Textdaten
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Autor: Emil Peschkau
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Titel: Weihnachtsgeschenke
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 807
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Weihnachtsgeschenke.
Zeitgemäße Betrachtungen von Emil Peschkau.

Das schöne, poesieverklärte Fest mit seinem Tannenduft und seinem Lichterglanz nähert sich wieder; aber in die kindliche Vorfreude, die wir schon empfinden, in die selige Gebestimmung, die uns in nachdenklichen Stunden beschleicht, drängen sich auch wieder die alten Sorgen: Was schenken wir unseren Lieben? Was kaufen wir unseren Freunden? Wie bewältigen wir am besten die Pflichtgeschenke, denen wir uns nicht entziehen können? Mancher arme Teufel, der froh wäre, wenn er seinem kleinen Mädchen ein Paar tüchtige Schuhe auf den Weihnachtstisch stellen könnte, wird bitter lächeln, wenn er von unseren „Sorgen“ hört - und doch sind es Sorgen, und wir athmen erleichtert auf, wenn wir das Kapitel erledigt haben.

Freilich – wenn ich mir die Sache recht überlege, so scheint es mir, daß wir an diesen „Sorgen“ doch nur selber schuld sind. Diese Sorgen sind eine Art Zeitfrage, und so nebensächlich sie auch scheinen mögen, sind sie doch in gewissem Sinn charakteristisch für die Gegenwart. Man hat früher anders geschenkt als jetzt – man hat vor allem weniger geschenkt! Man hat sich darauf beschränkt, seinen nächsten Angehörigen eine Freude zu bereiten, man hat wenig geschenkt, aber Solides, Tüchtiges, man hat nicht nach dem Seltsamen gejagt, nach Flitter und Tand, nach blendenden Ueberraschungen, und man hat, wo immer man schenkte – ehrlich geschenkt! Heut zu Tage aber wüthet ein wahrer Schenktaumel, wir benutzen auch die Weihnachtszeit, um einander Sand in die Augen zu streuen, die gesellschaftliche Lüge droht sich alles Ernstes auch des lieblichen Festes zu bemächtigen, das wie ein heiliges Idyll unangetastet in dem Sturm unserer Tage steht.

Das Weihnachtsfest ist das Fest des Herzens, das Fest der Liebe, und das Schenken soll nur ein Ausdruck dieser Liebe sein. Es giebt aber Kreise, in denen das Schenken schon eine Art unangenehmen Geschäftes geworden ist. Immer größer wird die Anzahl derer, die man beschenken muß, und die Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit, mit der man das „Geschäft“ nun schon besorgt, wird endlich zur Gewohnheit und wirkt auch auf das Gebiet jener Geschenke zurück, die man wirklich mit Liebe giebt. Ich kenne Eltern, die selbst ihren Kindern Sand in die Augen streuen – nicht weil es ihnen an Liebe fehlt, sondern weil ihnen das gedankenlose, oberflächliche Schenken eben zur Gewohnheit geworden ist, weil sie keine Empfindung mehr haben für die schöne Idee des Weihnachtsgeschenkes, kein Verständniß für die ethische Bedeutung desselben.

Es ist recht schade, daß es keine statistischen Aufzeichnungen über die Weihnachtsgeschenke giebt – das wäre ebenso lehrreich als belustigend zu lesen. Das massenhafte Schenken, wie es jetzt Mode geworden ist, hat ja nicht bloß seine ernste, sondern auch seine drollige Seite. Wer viel Bekannte besitzt, kann sich die erheiterndsten Sammlungen anlegen und er wird mit der Zeit ein ganzes Museum zusammenbekommen: ein Zimmer für Cigarrentaschen und ein anderes für Pantoffeln, eines für Papiermesser und eines für Thermometer, eines für Spazierstöcke und eines für Zündhölzchenbehälter etc. Unter dem Einfluß der Mode hat sich eine förmliche „Weihnachts-Industrie“ entwickelt, gegen die ja so weit nichts einzuwenden ist, als es sich um solide, einigermaßen nützliche Erzeugnisse handelt. Aber ein ernstes Wort verdient das Auftauchen einer Schundfabrikation im Großen, der Erzeugung von Geschenkgegenständen, die billig sind und hübsch aussehen, aber ihren Dienst versagen oder in Trümmer gehen, sowie man sie verwenden will.

Das Weihnachtsgeschenk soll ein Ausdruck der Liebe sein – beschränken wir es deshalb auf diejenigen, die wir wirklich lieb haben. Wozu diese „Pflichtgeschenke“ an Hinz und Kunz, da Hinz und Kunz doch ebenso gut wissen wie wir – wo man billigen, werthlosen Tand kauft. Und wenn wir unseren Lieben etwas schenken, dann vergessen wir wieder nicht, daß das Geschenk ein Ausdruck der Liebe ist, daß es ein Werthstück sein muß. Kein Werthstück, das für hundert Mark erstanden ist, sondern ein Gegenstand, der, wie geringfügig er auch sein mag, doch solid und tüchtig ist und für den Beschenkten Werth besitzt. Wir belügen uns nur selbst, wenn wir glauben, mit einer blendenden Ueberraschung Erfolg zu erzielen. Es ist wenigstens sehr wahrscheinlich, daß auch der Beschenkte des Pudels Kern sehr bald entdecken wird und daß er ein einfaches Taschenmesser, das er zehn Jahre lang benützt, einer prächtig aufgetakelten Standuhr, deren Werk schon nach drei Tagen den Dienst versagt, vorzieht.

Also nochmals und nochmals: Beschenken wir nicht so viele und schenken wir nicht so vielerlei! Entheiligen wir nicht das schöne Fest durch Lüge und Täuschung! Geben wir nur dort, wo uns das Herz dazu drängt, und dann lassen wir uns von unserem Verstand ernstlich berathen. Dann werden die Sorgen für die Weihnachtsgeschenke gleich viel geringer werden und was übrigbleibt an Sorge, ist nur die Sorge der Liebe und auch die ist köstlich. Es mag ja recht praktisch sein, seiner Frau ein paar Goldstücke als Weihnachtsgeschenk auf den Tisch zu legen – auch das ist eine Neuerung, die anfängt Verbreitung zu gewinnen – aber wer das thut, verräth ebenso wenig Sinn für die ideale Bedeutung des Weihnachtsfestes wie jene anderen, die den fabriksmäßig erzeugten Tand und Flitter geschäftsmäßig verschenken. Das Weihnachtsfest ist das Fest der Liebe und diese muß uns aus allem entgegenleuchten, was den Namen Weihnachtsgeschenk verdienen soll.