Wie der Teufel und ein Weib miteinander das Städtlein Schiltach verbrennen

Textdaten
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Autor: Kasimir Walchner
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Titel: Wie der Teufel und ein Weib miteinander das Städtlein Schiltach verbrennen
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 468–472
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf commons und Google
Kurzbeschreibung: Erzählung über den Teufel von Schiltach
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[468]
Wie der Teufel und ein Weib miteinander das Städlein Schiltach verbrennen.[1]

Es ist ein alt Sprichwort: wohin der Teufel nicht kommen kann, dahin schickt er ein alt Weib. Wie das Sprichwort entstanden ist, weiß ich nicht und muß mich fast darüber wundern, warum gerade nur die alten Weiber zu Werkzeugen des Teufels ausersehen seyn sollten, da sie doch bekanntlich zum andächtigen Geschlechte gehören.

Im Jahr 1533 Donnerstag vor Ostern (fiel damals auf den 13. April) brannte das im obern Kinzigthale gelegene Städtlein Schiltach ganz ab. Wie das zugegangen sey, das haben ehrliche Bürger von da, gleich nach dem Ereignisse dahier, vor gesessenem Rath erzählt, von dem es Einer gehört und seinem guten Freunde mitgetheilt hat, von dem ich es erfahren habe. Der Salmenwirth zu Schiltach saß am Abend jenes Tages in seiner Wirthsstube und sein Knecht bei ihm, von dem er sich über die heutigen Vorfälle im Haus, Stall und Scheune referiren ließ. Auf einmal hört er vor der Thür ein sonderbares Gezisch und Gepfeife. „Hans, was ist das?“ fragt er den Hausknecht, „hast du’s gehört? Es sind fremde Leute im Haus. Die Sache ist nicht richtig. Laß uns nachsehen!“

Auf der Stelle muß Hans die große Hauslaterne zurichten und mit seinem Meister Hausgang, Stall und Keller und jeden Winkel unten im Hause visitiren. Aber es fand sich nichts.

„Riegle mit alle Thüren wohl zu und vermach’ alle Läden, Hans, damit uns kein Schelm in’s Haus komme, denn das [469] Land lauft jetzt voll liederlichen Volks.“ Der Hausknecht versicherte, es sey bereits Alles gut geschlossen und verwahrt und damit beruhigte sich der Wirth, der nun sein Hausexamen mit dem Knechte wieder fortsetzte. Kaum hatte er einige Minuten damit zugebracht, siehe da, so zischt und wisperts wieder gang vernehmlich, aber nicht mehr unten im Hause, sondern im obern Stocke.

Nun ward die Visitation wiederholt und weil man denn doch nicht wissen konnte, was man da oben antreffen würde, so bewaffnete sich Hans, der Hausknecht, dieses Mal mit der alten Hellebarde, die ein Inventariumstück des Hauses war und immer unter der Stiege aufbewahrt wurde. Der Salmenwirth aber nahm den Haushund, Türk genannt, mit sich und in die Hand sein Schwert, das er als Hauptmann der ehrsamen Bürgerschaft zum letztenmal trug, als die Landschaft gegen den Herzog Ulrich sich erhob und ihn zwang, sein Land mit dem Rücken anzusehen. Also gerüstet stiegen Beide die Stiege hinauf, den treuen Türk als Vorplänkler voraussendend, um bei Zeiten sich in Positur setzen zu können, wenn derselbe anschlagen und etwas Verdächtiges entdecken sollte.

Dieses tapfere Kleeblatt durchsuchte nun alle Gemächer des zweiten Stockes, und der Hausknecht Hans bewies bei dieser Gelegenheit ungemeine Geistesgegenwart und ausgezeichneten Muth. Denn an jeder Stelle, die er für verdächtig hielt, streckte er seine Hellebarde voraus und befahl dem beherzten Türk, vorauszuschreiten, um den Schelm aufzusuchen. Der Salmenwirth aber deckte mit erhobenem Schwerte den Rücken des Hausknechts. Aber auch dieser Streifzug war erfolglos. Das Gezische und Geflüster war verstummt, und verdrüßlich stiegen Herr und Knecht mit dem treuen Türk, welcher dieses Mal die Nachhut machte, wieder in den unteren Stock herab.

