Wie sich französische Schriftsteller bezahlen lassen

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Titel: Wie sich französische Schriftsteller bezahlen lassen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 815–816
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[815] Wie sich französische Schriftsteller bezahlen lassen. Das Neueste in der französischen Literatur sind gegenwärtig Victor Hugo’s „Chansons des rues et des bois“, und man erzählt, daß Victor Hugo für den Band dieser Gedichte von seinem Verleger 40,000 Francs oder etwa 10,667 Thaler verlangt und erhalten habe. Viele finden diesen Preis übertrieben, Andere jedoch meinen, daß er nur gerecht sei – lebt doch auch der Priester vom Altare, der General von seinem Degen, es brauche ja nicht jeder Dichter in Hunger und Elend zu sterben. Lord Byron verkaufte dem Buchhändler Murray in London jeden Vers seiner Gedichte zu einer Guinee, und der jetzt aus der Mode gekommene Jacques Delille verlangte gleichfalls einen Louisd’or für jeden seiner Alexandriner.

Victor Hugo ist also immer noch billiger in seinen Ansprüchen, indessen ist er nach unsern deutschen Begriffen schon von jeher etwas weniger bescheiden, als unsere Landsleute gewesen. Zur Zeit seines ersten Auftretens in der Literatur, von 1820 bis 1822, war sein Weg freilich spärlicher mit Gold und Bankbillets besäet. Damals ging der hochaufgeschossene, bleiche Jüngling von einem Buchhändler zum andern, schüchtern seine Werke anbietend, aber keiner wollte Etwas von seinen Romanen und Gedichten wissen, bis ihm doch noch endlich einer den Roman „Han, der Isländer“, um dreihundert Francs – achtzig Thaler – abkaufte. Der junge Mann rieb sich triumphirend die Hände. „Bug Jargal“ brachte ihm dann schon viermal soviel, 1200 Francs; seine Erfolge begannen. Sechs Jahre später bezahlte ihm der Buchhändler Eugen Ronduel für „Notre Dame von Paris“ die enorme Summe von 200,000 Francs – über 53,333 Thaler. Von 1830 an war Victor Hugo nach Chateaubriand der bestbezahlte französische Schriftsteller, er stellte seine Preise aber auch stets gehörig hoch, da er eine zahlreiche Familie zu versorgen hatte.

[816] Zu Anfang des Jahres 1833 wurde sein Drama „Lucrezia Borgia“ mit außerordentlichem Erfolge zum ersten Male aufgeführt. Bei dieser Gelegenheit berichtete man eine höchst eigenthümliche Scene, die zwischen dem Dichter und Herrn Harel, damaligem Director des Theaters de la Porte-Saint-Martin, stattfand. Als derselbe Victor Hugo aufforderte, seine Bedingungen zu stellen, verlangte dieser zuerst, daß er ebenso bezahlt werde, als ob das Stück im Théâtre français gegeben würde.

„Zugestanden,“ erwiderte Harel.

„Dann wünschte ich, daß das dreiactige Drama mir wie ein Stück von fünf Acten berechnet werde.“

„Auch zugestanden.“

„Dann möchte ich das Parterre für die drei ersten Vorstellungen zu meiner Verfügung haben.“

„Auch darauf will ich eingehen.“

„Ich verlange eine Prämie von eintausend Francs für die erste Vorstellung.“

Da Harel eben nicht bei Casse war, machte er bei diesem Artikel einige Schwierigkeiten, indessen gab er doch schließlich nach.

„Außerdem möchte ich …“

„Was, immer noch mehr?“

„Ja, ich wünschte noch, daß Sie mir fünfzig Vorstellungen mit jedesmal tausend Francs Tantième garantirten.“

„Mein lieber Herr Hugo, das ist nicht möglich. Sie haben meinen Rock verlangt und ich habe Ihnen denselben gegeben. Jetzt verlangen Sie aber auch noch mein Hemd und das geht nicht an – der Herr Polizeipräfect würde mir nicht erlauben, daß ich es ausziehe.“ –

Auch Balzac wollte sich gar nichts von seinen Schriftstellerrechten vergeben; bei der ersten Aufführung der „Ressources de Quinola“ im Odeontheater saß er selbst an der Casse und nahm das Geld ein.

Alfred de Vigny war streng uneigennützig, er setzte den Ruhm weit über das Geld und verlangte von seinen Verlegern nur, daß sie bedeutende Ausgaben für Anzeigen und dergleichen machten.

Jules Janin hat bedeutende Erfolge, aber wenig Geld für seine Werke geerntet. Noch kürzlich sagte er lachend zu einem Freunde: „Der ‚todte Esel‘ hat zwölf Auflagen erlebt und mir kaum 1200 Francs eingebracht, und doch ist es mein Lieblingswerk.“

Béranger, dessen Werke dem Verleger Perrotin 25,000 Francs jährliche Renten bringen, hatte sich ursprünglich contractlich nur eine Leibrente von 800 Francs jährlich ausbedungen, die sein Verleger nach und nach auf 3000 Francs erhöhte, was Béranger nur ungern annahm.

George Sand sagt selbst, daß ihr ihre siebenundfünfzig Bände jeder im Durchschnitt 50,000 Francs eingebracht haben; außerdem hat sie für ihre dramatischen Werke über 400,000 Francs erhalten.

Alphonse Karr machte mit seinem ersten Roman „Sous les tilleuls“ (Unter den Linden) ein merkwürdiges Geschäft; das Manuscript desselben wurde ihm in Wechseln mit 1200 Francs bezahlt. Welcher Triumph! Aber leider wurden diese Wechsel nicht blos nicht eingelöst, sondern er mußte auch noch die damit verbundenen Unkosten tragen, die sich wiederum gerade auf 1200 Francs beliefen.

Jules Sandeau erzählt, daß er eines Tages für einen seiner Romane dreihundert Francs in silbernen Fünffrankenstücken, eine Wanduhr und für hundert Francs Oblaten zum Siegeln bekam und doch noch ganz glücklich war, so gut bezahlt worden zu sein.

Der ältere Alexander Dumas gehört jedenfalls zu denen, die das Geld zu gleicher Zeit am meisten lieben und mißachten. Vor zehn Jahren sagte er, er habe schon drei und eine halbe Million verdient und besäße doch keine drei Louisd’or. Seitdem hat er vielleicht wieder eine Million eingenommen, und doch hat sich seine Casse schwerlich zu ihrem Vortheil verändert.

In Frankreich existirt ein eigenthümliches Buch, dessen Verfasser nicht genannt ist. Es heißt „die bürgerliche Köchin“, ist ein ganz einfaches Kochbuch und wurde zum ersten Male im Jahre 1800 gedruckt. Seit dieser Zeit bringt es regelmäßig jedes Jahr 30,000 Francs ein, was jetzt bereits 1,050,000 Francs oder nach unserer Münze 280,000 Thaler beträgt. –

In Deutschland werden indeß jetzt auch hier und da Honorare gezahlt, die sich sehen lassen können. Wahrscheinlich ist es selbst in Frankreich noch nicht vorgekommen, daß ein Autor für einen einzigen Octavband in kurzer Zeit ein Honorar von nahe an 100,000 Francs erhalten hat, wie dies dem Verfasser eines bekannten populären Werkes zu Theil geworden ist.