Water-Closets in den Eisenbahnzügen
[439] Water-Closets in den Eisenbahnzügen. Die „Gartenlaube“ hat schon mehrmals das heikle Thema der fehlenden Water-Closets in den deutschen Waggons erwähnt, und erst in Heft Nr. 13[WS 1] dieses Blattes sprach sich G. Rohlfs über den Vorzug des amerikanischen Wagensystems in dieser Beziehung aus. Wenn wir heute abermals aus den sehr wenig ästhetischen, praktisch aber um so bedeutsameren Punkt zurückkommen, so geschieht dies im Hinblick auf den augenblicklich gerade besonders geeigneten Zeitpunkt und in Anbetracht der großen Wichtigkeit des Themas für die Gesundheit von Tausenden. Da jetzt die Frage der Centralisirung aller deutschen Eisenbahnen unter einheitliche Reichsverwaltung an der Tagesordnung ist, so dürfte es sich gerade für die Direction der Reichseisenbahnen besonders empfehlen, durch Rücksichtnahme auf den Comfort und die Bedürfnisse des reisenden Publicums mit gutem Beispiele darin an der Spitze zu stehen, und würde dieses Vorgehen jedenfalls die Mehrzahl des Publicums für das Project der Einigung aller deutschen Eisenbahnen weit zugänglicher machen. Man wird sicherlich in zehn bis zwanzig Jahren darüber staunen, daß man in der Jetztzeit, wo sich der Fortschritt in Kunst, Industrie, Wissenschaft und Humanität so augenscheinlich offenbart, eine so nöthige Einrichtung für das reisende Publicum aus bloßer Oberflächlichkeit oder kleinlicher Sparsamkeit ganz aus dem Auge lassen konnte, während nicht allein die Humanität, sondern auch die Moralität gebieterisch diese Einrichtung erheischt. Es giebt sehr viele Leute, welche das Reisen nicht gewöhnt sind, und sobald solche fremde Luft athmen oder andere Nahrung genießen, erleiden ihre natürlichen Funktionen gewisse Veränderungen, welche sich aber gerade auf der Reise in unangenehmster und störendster Weise fühlbar machen. Solche Leute sind dann oft den größten Gefahren in Bezug auf ihre Gesundheit beim Reisen ausgesetzt und unterlassen dasselbe, wenn möglich, gänzlich, solange nicht ein neues Eisenbahnsystem oder doch irgend eine Vorrichtung eingeführt worden ist, welche dem beregten Uebelstande gründlich abhilft. Wie schlimm sind doch die Damen in dieser Beziehung auf der Reise daran!
Leidende Personen wissen sich in Schnellzügen oftmals gar nicht zu helfen, denn wen nach einigen Stunden der Zug nur wenige Minuten an einer Station verweilt, so ist diese Zeit viel zu kurz, um sich waschen, restauriren und andere Bedürfnisse befriedigen zu können. Daraus erklärt sich auch zum Theil jene nervöse Aufregung des reisenden Publicums, die sich besonders bei Damen so sehr bemerklich macht und während des kurzen Aufenthaltes an der Station oft zu den widrigsten und anstößigsten Scenen Veranlassung giebt. Bei den gewöhnlichen Post- und Personenzügen findet so oft ein Aufenthalt statt, daß die Einrichtung von Water-Closets, wenn auch nicht unnöthig. so doch nicht dringend erforderlich ist, dagegen wäre den Eil- und Courierzügen die sofortige Herstellung derselben eine Pflicht gegen das Publicum, der sich die Eisenbahnverwaltungen für die Länge der Zeit nicht werden entziehen können, um so weniger, als so auch die Reisenden die letzten Preiserhöhungen sich gefallen lassen mußten, ohne bisher in der inneren Einrichtung des Waggons ein Aequivalent dagegen zu erhalten. Sollte sich bei der jetzigen Construction unserer Waggons die nöthige Aenderung absolut nicht bewerkstelligen lassen, so verwende man diese Wagen, die ohnedies zum größeren Theil schon sehr abgenützt sind, für die gewöhnlichen sogenannten „Bummelzüge“; dagegen wird man für die Courier- und Eilzüge dann eben ganz neue Waggons mit Water-Closets und etwas mehr Raum zur freien Bewegung neu anfertigen lassen müssen. Selbst auch eine weitere Erhöhung der Fahrpreise für solche Züge werden sich die Passagiere gewiß gern gefallen lassen, wenn nur ihrer Bequemlichkeit dabei nach moderner Anschauung Rechnung getragen wird. Die starke Frequenz der amerikanischen Schlafwagen [440] dürfte unseren Eisenbahndirectionen wohl einen beherzenswerthen Wink in dieser Hinsicht geben und den Nachweis liefern, daß das Publicum gern in eine Preiserhöhung willigt, wenn ihm nur auch der gewünschte Comfort dagegen geboten wird.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Heft 4