„Du hast doch das Gezisch und Geflüster und Gekreische gehört, Hans?“ fragte der Salmenwirth den Hausknecht verdrüßlich.

„Freilich wohl, Meister, hab ich es gehört und darauf kann ich einen Eid thun. Der Geier weiß, was hier im Spiel seyn mag.“

„Ich denke,“ fuhr der Salmenwirth fort, „wir warten dem [470] Ding noch etwas ab; denn am Ende muß es sich doch noch zeigen, was es sey. Aber mir fällt ein, daß wir unser Küchenkamin noch nicht untersucht haben. Vielleicht hat sich Jemand dorthin verborgen, der gerne die Paar Speckseiten holen möchte, die noch darin aufgehängt sind.“

Kaum hat der Salmenwirth seine Rede geendet, so pfeifts und flüsterts und zischt es wieder und zwar dieses Mal von der Seite des Ofens her, so, als ob der Laut aus dem Kamin käme.

Flugs wischen jetzt der Salmenwirth und sein Knecht mit dem treuen Türk in die Küche und horchen daselbst. Da vernehmen sie denn ganz deutlich zu oberst aus dem Kamin herab das Gezisch und Gepfeife, gerade dem ähnlich, das man zu machen pflegt, wenn Einer dem Andern ein Zeichen gibt und ihn herbeirufen will. Jetzt wird’s dem Salmenwirth etwas unheimlich; denn der Türk streckt die Nase gewaltig in das Kamin hinauf und windet und sträubt die Haare, als wär’ etwas, ob dem er sich entsetzt, oben im Kamin.

Der Hausknecht hatte unterdessen die Kaminleiter zurecht gestellt und stieg nun, in der Rechten die Hellebarde, in der Linken die Laterne haltend, die Sprossen langsam hinan und sah sich sorgsam im Kamin um. Auf einmal rutscht er hastig drei Sprossen herab, lehnt die Hellebarde an die Heerdwand und schlägt ein Kreuz über das andere.

„Was fehlt dir Hans?“ fragte der Salmenwirth.

„Herr,“ antwortete der Knecht, „sagt mir, hängt noch ein Hinterviertel von dem Bock im Kamin, denn wir zur Lichtmesse schlachteten? Denn dort oben sehe ich einen Bocksfuß.“

„Der Bock ist längst verzehrt,“ antwortete der Salmenwirth, „und wenn du einen Bocksfuß siehst, so hat der Teufel hier sein Wesen und wir müssen auf der Hut sehn. Rufe meine Leute zusammen!“

Jetzt wurde das ganze Haus in Aufruhr gebracht. Man schickte nach Geistlichen und alsbald erschienen zwei derselben. Diesen erzählten der Wirth und sein Knecht das Abenteuer dieses Abends und die Erscheinung des Bocksfußes im Kamin und Alles, was sie gehört und gesehen und nicht gehört und gesehen hatten.

[471] „Was Ihr sagt, lautet sehr bedenklich,“ sprach jetzt der Eine der Priester, „und besonders ist der Bocksfuß und die Furcht eures Türk ein Zeichen, daß es hier nicht mit rechten Dingen zugehe. Führt uns demnach in die Küche und wenn der Böse vorhanden ist, so wollen wir ihn schon von dannen treiben, denn wir fürchten ihn nicht.“

Nun ging der Zug, dem sich unterdessen auch des Wirths ältester Sohn und dessen betagtes Weib, die in der Nähe wohnten, beigesellt hatte, in die Küche, wo die beiden Geistlichen sogleich den Satan zu exorzisiren begannen und zuförderst ein Zeichen seines Daseyns von ihm verlangten. Der Schwarze ließ sich nicht nöthigen, sondern erklärte ganz furchtlos, daß er hier sey, und da die Geistlichen weiter fragten, was er hier zu schaffen habe, so antwortete er: „ich bin hier, um euer Nest zu verbrennen.“

