Textdaten
<<< >>>
Autor: Fr. Helbig
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Wie das Volk vom Gelde denkt
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 460, 462
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[460]
Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Wie das Volk vom Gelde denkt.

Als die Kunst des Schreibens noch wenig verbreitet war – und das ist bekanmlich noch gar nicht so lange her – trug das Volk die Summe seiner Lebensweisheit mündlich zu Markte, nicht in einem logisch entwickelten System, sondern in kurzen Sätzen, in einem Sprichworte. Und wieviel Tiefe und Weisheit, Klugheit und Erfahrung liegt in dem reichen Schatze unserer Sprichwörter verborgen! Es ist nicht bloß der ernste Weise, sondern auch der lustige Schalk, der durch den Volksmund, bald im Gleichniß, bald im Witzwort zu uns spricht. So wird man gern auch einmal erfahren, was das Volk sich für eine Meinung über das „Geld“ gebildet hat, diesen wichtigen, in der modernen Welt vielleicht wichtigsten Faktor des menschlichen Lebens. Viele der Aussprüche, die hierher gehören, sind schon vor Hunderten von Jahren geprägt worden und haben gleichwohl nichts von ihrer Wahrheit eingebüßt.

Der Bedeutung, der herrschenden Macht des Geldes in der Welt war man sich im Volke schon früh bewußt. „Geld regiert die Welt.“ „Geld behauptet das Feld und spielt den Meister in der Welt.“ „Wo Geld voran geht, stehn alle Wege offen.“ „Wenn das Geld redet, schweigt alle Welt.“ „Für Geld,“ meint der Volkswitz, „kann man alles haben, da kann man selbst den Teufel tanzen sehn.“ Es erwirbt Freunde („Viel Geld, viele Freunde“); der Arme, der kein Geld hat, muß erfahren, daß das Wort gilt: „Nimmer Geld, nimmer Gesell.“ Noch härter drückt sich diese Erfahrung aus in der Weisung:

„Hast Du Geld, so setz dich nieder,
Hast Du keins, so scheer dich wieder!“

Wenn ein Gast ins Wirthshaus kommt, der viel „Geld im Beutel trägt,“ den „duzt der Wirth“. Geldbesitz vertreibt die Schwermuth und hilft, daß man dem Glauben seines Trägers folgt. Es führt Krieg und „geht durch alle Thüren außer durch die Himmelsthür.“ Es „fährt auf hohen Schlitten,“ indeß die Armuth muß zu Fuße gehn. Es hilft zu Ehr und Ansehn. „Wer kein Geld hat, ist ein Lump.“ Sein Besitzer ist immer ein geachteter Mann, dessen Wort gilt, denn „es ist mit Golde gefüttert.“ Um seine Freundschaft buhlen selbst die Edlen im Lande, wäre er auch vordem verachtet und verschmäht gewesen. „Alt Geld macht neuen Adel.“ „Schimmlig Geld macht edel.“ Man fragt dabei nicht weiter nach des Geldes Ursprung und Herkunft. Genug, daß es da ist. Der Reiche darf sich auch mehr erlauben als der Dürftige. Er kann unbekümmert singen: „Gute Nacht, Tugend, habe ich Geld, so bin ich lieb.“ „Geld ist die Königin, Tugend und Kunst sind nur ihre Schüsselwäscherinnen.“

Eine der schlimmsten Nachreden, die man dem Gelde anhängt, ist die, daß es das Recht beugt und zu Gunsten des Reichen stimmt. „Geld geht vor Recht“ – „Geld wird nicht gehenkt“ – „Geld kann nicht unrecht thun“ – „Wer kein Geld hat, muß mit der Haut zahlen“ – „Geld, das stumm ist, macht recht, was krumm ist“ – „Wo man mit goldnen Büchsen schießt, da geht das Recht verloren“ – „Geld erklärt den Text und die Glosse.“ Wie schlimm muß es einst um die Gerechtigkeit bestellt, wie gering der Glaube an die Unbeugsamkeit des Richterstandes gewesen sein, wenn solche herbe Weisheit sich bilden und ausgesprochen werden konnte!

