Seite:Wie man zu Orden kommt.pdf/3

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Karl Bela: Wie man zu Orden kommt. In: Die Burg, 2. Jahrgang, S. 238–239

dem die vollen Namen und Titel der drei Fähnriche prankten, wurde dann tatsächlich dem nächsten Postamt zur Weiterbeförderung übergeben. Am folgenden Tage stach das Schulschiff ja wieder in See. Was kann uns also passieren, dachten die ausgelassenen Herrchen …!

Sie hatten aber eines nicht berücksichtigt: Castros Vorliebe für Ordensverleihungen, besonders an fremde Offiziere. Jedenfalls nahm der Präsident den Brief vollkommen ernst und hatte nichts Eiligeres zu tun, als bei dem deutschen Gesandten in Caracas anzufragen, auf welchem Wege man den mit dem Mars leider bereits abgereisten drei Herren die „wohlverdienten“ Orden zustellen könne. Der Gesandte wiederrum untersuchte die Sache näher und meldete nun seinerseits den Inhalt des „Anerkennungsschreibens“ der Herren Fähnriche an das Kommando der Nordseestation nach Wilhelmshaven.

Als das Schulschiff nach einem halben Jahre in die Heimat zurückgekehrt war, wurden die drei Übeltäter sofort über den Vorfall vernommen und erhielten jeder vierzehn Tage Bordarrest aufgeknackt. Der Gipfelpunkt dieser wahrhaftigen Geschichte ist aber, daß nachher den drei Übeltätern notgedrungen gestattet werden mußte, die inzwischen eingetroffenen venezolanischen Orden anzulegen. Denn der deutsche Gesandte hatte Castro doch unmöglich darüber aufklären können, daß die Fähnriche ihn eigentlich nur „aufziehen“ wollten! Und deshalb waren eben später die drei Orden von dem ahnungslosen Diktator der Gesandtschaft mit der Bitte übersandt worden, sie den Betreffenden zu übermitteln. Was sollte man also mit den Auszeichnungen anfangen? Sie einfach liegen lassen, ging nicht an, da es üblich ist, daß deutsche Offiziere sich bei fremden Staatsoberhäuptern schriftlich für die Ordensauszeichnungen bedanken. Man mußte also wohl oder übel in den sauren Apfel beißen.

Und so kam es, daß die drei Sünder bereits als blutjunge Leutnants – denn sie hatten dicht vor der Beförderung gestanden – stolz einen ausländischen Stern auf der Brust trugen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Bela: Wie man zu Orden kommt. In: Die Burg, 2. Jahrgang, S. 238–239. Verlag der Paulinus Druckerei, Trier 1914, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_man_zu_Orden_kommt.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)