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Titel: Was ist Farbe?
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aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 627-628
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Was ist Farbe?

Unzähliges gibt es, was Jeder zu wissen glaubt, ohne doch auf Befragen Rechenschaft davon geben zu können. Man baut seine Sätze aus Worten, wie der Maurer sein Haus aus Steinen, ohne viel darnach zu fragen, was man eigentlich für Steine hat, wenn sie nur in die Mauer passen. Da wird denn oft ein Wort in schiefem Sinne angewandt. Ist es nun auch nicht zu verlangen, daß Jeder alle Worte von Grund aus kennen soll, so ist es doch von großer Wichtigkeit, die Wörter eingehender zu betrachten, welche Verschiedenes zugleich bedeuten. Man geräth in die schlimmsten Irrthümer, wenn man ein vieldeutiges Wort überall in demselben Sinne verstehen will. Das Wort Farbe ist ein solches und die Untersuchung seiner verschiedenen Bedeutungen um so wichtiger, als sich daran Betrachtungen aus der Natur- und Seelenlehre knüpfen, die für jeden einigermaßen Gebildeten von höchstem Interesse sein müssen. Denn sie werfen ein helles Licht auf eine große Classe von Naturerscheinungen, die wir für gewöhnlich gedankenlos hinnehmen, ohne über ihr Wesen weiter nachzudenken. Die Wissenschaft aber hat die Aufgabe, diejenigen, deren Denken und Forschen im praktischen Leben zu sehr in Anspruch genommen ist, um sich eingehender mit den Natur- und Seelenerscheinungen beschäftigen zu können, wenigstens auf das Wichtigere in klaren Umrissen aufmerksam zu machen, damit sie im Stande sind, mit der allgemeinen Bildung fortzuschreiten und den geistigen Anforderungen ihrer Zeit zu genügen.

Blau, roth, gelb etc. sind Farben, aber wir sehen diese Farben unter sehr verschiedenen Verhältnissen. Wenn die Wolken im Abendrothe glühen, so wissen wir wohl, daß dabei das Roth auf ganz andere Weise entsteht, als wenn sich unsere Wange bei der Erhitzung roth färbt oder das Eisen im Feuer rothglühend wird. Die Wolken sind nicht eigentlich roth, doch haben sie das Vermögen, das Licht der Sonne, wenn es sie unter bestimmten Verhältnissen trifft, in rother Färbung zurückzustrahlen; unsere Wangen röthen sich, indem die Aederchen, welche dicht unter der Haut liegen, sich reicher mit dem roth durchscheinenden Blute füllen; das Eisen hat die Eigenschaft, durch starkes Erhitzen rothleuchtend zu werden. So ließen sich viele Beispiele anführen, um zu zeigen, auf wie verschiedene Weise dieselbe Farbe zu Stande kommen kann. Aber Farbe ist nur wo Licht ist, ja das Licht selbst erscheint uns fast immer in einer gewissen Farbe, wenn man nicht etwa ohne Grund sagen will, Weiß sei keine Farbe, Selten haben wir Lichtempfindungen, die uns nicht zugleich einen farbigen Eindruck machen. Die Sonne, wenn wir ihren Anblick ertragen können, erscheint uns zuerst als ein reinweißer Körper, der dann in Folge der Ermüdung unseres Auges und durch die ergossenen Thränen hindurch eine gelbe oder röthliche Färbung annimmt; die Blitze haben meist eine blaue oder grüne Färbung; das Feuer der Flamme erscheint bald gelblich, bald röthlich, bald bläulich, bald weiß; und es bleiben als farblose Lichterscheinungen eigentlich nur diejenigen übrig, welche zu flüchtig oder zu schwach sind, um uns eine bestimmte Farbe zur Empfindung zu bringen. Farben sind also farbiges Licht, Was roth, blau etc. ist, muß Jeder wissen, es läßt sich eben nicht weiter beschreiben, wohl aber kann man nach den Gründen fragen, welche das ursprünglich weiße Tageslicht ändern, sodaß es uns von verschiedenen Körpern mit verschiedener Farbe zurückgestrahlt wird.

