlichen Herde ein neues Glück und neue dichterische Schaffenslust fand.

Der Gedanke bei dieser Eröffnung des Museums war, nicht nur dem Gedächtniß des Dichters, sondern zugleich dem jener ganzen bedeutungsvollen Zeit der Befreiungskriege eine Heimstätte zu geben, den Alten zur Erinnerung an ihre Thaten von Einst, dem Manne zur Anfeuerung in ernstem Schaffen und muthigem Ausharren, der Jugend eine Ruhmeshalle, welche sie zu fröhlichem Liede und, wenn es gilt, zu tapferem Schwerterklang begeistern soll.

Diese Bestimmung zu erreichen, ist dem Begründer und Leiter des Museums in noch erhöhterem Maße als zu Anfang möglich geworden, seit im Herbst 1885 die städtische Verwaltung sich mit dem Besitzer der Sammlungen über die Bedingungen geeinigt hat, unter denen das Ganze Eigenthum der Stadt werden konnte.

Während nunmehr der Inhalt der Räume im Erdgeschoß den weltgeschichtlichen Wendepunkt zweier Jahrhunderte veranschaulicht, sind die Gelasse im oberen Stockwerk, die von 1785 bis 1793 dem Vater des Dichters dem Appellationsrath Dr. Christian Gottfried Körner, und den Seinigen als Wohnung dienten, den Reliquien der Familie gewidmet, die eine hervorragende Rolle in der Kulturgeschichte Dresdens gespielt hat. Die Einrichtung der Zimmer stammt zum großen Theil aus dem einstigen Besitz Dr. Körners und ist auch sonst in allen Einzelheiten streng dem Stile zu Anfang unseres Jahrhunderts angepaßt.

Von Theodor Körner selbst befinden sich im Museum außer den schönsten Reliquien, jenen Gegenständen, die er in seinen letzten Tagen trug, die ersten Nachrichten über seine Geburt, seine frühesten Uebungen im Schreiben und Zeichnen, Gelegenheitsgedichte des Knaben, Zeugnisse der aufkeimenden Neigung zur Poesie, seine Studienhefte aus der Schulzeit und namentlich hübsch gelungene Kupferradierungen, wodurch er sich als würdigen Enkel seines Großvaters Michael Stock zeigte, der in Leipzig ein geschätzter Kupferstecher gewesen war und Goethes Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Außerdem liefern verschiedene Skizzenbücher den Beweis, daß die Begabung für Malerei in Theodor Körner ebenso lebendig war wie in seiner Mutter, der Tochter des eben erwähnten Michael Stock, und in seiner um drei Jahre älteren Schwester Emma. Ferner sind die Schränke erhalten geblieben, die der Vater für eine reiche Mineraliensammlung anfertigen ließ, nachdem sich sein Sohn für das Studium der Bergwissenschaften in Freiberg entschieden hatte, und ebenso sind noch die bergmännischen Instrumente zu sehen, welche der Jüngling dort benützte.

Vom Jahre 1808 bis 1810 verweilte Theodor Körner auf der Bergakademie zu Freiberg. Als er von da schied, weil ihn das eingeschlagene Studium nicht befriedigen konnte, unternahm er zunächst einige kleinere Reisen und verlebte namentlich eine herrliche Zeit der Stille und Sammlung auf Schloß Löbichau bei Altenburg, wohin ihn seine Pathin, die Herzogin Dorothea von Kurland, eingeladen hatte. Im Oktober 1810 bezog er die Universität Leipzig mit dem Entschluß, sich der Jurisprudenz zu widmen. Allein was seine eigentliche Bestimmung sei, das verrieth ein Bändchen Gedichte, „Knospen“ betitelt, das er noch im gleichen Jahre veröffentlichte; vor allem schilderte er hier das Bergmannsleben in leuchtenden Farben.

Wegen einiger studentischer Händel vertauschte er Ostern 1811 Leipzig mit Berlin, jedoch eine gefährliche Krankheit unterbrach auch seinen dortigen Aufenthalt in Bälde. Um nun den Sohn in eine Lage zu versetzen, in welcher er frei von irgendwelchen gefährlichen Verbindungen seinen Geist und sein vorzügliches Dichtertalent [639] ausbilden könnte, beschloß der Vater, ihn in das glänzende Wien einzuführen.

Theodor Körner, von seinem Waffengefährten Olivier
gezeichnet am 26. August 1813 unter der Eiche bei Wöbbelin.

