Wintermärchen (Gartenlaube 1888)

Textdaten
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Titel: Wintermärchen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 840
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[837]

Wintermärchen.
Nach dem Oelgemälde von W. Kray.
Photographie im Verlag von Fr. Hanfstängl in München.

[840] Wintermärchen. (Mit Illustration S. 837) Den Lesern wird ein doppelseitiges Bild noch in Erinnerung sein, welches den vorigen Jahrgang der „Gartenlaube“ (S. 276 und 277) schmückt. „Der Frühling“ lautet der Titel und dasselbe gehört zu einem Bildercyklus des Meisters Wilhelm Kray, welcher die vier Jahreszeiten darstellt. Heute bringen wir aus diesem Cyklus ein zweites Bild, das „Wintermärchen“, in allem von dem ersten grundverschieden. Der „Frühling“ mit seinen blühenden Frauen- und Kindergestalten und der im ersten Blüthen- und Blätterschmuck prangenden morgendlichen Frühlingslandschaft tritt uns realistisch näher, der Winter dagegen ist eine groß angelegte und durchgeführte Phantasie. Nacht ist es, bitterkalte, sternenklare Winternacht. Dort jene Frauengestalt, welche, vom fahlen Mondlicht magisch überfluthet, hoch auf eisglitzerndem Felsen ruht, sie schläft den starren, ewigen Winterschlaf, der ein Leben nicht kennt. Doch zu Füßen des Felsens sieht man in reizender Gruppe zwei blühende Mädchen. Der wohlthuende Winterschlaf umfängt die eine nach all den Mühen und Sorgen, nach all den getäuschten Erwartungen und den erschöpfenden Plagen, welche Frühling, Sommer und Herbst mit sich brachten. Ihr ist der Winter nicht das Erstorbensein, sondern jene Ruhe, in der sich die Kräfte des Menschen und der Natur zu neuem Schaffen und Ringen erfolgreich sammeln. Ein Kranz von Dauerblumen liegt dem anderen, von warmem Leben durchglühten Mädchen im Schoße. Sie ist von der sengenden Gluth des Sommers und von den rauhen Stürmen des Herbstes nicht ermüdet, ein freundliches Geschick hatte sie vor Gluth und Sturm in Schutz genommen und ist ihr nicht minder hold inmitten Schnee und Eis. Doch auch sie träumt hoffend von dem Blühen und Prangen, von dem süßen würzigen Dufte, der wieder die Welt verjüngen wird, sobald der Weckruf des Frühlings siegreich durch die Lande tönt. Nur sie dort oben, die Braut des eisgepanzerten Nordens, wird den frischen jauchzenden Ruf nicht vernehmen, sondern weiterschlafen, sie, das Sinnbild des kalten, alles bezwingenden Todes. * *