Das sollst du wohl bleiben lassen! dachten die Geistlichen und fingen nun an, ihre Exorzismen wieder anzuwenden und dem Teufel zu drohen. Allein er spottete ihrer Drohungen und rief ihnen aus dem Kamine zu:

„Laßt euere Bemühungen unterwegs, denn ihr könnt mir Beide doch nichts anhaben. Ihr Beide seyd Gaudiebe und Einer von euch sündigt alle Tage gegen das Cölibatsgebot.“

Unter den Umstehenden befanden sich aber, wie bereits erwähnt, des Wirths Sohn und dessen Frau. Diese ward während der Exorzismen sehr unruhig und entfernte sich aus dem Hause. Kaum hatte sie aber die Gasse betreten, so ergriff sie der Teufel beim Schopf und setzte sie auf’s Dach und zu oberst auf das Kamin. Da gab er ihr einen Topf in die Hand und befahl ihr mit drohender Gebehrde, denselben auszuleeren. Das that sie und noch bevor eine Stunde verfloß, stand das ganze Städtlein in Flammen und alle menschliche Anstrengung, dem Feuer Schranken zu setzen, war vergeblich. Der Salmenwirth war auch unter den Abgebrannten.

Weil aber seines Sohnes Frau von den Nachbarn in der mondhellen Nacht auf dem Kamin sitzend und mit einem Topf in der Hand gesehen worden war, so wurde sie allgemein als die Brandstifterin angesehen und eingezogen. In den Verhören zeigte sich’s denn, daß sie vor ihrer Verheirathung 14 Jahre [472] lang mit dem Satan verliebte Bekanntschaft unterhalten und manchen schönen Spazierritt zum Tanz mit ihm gemacht habe. Weil sie nun seit ihrer Verheirathung die Bekanntschaft mit dem Schwarzen aufgegeben und seine Anträge abgewiesen hatte, so ward er eifersüchtig und wollte sich an ihr und dem Städtlein dadurch rächen, daß er es durch sie anzünden ließ. –

Der gute Freund, der mir dies Geschichtlein erzählte hält es wenigstens für wahrscheinlich, daß den Teufel die Eifersucht zu dem Bubenstück gebracht habe, obgleich er nicht alles glaubt, was damals über diese Geschichte unter dem Volke gesagt wurde. Des Salmenwirths Schwiegertochter aber wurde als eine Hexe und Brandstifterin zu Oberndorf verbrannt. Im Jahr 1590 verbrannte das Städtlein wieder, aber ohne Zuthun des Teufels oder einer Hexe, obschon zu jener Zeit das Hexenwesen noch in vollem Kredit war und noch manche, die man für eine Hexe hielt, oder sich selbst als eine angab, ohne viele Umstände verbrannt wurde.

Ich habe übrigens, geneigter Leser, diese Brandgeschichte von einem ehrlichen Mann, der sie von einem weiland berühmten Professor zu Freiburg im Breisgau hörte, dem gelehrten Erasmus von Rotterdam. Es scheint, sie müsse großes Aufsehen gemacht haben, weil der gelehrte Portugiese Damian von Goes sich nähere Auskunft darüber erbat. Es gibt jedoch Erasmus die Sache nicht so ausführlich als ich, da er Anstand nahm, seinem gelehrten Freunde die im Volke verbreiteten märchenhaften Berichte über den Vorfall aufzutischen.[2]

K. Walchner.
(Aus dem „Freiburger Adreßkalender,“ 1827.)

  1. [472] „Auf den grünen Donnerstag 1533 verbrannte der Teufel Schiltach durch eine böse Hexe.“
    (Aus der handschriftlichen Chronik des Heinrich Hug von Villingen.)
  2. „Non libet, aures tuas vulgi fabulis remorari.“ Erasm. Epist. ad. D. de Goes.

Anmerkungen (Wikisource)

Schnezlers Vorlage: Freiburger Addreß-Kalender für das Jahr 1827, S. 31-38 UB Freiburg.