Alles Licht, das wir bei Tage sehen, kommt von der Sonne, ihre Strahlen beleuchten die Dinge theils unmittelbar, theils beleuchtet wieder eines das andere, da das Licht die Eigenschaft hat, von Körpern, welche nicht ganz durchsichtig sind, zurückgestrahlt zu werden. Der ganze Himmel z. B. würde uns schwarz erscheinen, wenn nicht die zahllosen sonst unsichtbar kleinen Wasserbläschen, welche die Luft erfüllen, vom Sonnenlicht erleuchtet würden, sodaß sie gleich einem dünnen leuchtenden Wolkenschleier sich vor das lichtlose Dunkel des Himmels legen. Häufen sich diese Wasserbläschen in größerer Menge an, so erscheinen sie uns als Wolken, welche, von der Sonne beschienen, das reinste und hellste weiße Licht geben können. Verschwänden eines Tages alle Wasserbläschen aus unserm Luftkreise, so würde der Himmel schwarz sein und nur die glühende Sonnenscheibe leuchten. In südlichen Gegenden, wo die Luft reiner ist, erscheint auch der Himmel dunkler, und auf hohen Gebirgen nähert sich das Blau desselben mehr und mehr dem Schwarz, weil die Wasserbläschen an Zahl abnehmen, je höher wir hinaufsteigen. Man sagt gewöhnlich, die Luft selbst sei blau, und meint z. B., die fernen Berge erschienen uns nur darum blau, weil eine sehr große Luftschicht zwischen ihnen und unserm Auge liege, wie ja auch das Meerwasser in Menge farbig erscheint, während ein Glas voll farblos ist. Die Luft ist durchsichtig, d. h. die Sonnenstrahlen gehen durch dieselbe hindurch, ohne ihren Weg sehr abzuändern, sie werden nicht zurückgeworfen, wie von den Wasserbläschen, welche wie Millionen winzige Monde im erborgten Sonnenlicht leuchten und dadurch den ganzen Himmel hell machen. Nun könnte man meinen, wie der weiße Meeresgrund durch das blaue Wasser hindurch blau erscheint, so könnte auch die weißliche Dunstschicht der Wasserbläschen nur darum blau erscheinen, weil wir sie durch die blaue Luft hindurch sehen. Dann aber müßte auch die Sonne einen bläulichen Schein haben, was nie der Fall ist, vielmehr erscheint sie blendend weiß, wenn man den Muth hat, genau hineinzusehen. Die Luft ist so wenig blau, wie sie roth ist, wenn sich Abends der Himmel im Westen roth färbt; alle Farben des Himmels entstehen durch das verschiedene Zurückstrahlen des Sonnenlichts von den Wasserbläschen des Dunstkreises. Ganz ähnlich wie das Blau des Himmels entsteht das Blau des Auges. So wenig sich in unserm Luftkreise etwas eigentlich Blaues findet, so wenig enthält das blaue Auge irgend welchen blauen Farbestoff; die Farbe entsteht vielmehr dadurch, daß sich ein dünnes, weißliches Häutchen, die sogenannte Regenbogenhaut, vor die dunkle, mit schwarzbraunem Farbestoff ausgelegte Augenkammer spannt. Dies dünne Häutchen erscheint vor der schwarzen Augenkammer blau, wie der feine Dunstschleier des Luftkreises blau erscheint vor dem lichtlosen Weltenraum; oder wie der zarte Nebel, der Abends über der Erde liegt, die dunklen Berge oder einen fernen Wald blau färbt. Schon der Wasserkunst, der aus einer brennenden Cigarre aufsteigt, erscheint bläulich auf einem schwarzen Hintergründe; doch ist mit dem Dunste nicht der Rauch zu verwechseln, welcher durch feine Aschetheilchen eine schmutziggraue oder selbst bräunliche Färbung hat und sich zu dem Versuche wenig eignet.

Wir haben also gesehen, daß uns Vieles blau erscheint, ohne blau zu sein. Der Grund liegt, wie erwähnt, darin, daß das weiße Sonnenlicht unter bestimmten Umständen seine Farbe ändert. Jede Wasserflasche, welche in der Sonne steht, vermag diese Aenderung zu zeigen; ein dahinter gehaltenes Papier zeigt farbige Streifen gleich einem kleinen Regenbogen. Zur genauem Untersuchung dieser Lichtänderungen benutzt man ein sogenanntes Prisma, d. h. ein dreikantig geschliffenes Stäbchen aus Glas oder einem andern durchsichtigen Körper. Läßt man einen Sonnenstrahl durch eine kleine Oeffnung in ein sonst dunkles Zimmer fallen und durch eine Kante des dreikantigen Stäbchens gehen, so gibt er, wenn man ihn mit einem weißen Papier auffängt, eine buntstreifige länglichrunde Lichterscheinung; die Farben folgen ganz wie im Regenbogen aufeinander: roth, orange, gelb, grün, blau, violett. Die Naturforscher erklären diese Aenderungen des Lichtes auf folgende Weise:

Schon längst wußte man, daß die Töne, die wir vernehmen, durch Schwingungen der uns umgebenden Luft vermittelt werden. Eine Claviersaite, welche durch Anschlagen der Taste erzittert, setzt durch die regelmäßigen Stöße, die sie auf die Luft ausübt, diese in Schwingung, welche sich bis in unser Ohr fortpflanzt und daselbst die Hörnerven trifft. Ganz ähnlich verhält es sich nach Angabe der Naturforscher mit dem Lichte. Wie die Töne durch Schwingungen der Luft erzeugt werden, so das Licht durch Schwingungen eines noch weit feineren Stoffes, des sogenannten Licht-Aethers, der die Lichtwellen auf ähnliche Weise fortpflanzt, wie die Luft die Schallwellen. Es ist dies freilich nur eine Annahme; da sich indeß die meisten Lichterscheinungen daraus erklären und ableiten lassen, so hat man alle Ursache zu glauben, daß die Annahme der Wahrheit nahe kommt.

Man nimmt nun weiter an, daß jeder Farbe eine besondere Art der Aetherbewegung entspreche, wie ja auch jedem Tone eine andere Art der Luftbewegung entspricht. So hängt z. B. die Höhe eines Tones von der Schnelligkeit ab, mit welcher die Schwingungen der Luft aufeinander folgen. Ein Ton, welcher um eine Octave höher ist als der andere, zählt doppelt soviel Schwingungen in derselben Zeit. In ähnlicher Weise zählt ein violetter Lichtstrahl in einer Secunde mehr Aetherschwingungen, als ein rother Strahl. Das Sonnenlicht soll aus verschiedenen farbigen Strahlen zusammengesetzt [628] sein, und in dieser Zusammensetzung dem Auge als weiß erscheinen; im Prisma aber sollen sich die einzelnen Strahlen von einander sondern und dadurch das farbige Lichtbild hervorrufen. Man hat sogar auf Grund genauer Untersuchungen berechnet, wie viel Schwingungen jede Lichtart in der Secunde macht; so muß der Aether 750 Billionen Schwingungen in der Secunde machen, um die Erscheinung der violetten Farbe hervorzurufen, während das Roth schon durch 500 Billionen Schwingungen erzeugt wird. Seit nun die Physiker berechnet haben, daß jeder Farbe eine bestimmte Art der Aetherbewegung entspricht, hat man sich gewöhnt, unter Licht und Farbe im physikalischen Sinne überhaupt nur Aetherbewegungen zu verstehen, und man verwechselt nun häufig beide Bedeutungen. Ganz ebenso nennt der Physiker gewisse Wellenbewegungen der Luft Töne und gewisse Zustande des Stoffes Wärme, während doch Töne und Wärme im Grunde nichts anders sind als Empfindungen. Es ist sehr wichtig, auf den Unterschied aufmerksam zu machen, weil eine Menge falscher Ansichten allgemein verbreitet sind, die nur in dieser Verwechslung ihren Grund haben.

Wir machen unsre Beobachtungen von der Außenwelt mit Hülfe der äußern Sinne, d, h. die Sinne sind die Pforten, durch welche die Kunde von den Dingen der Außenwelt zu unsrer Seele gelangt. Wenn wir von Sinnesempfindungen reden, so sind das Empfindungen unsrer Seele, die durch eines unsrer Sinneswerkzeuge vermittelt worden sind. Ganz falsch aber ist es, zu glauben, die Sinnesempfindung sitze in unseren Sinneswerkzeugen selbst.