Auch bei der Eheschließung hat einst wie jetzt das Geld eine große Rolle gespielt. Es „hilft gut freien,“ daher behält nach dem Sprichworte „der Arme seine Hühner und der Reiche seine Töchter nicht lange.“ „Herz wo’s Geld“ denkt der schlaue Freier, denn „wie Federn den Vogel flügge machen, macht das Geld den Mann.“ Indeß meinte jenes Mädchen, das viel Geld besaß, zu dem aber kein Freier kam: „Besser ein Mann ohne Geld, als Geld ohne Mann“ und nahm sich einen Armen. Doch redet die Weisheit des Volkes solchen Geldheirathen keineswegs das Wort. „Ist das Geld die Braut, so taugt die Ehe selten was.“ „Wer nach Geld heirathet, verliert seine Freiheit.“ „Er freit die Person,“ ruft man dem Verlobten spöttisch zu, „und meint das Geld.“

Aber das Geld ist empfindlich, es hat Eigensinn und will gut gepflegt und gehütet sein, „es will einen guten Vormund haben.“ Man muß es hätscheln und in Ehren halten, sonst nimmt es eines Tages Reißaus und läuft davon. „Pracht, Gold und Ehr sind oft morgen nicht mehr.“ Es ist mit seiner Gunst wählerisch und launisch. Daher kommt es, daß man von ihm sagt: „Der eine hat’s, der andere hat’s gehabt, der dritte hätt’ es gern.“ – „Es hat keinen Zipfel und einen feigen Hals.“

Zu Zeiten hat es sogar dem, der es „zur rechten Zeit verachten konnte, großen Nutzen gebracht.“ Es bleibt auch nicht zu lange bei einem Besitzer. Beim zweiten oder dritten Geschlecht ist’s meist gar nicht mehr vorhanden. „Es hängt kein Geldsack hundert Jahr lang vor einer Thür,“ – „aber auch kein Bettelsack“ fügt der Spruch tröstend hinzu. „Er hat Geld wie Heu, aber nicht so lang,“ heißt es anderwärts.

So findet sich nach dem einen, der das Geld auf gute oder schlimme Weise erwarb, bald ein anderer ein, der das Zusammengebrachte wieder auseinander- und durchbringt.

„Zwei Schelme braucht Geld und Gut:
Einen, der’s gewinnt, und einen, der’s verthut.“

Und die Weisheit des Volkes hält für nothwendig, daß es so ist. Sie verlangt vom Gelde, daß es „wandere durch die Welt,“ denn das ist seine wahre Bestimmung. Sie weiß aber auch gute Regeln zu geben, wie man sich seinen Reichthum erhält. „Leg Deinen Reichthum nicht all auf ein Schiff,“ warnt ein Spruch. „Man soll,“ lehrt ein anderer, „ihn immer gebrauchen, als wäre er ein hinterlegtes Gut.“ Geliehenes Geld hält die Volkserfahrung für einen gefährlichen Besitz. „Man soll es lachend bezahlen,“ das heißt froh sein, wenn man soweit ist, es wieder heimzahlen zu können.

Es ist daher auch ein kluges Rezept, welches vorschreibt, daß man dem Gelde gebiete, nicht ihm gehorche, daß man es nicht Macht über sich gewinnen lasse. Nur so kann man sich gegen die Gefahren schützen, welche der Reichthum im Gefolge hat. Und das Auge des Volkes ist nicht blind gegen diese Gefahren. Reichthum, weiß es, führt leicht zu einem lasterhaften Leben. Denn „wo’s Gold vorregnet, da regnet’s Laster.“ „Wo Gold ist, da ist der Teufel;“ freilich sagt der lustige Nachsatz, „wo keins ist, da ist er zweimal.“ Schon bei dem Erwerbe des Reichthums geht’s nicht immer mit rechten Dingen zu. „Wer reich werden will, muß seine Seele hinter die Kiste werfen,“ darum ist ein Reicher „ein Schelm oder eines Schelmen Erbe.“ Ist der Reichthum dann „ins Haus geflogen, so fährt oft die Thorheit mit hinein,“ denn „Reichthum stiftet Thorheit.“ „Was macht man nicht alles für Geld, sagte der Narr, da sah er einen Affen.“ Darum ist Reichwerden keine Kunst, wohl aber dabei gut bleiben, und aller „Reichthum hilft nicht, wenn nicht Gott den Segen spricht.“ „Was hilft das Geld in der Kiste, wenn der Teufel den Schlüssel dazu hat.“ Reichthum verführt leicht zum Wohlleben und aus dem „reichen Schlecker wird dann oft ein armer Lecker.“