Versehen mit den besten Empfehlungen von einflußreichen Freunden seines Vaters, eines W. v. Humboldt, Fr. v. Schlegel u. a., traf Theodor Körner Ende August 1811 in der österreichischen Hauptstadt ein. Eine neue Welt that sich hier vor ihm auf: die Bühne versprach ihm einen ausgebreiteten Ruf. Bald hörte man von Wien aus mit rauschendem Lobe seinen Namen nennen; mehrere seiner dramatischen Dichtungen, wie „Der grüne Domino“, „Der Nachtwächter“, „Die Gouvernante“, fanden allgemeinen Beifall. Indessen Körners hochstrebender Geist ließ sich nicht an diesen kleineren Arbeiten genügen, ihn verlangte nach einem großen tragischen Stoff. Den Plan zu einem Trauerspiel „Konradin“, der ihn früher beschäftigt hatte, gab er auf, dafür bot sich ihm ein dankbarer Vorwurf aus der ungarischen Geschichte: das Schicksal des „ungarischen Leonidas“ Zriny. Im Sommer 1812 vollendete der Dichter in Oberdöbling bei Wien die Tragödie, welche den Namen jenes Helden trägt, und als das leidenschaftlich bewegte Stück am 30. Dezember 1812 auf dem Theater „an der Wien“ in glänzender Ausstattung und unter begeisterter Zustimmung seine erste Aufführung erlebte, da war der Ruhm des Jünglings gesichert; der Kaiser ernannte ihn zum Hoftheaterdichter.

Verkleinerte Nachbildung der Urschrift des Gedichtes „Treuer Tod“.

Zu dieser Aufmunterung seines Strebens kam noch eine feurige Liebe des Dichters zu einer begabten und liebenswürdigen Schauspielerin, Antonie Adamberger. Es war eine glückliche Fügung, daß gerade sie Körners Neigung gewann und als seine Braut einen wohlthuenden Einfluß auf ihn ausüben konnte. Der Vater des Dichters erkannte dies bald, in einem Briefe sagt er, dieses Mädchen sei vom Himmel gleichsam zum Schutzengel seines Sohnes bestimmt, indem sie ihn ebenso durch die Reize der Gestalt wie der Seele fessele. Mehrere Jahre nach Körners Tod hat sie sich mit dem Museumsinspektor Josef von Arneth vermählt, dessen Sohn jüngst in seinen „Lebenserinnerungen“ interessante Mittheilungen über die Beziehungen seiner Mutter zu dem Dichter veröffentlichte.

Neue Arbeiten, neue Entwürfe beschäftigten den rastlosen Geist Theodor Körners. Da ertönte jener königliche Aufruf zur Befreiung der deutschen Laude, deren Schmach der Jüngling schon längst mit bitterem Weh empfunden hatte, und nun säumte er keinen Augenblick, die Leyer mit dem Schwert zu vertauschen. In einem Briefe aus Wien vom 10. März 1813 bittet er den Vater um die Erlaubniß, zu den Waffen eilen zu dürfen. „Deutschland steht auf! Der preußische Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügelschläge die Hoffnung einer deutschen, wenigstens norddeutschen Freiheit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande – laß mich ihr würdiger Jünger sein! – Ja, liebster Vater, ich will Soldat werden, will das hier gewonnene, glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden hinwerfen, nun, sei’s auch mit meinem Blute, mir ein Vaterland zu erkämpfen!“ Fünf Tage nachher riß er sich von seiner Braut los und einen Monat später nahm er, schon in der Uniform der Lützowschen Schar, von den Seinigen Abschied. Es war das letzte Mal, daß er diejenigen umschloß, die ihm theuer waren auf Erden, nun galt sein Leben einem höheren Dienste, dem Kampf um das Vaterland, zu dem er mit den begeisterten Worten aufrief:

Frisch auf, mein Volk. Die Flammenzeichen rauchen,
Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht.
Du sollst den Stahl in Feindes Herzen tauchen;
Frisch auf, mein Volk! – Die Flammenzeichen rauchen.
Die Saat ist reif; ihr Schnitter, zaudert nicht!
Das höchste Heil, das letzte, liegt im Schwerte!
Drück’ Dir den Speer ins treue Herz hinein:
‚Der Freiheit eine Gasse!‘ – Wasch’ die Erde,
Dein deutsches Land, mit Deinem Blute rein“ –

Reliquien aus Körners Schul- und Studienzeit.

