Wie man zu Orden kommt
[238] Wie man zu Orden kommt. Ein lustiger Kadettenstreich. [ws 1]
Es war in der letzten Zeit der Herrschaft des venezolanischen Diktators Castro. Das deutsche Schulschiff „Mars“ lag mit 150 Seekadetten vor La Guaira vor Anker. An Bord befanden sich unter den Offizierdiensttuern auch drei fidele Fähnriche zur See, die schon manchen übermütigen Streich ausgeheckt hatten.
Eines Tages erhielten die drei Urlaub, um die Hauptstadt Caracas, wohin von La Guaira eine eben erst fertig gestellte Eisenbahn führte, zu besuchen. Nachdem die jungen Herren sich Caracas genügend angesehen hatten, kehrten sie in einer Weinkneipe ein und tranken dort so häufig auf das Wohl der Venezuelaner, daß sie schließlich in ihrer – Begeisterung auf die Idee kamen, an den Diktator einen Brief zu schreiben und ihm ihre volle Zufriedenheit mit dem in seinem Lande Geschauten auszudrücken. Zum Schluß fügten sie noch hinzu: „Wir werden nicht verfehlen, an geeigneter Stelle mit Anerkennung von Venezuela zu sprechen, obwohl wir noch nicht die hohe Ehre haben, venezolanische Orden zu besitzen.“ – Dieses sauber geschriebene Schriftstück, unter [239] dem die vollen Namen und Titel der drei Fähnriche prankten, wurde dann tatsächlich dem nächsten Postamt zur Weiterbeförderung übergeben. Am folgenden Tage stach das Schulschiff ja wieder in See. Was kann uns also passieren, dachten die ausgelassenen Herrchen …!
Sie hatten aber eines nicht berücksichtigt: Castros Vorliebe für Ordensverleihungen, besonders an fremde Offiziere. Jedenfalls nahm der Präsident den Brief vollkommen ernst und hatte nichts Eiligeres zu tun, als bei dem deutschen Gesandten in Caracas anzufragen, auf welchem Wege man den mit dem Mars leider bereits abgereisten drei Herren die „wohlverdienten“ Orden zustellen könne. Der Gesandte wiederrum untersuchte die Sache näher und meldete nun seinerseits den Inhalt des „Anerkennungsschreibens“ der Herren Fähnriche an das Kommando der Nordseestation nach Wilhelmshaven.
Als das Schulschiff nach einem halben Jahre in die Heimat zurückgekehrt war, wurden die drei Übeltäter sofort über den Vorfall vernommen und erhielten jeder vierzehn Tage Bordarrest aufgeknackt. Der Gipfelpunkt dieser wahrhaftigen Geschichte ist aber, daß nachher den drei Übeltätern notgedrungen gestattet werden mußte, die inzwischen eingetroffenen venezolanischen Orden anzulegen. Denn der deutsche Gesandte hatte Castro doch unmöglich darüber aufklären können, daß die Fähnriche ihn eigentlich nur „aufziehen“ wollten! Und deshalb waren eben später die drei Orden von dem ahnungslosen Diktator der Gesandtschaft mit der Bitte übersandt worden, sie den Betreffenden zu übermitteln. Was sollte man also mit den Auszeichnungen anfangen? Sie einfach liegen lassen, ging nicht an, da es üblich ist, daß deutsche Offiziere sich bei fremden Staatsoberhäuptern schriftlich für die Ordensauszeichnungen bedanken. Man mußte also wohl oder übel in den sauren Apfel beißen.
Und so kam es, daß die drei Sünder bereits als blutjunge Leutnants – denn sie hatten dicht vor der Beförderung gestanden – stolz einen ausländischen Stern auf der Brust trugen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Verfasserangabe im Inhaltsverzeichnis: Karl Bela.