„Wer jählings reich wird, nimmt selten ein gut Alter und reicher Leute Kinder gerathen selten wohl.“ Da kommt denn auch der Weise im Volke zuletzt zu dem Schlusse:

„Geld macht nicht reich,
Es sei denn reich
Das Herz zugleich.“

Reichthum führt auch leicht zur Bequemlichkeit und Erschlaffung der Thatkraft. „Wo Geld und Gut, da ist kein Muth.“ Den mit Reichthum Gesegneten gelüstet es nicht nach der harten Arbeit, welche die schöpferische Thätigkeit verlangt.

„Armuth studiert,
Reichthum bankettiert.“

Aus diesem Grunde ist die Armuth die beste Lehrmeisterin der Kunst. „Wär’ Armuth nicht, so wär’ keine Kunst.“ „Reichthum bringt zwar Gunst, aber nicht die Kunst.“ Daher die allgemeine Wahrnehmung, daß berühmte Männer vorwiegend aus Armuth und Niedrigkeit emporgestiegen sind. „Armuth hat Städte gebaut,“ sagt der Spruch. Das Genie kann eben nicht mit Geld erkauft werden. Es ist ein freies Geschenk des Himmels.

Es liegt auch eine eigene Ironie des Schicksals darin, daß der Reichthum zum Menschen erst kommt, wenn dieser alt ist und nicht mehr die Spannkraft hat, das Leben zu genießen. „Hätt’ ich Dein Geld und Du meine Jugend!“ ruft darum der lebensfreudige, aber mittellose Jüngling dem reichen Alten zu.

Und so geht oft der Neid über die Wohlthaten des Reichthums über in einen Preis der Vorzüge der Armuth. Der [462] Arme, heißt es da, hat vor dem Reichen voraus, „daß er in Sicherheit schläft.“ „Er hat den Vortheil, daß er nicht zum Markte zu gehen braucht,“ meint der Schalk, und „wer kein Geld hat, dem fällt’s auch nicht durch die Finger“. Noch mehr, Armuth ist gut gegen das Podagra, indeß der Reichthum zur Wassersucht führt: „gewinnsüchtig, wassersüchtig.“

Auf diesem Wege kommt die Lebensphilosophie im Volke schließlich zu der Erkenntniß, daß „nicht der reich ist, der viel hat, sondern der, der wenig bedarf“, und daß nur der wahrhaft reich ist, dessen Reichthum nicht äußerlich sichtbar ist, sondern im Innern lebt. Diesen inneren Reichthum an Geist und Gemüth, „stiehlt auch kein Dieb.“ „Fröhliche Armuth,“ heißt es in anderer Weise, „ist Reichthum ohne Gut.“ So führt die Spruchweisheit des Volkes zu einer Ausgleichung des Unterschieds zwischen arm und reich.

„Ist einer noch so reich,
Im Denken ist ihm der Arme gleich.“

und „was die Armuth schwer macht, macht auch den Reichthum schwer.“ Sie kommt zuletzt dahin, zu behaupten, daß der reicher ist, der den Reichthum verachtet, als der, welcher ihm nachläuft und ihn an sich zwingt.

Armuth und Reichthum müssen sogar in der Welt gleichzeitig bestehen und nebeneinander hergehen. Es ist dies eine Nothwendigkeit, denn, sagt der Spruch des Volkes zur Beruhigung aller sozialen Unzufriedenheit:

„Wenn wir alle wären reich
Und einer wär’ dem andern gleich
Und wären alle zu Tisch gesessen,
Wer trüge dann uns auf das Essen?“

Wenn aber eine Ausgleichung zwischen arm und reich nicht im Leben eintritt, so tritt sie jedenfalls ein im Tode.

„Arm und reich,
Der Tod macht alles gleich.“

Fr. Helbig.