Bei jeder Empfindung haben wir dreierlei zu unterscheiden: erstens die äußere Ursache der Empfindung, zweitens die Veränderung, welche die äußere Ursache in unsern Sinneswerkzeugen und in den Nerven hervorruft, welche die Sinneswege mit der Seele in Verbindung setzen, drittens die eigentliche Empfindung, d. h. einen bestimmten Vorgang in unsrer Seele. Daran reiht sich viertens gewöhnlich ein Urtheil, vermöge dessen wir uns eine Vorstellung von der äußeren Ursache unserer Empfindungen machen. Wählen wir ein bestimmtes Beispiel. Wir sehen den Mond; das Sonnenlicht, d. h. eine Bewegung des Lichtäthers, welche von der Sonne ausgeht, hat sich bis zum Monde fortgepflanzt und ist von diesem aus wieder bis zur Erde gelangt. Hier trifft die Bewegung als Mondlicht unser Auge, durchläuft dasselbe und kommt bis zu der im Hintergrunde unsres Auges ausgespannten Nervenhaut. Die feinen Enden der Sehnerven erleiden in Folge des Bewegungsanstoßes eine Aenderung, welche sich im Grunde ebenfalls auf eine Erzitterung, Schwingung oder sonst welche Bewegung seiner feinsten Theilchen zurückführen läßt. Von diesem Vorgange in den Nervenenden des Auges erhält die Seele dadurch Kunde, daß die Nervenfäden, welche vom Auge zum Gehirn laufen, innerlich erregt werden und diese Erregung, welche wahrscheinlich in einem galvanischen Strome besteht, bis in’s Gehirn fortleiten, wo dann die Seele zur Lichtempfindung angeregt wird, in Folge deren wir das leuchtende Bild des Mondes erblicken.

So werden auch alle andern Sinneswahrnehmungen durch gröbere und feinere Bewegungen vermittelt, welche die Enden unsrer Sinnesnerven treffen. Daß unser Tasten auf Bewegungen beruht, ist Jedem von selbst verständlich; daß das Hören durch regelmäßige wellenförmige Luftbewegungen veranlaßt wird, wurde schon erwähnt. Ganz ähnlich, wie die Lichteindrücke von den unendlich schnellen und kleinen Erzitterungen des feinen Lichtstoffes herrühren, scheint auch den Wärmeempfindungen die Erzitterung der Theilchen eines Wärmestoffes zu Grunde zu liegen. Kurz Alles, was in unsre Sinne kommt, ist Bewegung. Durch diese Bewegungen werden die Sinnesnerven erregt, welche Erregung, so innerlich und unmerklich sie auch ist, sich zuletzt doch auch auf eine feine Bewegung der kleinsten Nerventheilchen zurückführen läßt; diese feinen Nervenbewegungen sind es, welche endlich die Seele zur Empfindung des sinnlichen Eindrucks bringen. Wie der Schlag des Klöppels die Glocke erklingen, wie der Bogen die Saite ertönen macht, so nöthigt die Erregung der Nerven die Seele zur Empfindung, und wie der Ton der Saite von der Art des Bogenstriches abhängt, so auch die Empfindung der Seele von der Art der Nervenerregung. Es ist eine sehr verbreitete Ansicht, daß die Empfindung des Lichtes im Auge, die Empfindung des Schalles im Ohr sitze u. s. w. und der Sprachgebrauch begünstigt diesen Irrthum, da wir zu sagen pflegen: mein Auge erblickte, oder mein Ohr vernahm etwas. Ist man sich klar bewußt, daß jede Sinnesempfindung nie in einem Sinnesorgan, sondern stets in der Seele vor sich geht, so kann man wohl dem bildlichen Sprachgebrauche folgen; wer dies jedoch nicht bedacht hat, macht sich leicht eine ganz falsche Vorstellung von dem Verhältniß der Sinne zur Seele. Die Sinne können nicht empfinden, dies vermag nur die Seele. Auch darf man sich nicht, wie Einige thun, die Seele gleich einem luftigen Wesen den ganzen Körper durchdringend denken, so daß sie im Auge eben so gegenwärtig wäre, als im Hirn, man muß vielmehr einen Theil des Hirns als denjenigen denken, welcher allein in unmittelbarer Wechselbeziehung mit der Seele stehe; etwas Näheres über diesen Theil des Hirns, über seinen Sitz, seine Ausdehnung, oder ob er im Grunde nur ein Punkt im Hirn sei u. s. w. läßt sich freilich nach dem jetzigen Stande unsres Wissens noch nicht angeben. Daß aber die Seele nicht im Auge gegenwärtig sei und daß im Auge überhaupt keine Empfindung entstehen könne, beweisen Fälle von Blindheit, welche in Folge einer krankhaften Veränderung des sogenannten Sehnerven entstehen. Dieser Nerv ist ein Bündel feiner Nervenfasern, welche von der Nervenhaut des Auges durch den knöchernen Schädel ins Gehirn treten. Wird diese Nervenleitung an irgend einer Stelle ihres Verlaufes durch eine krankhafte Veränderung unterbrochen, so erfährt die Seele nichts mehr von den Lichteindrücken im Auge. Thiere, denen diese Nerven durchschnitten werden, sind auf der Stelle blind, obgleich ihre Augen ganz unverletzt geblieben. So ist also das Auge nichts Anders, als ein Apparat, in welchem die Lichtbewegungen in eine Nervenerregung umgesetzt werden; es ist ein Telegraphenbureau, wo unsre Außenwelt die Depeschen ausgibt, die sie unsrer Seele zu melden hat, und das Auge weiß von dem Inhalt der Depesche ebensowenig, als der elektrische Apparat des Telegraphisten, die Nerven wissen davon so wenig, wie die Telegraphendrähte, sie sind bewußtlose Werkzeuge, und nur der Seele erschließt sich der Sinn. Aus alledem ist klar, daß Licht und Farbe nur für die Seele da sind; daß es ohne bewußte Seelen gar kein Licht und keine Farbe auf der Welt gäbe, sondern nur Aetherschwingungen, die eben nur Schwingungen sind und kein Licht, keine Farben. Daher hat der Physiker eigentlich Unrecht, wenn er jene Schwingungen Licht nennt, und ihre besonderen Arten Farben.

