Welchem der beiden Gedichte gebührt der Preis?

Textdaten
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Autor: Konrad Krez, Robert Prutz
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Titel: Welchem der beiden Gedichte gebührt der Preis?
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aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 116
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Welchem der beiden Gedichte gebührt der Preis?[1]


Entsagung und Trost.

Geträumt hab’ ich in meiner jungen Zeit
Von Trommelwirbeln, von Trompetenschall,
Von Schwerterklirren und von Büchsenknall,
Von Heldenthum und von Unsterblichkeit;
Und fieberkrank erhob ich meine Hand,
Um Kränze von dem Baum des Ruhms zu pflücken,
Nach Thaten brannte ich, um in den Sand
Der Zeit für ewig meine Spur zu drücken.

Nach fremden Zonen trieb es mich zu geh’n,
Die Berge dünkten mir zu Haus zu flach,
Zu eng die Thäler und der Rhein ein Bach;
Ich wollte Alpen, Meer und Welten seh’n,
Trotz bieten wollt’ ich Stürmen und Orkan,
Der Tropen Pracht mit eignen Augen schauen,
Gen Westen zieh’n in’s neue Canaan
Und am Ohio Mais und Weizen bauen.

Und überall, wohin ich ging und kam,
Fand ich ein Weh; so einsam lag kein Land,
Daß nicht den Weg zu ihm die Sorge fand,
Und wo kein Baum gedieh, gedieh noch Gram.
Und magst Du zieh’n nach Süd und Nord,
Gen Ost und West, nach allen Winden,
So wirst Du stets dasselbe Losungswort,
Die Arbeit und des Lebens Mühsal finden.

Dasselbe Kämpfen um Dein täglich Brod,
Das sich nicht lohnt so schwer verdient zu sein,
Erwartet Dich am Hudson wie am Rhein,
Ihr Bürgerrecht hat überall die Noth.
Und häufst Du auch durch langer Jahre Fleiß
Reichthümer auf, – wo ist für ganze Haufen
Von Gold ein Arzt, der Dir ein Mittel weiß,
Nur einen Jugendtag zurückzukaufen?

Zwar darf’s Dich reizen, auf dem rauhen Pfad
Des Ruhms zu wandeln, der Vergessenheit
Ein Denkmal und ein ewig Lob dem Neid
Ab zu ertrotzen durch berühmte That;
Doch Deinem Ehrgeiz, Deiner Ruhmbegier
Wird bald aus Ueberdruß der Flügel sinken,
Wenn Du die Thoren anblickst, die mit Dir
Sich bücken, um Unsterblichkeit zu trinken.

Und war Dir sonst ein Königreich zu klein,
So reicht gar bald ein Acker Landes hin,
Ein schützend Dach, ein Scheit in dem Kamin,
Ein Weib und Kind, um glücklicher zu sein
Als ein Tyrann, deß Launen über Draht
Bis an die Grenzen eines Erdtheils eilen,
Dem doch zuletzt kein dienender Senat
Beschließen kann, ihn von dem Tod zu heilen.

Drückt Dich auch oft und beugt Dich Deine Last,
Und wird es Dir um’s Herz verzagt und bang,
So tröste Dich: Das Leben ist nicht lang
Und kurz der Pfad, den Du zu wandeln hast;
Dann kommt der Tod, er klopft an Deinem Thor,
Wie er gethan am Thore Deiner Väter;
Er kommt Dir wie ein alter Hausfreund vor,
Besuchen wird er Deine Kinder später.

Er spricht zu Dir: „Mein Freund, Du hast geträumt,
Gestritten und gesorgt, – es ist jetzt Zeit,
Um auszuruh’n, Dein Ruhbett ist bereit,
Ein einsam Haus hab’ ich Dir eingeräumt!“
Du horchst und hauchst den Athem in den Wind.
Ob Gras Dein Grab bedeckt, ob Marmorplatten,
Es steht darauf geschrieben: Eitel sind
Die Dinge – und das Leben blos ein Schatten.

Konrad Krez in Steboygan,
Staat Wisconsin in Nordamerika.


Ein Menschenherz.

In ein verlass’nes Zimmer trat ich jüngst,
Das schon seit Jahren keines Menschen Fuß
Berührt, auch meiner nicht. Dumpf war die Luft,
Wie Grabeshauch; durch blinde Scheiben fiel
Das Licht des Tages matt und bleich herein,
Mißfarb’ge Ringe malend an der Wand,
Dran der Tapete Zierrath längst erblaßt,
Und dichter Staub, der Moder alter Zeit,
Wie Asche lag auf Teppich, Stuhl und Tisch …

Unheimlich war es in dem öden Raum,
Und dennoch traf es mich wie Frühlingshauch,
Wie Duft im Mai, wenn junge Rosen blüh’n!
Denn einst in dieses schweigsame Gemach
Aus dem Gewühl des Lebens flüchtet’ ich,
Um hier im Arm der Liebe auszuruh’n.
O, welche Küsse wurden hier getauscht,
Welch süßes Flüstern klang durch diese Stille,
Wie Lied der Nachtigallen, das, leisathmend,
In’s heil’ge Schweigen sich der Nacht verliert!
Ja wohl, das sind dieselben Kissen noch,
Auf denen einst die Liebste sich gewiegt,
Wenn sie mit weichen Armen mich umschlang,
Der Spiegel das, verwittert und umflort,
Der einst ihr Bildniß mir zurückgestrahlt
In ihrer Lockenfülle goldner Pracht,
Und hier, o Gott, hier ist ja noch die Uhr,
Auf schwankem Bronzesockel abgestellt,
Die einst mir meines Glückes Stunde wies! …

Und wie ich jetzt der Uhr mich nähern will,
Den rostzernagten Zeiger zu betrachten,
Und wie mein Fuß mit ungewissem Schritt
Den morschen Estrich rührt, daß Staub aufwirbelnd
Zur Decke steigt –
Da plötzlich regt sich’s in der todten Uhr,
Der Pendel bebt in leisen Schwingungen,
Ein ächzend Dröhnen geht durch das Gehäus,
Die Räder stöhnen, o so mild, so müd,
Wie Todesseufzer einer kranken Brust,
Und leise, leise pickt die Uhr, ein, zwei,
Dreimal – und wieder steht sie still …

Und ich gedachte an ein Menschenherz,
Das, wenn der Lenz des Lebens abgeblüht,
In dumpfer Stille jahrelang verharrt,
Unstörbar, gleich der abgelaufnen Uhr;
Doch naht Erinn’rung alter Zeiten sich
Mit schwankem Fuß und deckt die Gräber auf
Vergang’ner Wonnen, dann noch einmal pocht es
In grimmem Schmerz, ein, zwei, dreimal, und steht
Dann still auf ewig …

Robert Prutz
in Stettin.
  1. Wir entnehmen diese Gedichte dem von Christian Schad und Ignaz Hub jüngst herausgegebenen „Album für Ferdinand Freiligrath etc.“, können aber die Bemerkung nicht unterdrücken, daß uns keine der anderen darin veröffentlichten Poesien mit den hier mitgetheilte auf gleicher Höhe zu stehen scheint. D. Red.