Reliquien aus Körners letzten Tagen (Achselklappen, Uhrband, Säbelkoppel, Uniformweste, Taschenbuch).

Wie dieses reiche, vielversprechende Leben dem Befreiungskampfe zum Opfer fiel, ist bekannt. Nachdem er schon am 17. Juni beim verrätherischen Ueberfall von Kitzen eine schwere Verwundung erhalten hatte, deren Heilung ihn bis zum 15. Juli in Karlsbad aufhielt, eilte er, kaum genesen, wieder zu seinem Corps zurück, bei dessen zweiter Jägerschwadron er als Adjutant des Majors v. Lützow stand. Seine Waffengefährten begrüßten ihn mit Jubel, allein es war nicht die Zeit zu ruhiger ungetrübter Freude. Am 23. August schreibt Körner an den Hofrath Parthey in Berlin aus Kirch-Jesar, wo er unmittelbar vor seinem Tode auch seinen Schwanengesang, das „Schwertlied“, dichtete, daß er noch lebe, doch seit dem 17. schlügen sich die Lützower alle Tage. Wie eine verhüllte Todesahnung gemahnen uns diese Worte, und nur zu bald ging sie in Erfüllung. In nächster Nähe eines Gehölzes an der Landstraße unweit Gadebusch in Mecklenburg-Schwerin durchbohrte am 26. August eine feindliche Flintenkugel das Herz des edlen Jünglings; so ward dem deutschen Volke der Genius entrissen, der glänzend wie das Frühroth eines verheißungsvollen Tages seine Bahn begonnen hatte.

Fast will es scheinen, als habe sich Theodor Körner in dem feurigen Helden Lorenz [640] Juranitsch seines „Zriny“ prophetisch selbst gezeichnet. wenn dieser ausruft:

„Wer Kräfte fühlt, der muß die Kräfte regen;
Der Kampf ist kurz, der Sieg soll ewig sein!
Und sehnt’ ich mich nach ungemeinen Schätzen,
Ich muß das Ungemeine daran setzen!“ –

„Ich möchte untergehen wie ein Held,
Im frischen Kranze meiner kühnsten Liebe,
Und, was die wilde Sehnsucht hier versprach,
Dort drüben von der Lust des Himmels fordern.“

Körners Grabstätte bei Wöbbelin im Jahre 1813.
Nach einer Zeichnung von Olof Winkler.

Und klingt uns nicht der ganze Opfermuth des Dichters entgegen aus jenen freudigen Worten, mit denen er in seinem Liede „Treuer Tod“ das Ende dessen schildert, der im kühnen Streit ums Vaterland sein Blut vergießt[1]:

Und furchtbar stürzt er in des Kampfes Gluth
Und tausend fallen unter seinen Streichen,
Den Sieg verdankt man seinem Heldenmuth,
Doch auch den Sieger zählt man zu den Leichen.
‚Ström’ hin, mein Blut, so purpurroth,
Dich rächten meines Schwertes Hiebe,
Ich hielt den Schwur, treu bis in Tod
Dem Vaterland und meiner Liebe.‘“

Am 27. August begruben seine Kameraden den geliebten Toten unter einer mächtigen Eiche bei Wöbbelin, nachdem noch einer von ihnen, Olivier, das Antlitz des geschiedenen Freundes mit wenigen Strichen auf einer Zeichnung festgehalten hatte. Als der Sarg in die Erde gesenkt wurde, sangen die Lützower als letzten weihevollen Gruß des Dichters „Gebet vor der Schlacht“:

„Vater, ich rufe Dich!
Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze,
Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze.
Lenker der Schlachten, ich rufe Dich!
Vater Du, führe mich!“ –

Theodor Körner ging dahin, ohne die Befreiung seines Vaterlandes zu erleben, an welcher sein flammendes Lied doch so großen Theil hatte. Wir, die wir nicht bloß in das Erbe dessen eingetreten sind, was die Jahre 1813 bis 1815 unserem Volke gebracht haben, sondern mit stolzem Glück auch die Einheit des Vaterlandes sich gestalten sahen – wir haben die Pflicht, des allzufrüh Dahingerafften dankbar zu gedenken mit dem Entschluß, darüber zu wachen, daß Leyer und Schwert der Deutschen nur deutschem Geist und deutscher Sache diene. Dr. Emil Peschel.     


  1. Wir geben auf Seite 639 diesen Vers in einer verkleinerten Nachbildung der Urschrift wieder.