Wenn Jemand mit dem Bogen die Saiten der Violine streicht, so haben nur die Saiten den Ton, nicht aber auch der Bogen; ebenso hat nur die Seele Farben, nicht auch der Lichtstoff, dessen Bewegung unserer Seele die Farben entlockt, wie der Bogen den Saiten die Töne. Freilich hängt der Ton mit vom Bogenstriche ab, sowie die Farbenempfindung von der Art der Lichtstoffbewegung; so wenig die kunstvolle Bogenführung einem plumpen Steine Töne entlockt, eben so wenig erregt die Lichtstoffbewegung in bewußtlosen Wesen eine Farbenempfindung. Licht ist also eine Seelenregung, welcher eine bestimmte Stoffbewegung außer uns entspricht; Farbe ist farbiges Licht, also auch eine bestimmte Art der Seelenregung. Dies ist die eigentliche Grundbedeutung des Wortes Farbe. Will man nun auch gewisse Arten der Lichtstoffschwingungen, welche gewissen Farben entsprechen, so nennen, so darf man dabei nie vergessen, daß dies nur im übertragenen Sinne geschehen kann. Dies wäre denn die zweite Bedeutung des Wortes Farbe, d. h. die physikalische Bedeutung. Dazu kommt noch eine dritte Bedeutung, die chemische. Wir unterscheiden farbige Dinge von gefärbten Dingen. Farbig sind diejenigen, welche eine ursprüngliche und durchgehende Farbe haben, gefärbt sind die, welche ihre Farbe durch Färben erhalten haben, sei es nun, daß dies Färben nur in einem vorübergehenden Verhalten! der Lichtstrahlen begründet sei, wie das Röthen der Abendwolken, sei es, daß wirklich ein Farbstoff übertragen worden ist. Solche Stoffe, welchen eine bestimmte Farbe eigenthümlich zukommt, welche man daher zum Färben anderer Stoffe benutzt, sind aber farbige Stoffe, Farbestoffe oder kurzweg Farben. Dies ist die dritte Hauptbedeutung des Wortes Farbe. Ich übergehe den bildlichen Gebrauch des Wortes, denn er kann nicht leicht zu Mißverständnissen führen. Dahin gehört es, daß man von der Farbe eines Tones, einer Empfindung etc. spricht. Jeder weiß, daß ein Ton ebenso wenig Farben haben kann, als eine Farbe Töne, und doch versteht Jeder, was damit gemeint ist. Denn man benutzt sehr allgemein die Bezeichnungen der Eindrücke des einen Sinns, um die eines andern näher zu charakterisiren.