Vorstehhunde im Tiergarten zu Karlsruhe

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Titel: Vorstehhunde im Tiergarten zu Karlsruhe
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Leo’schen Vorstehhunde im städtischen Thiergarten zu Karlsruhe.
Originalzeichnung von Fr. Specht.

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Vorstehhunde im Thiergarten zu Karlsruhe.
(Mit Abbildung.)

Der städtische Thiergarten zu Karlsruhe, welcher in jüngster Zeit durch den angrenzenden Park mit seiner im großartigsten Maßstabe erbauten neuen Festhalle wesentlich erweitert und durch einen erst kürzlich geschaffenen See erheblich verschönert worden, beherbergt seit Kurzem eine ebenso schöne wie zahlreiche und interessante Thierfamilie, die Leo’schen Vorstehhunde, welche wohl erst in den letzten Jahren in ferneren Gegenden bekannt geworden sind.

Der Vorstehhund ist bei den heutigen Jagdverhältnissen der geschätzteste aller Jagdhunde, denn auch da, wo reicher Wildstand den Betrieb der Jagd mit Hatzhunden zuließ, ist der Jäger zu der Einsicht gekommen, daß er mittelst Vorstehhund seine Jagd schonender und mit besserm Erfolge auszuüben vermag. In den letzten dreißig Jahren wurden nach dem Continente, insbesondere nach Deutschland, die englischen Vorstehhunde eingeführt, weil der alte (deutsche) Hühnerhund nicht mehr geeignet war, die gering besetzten Jagden vortheilhaft zu betreiben, allein weder der langhaarige englische Setter, noch der kurzhaarige englische Pointer waren dazu geschaffen, unsern continentalen Jagdverhältnissen zu entsprechen, weil sie nur reine, zwar mit guten Geruchsorganen versehene Vorsteher, aber keine Apporteure und Würger waren; dabei hatten diese reinblütigen Thiere mit den klimatischen Verhältnissen schwer zu kämpfen. – Vom Jäger wurden diese großen Mängel längst erkannt, und jeder bemühte sich, nach seiner Idee durch Kreuzung mit einheimischen Hunden dauerhafte und brauchbare Thiere zu erzielen; so entstand ein wahres Chaos von Mischlingen, die alle mehr oder weniger in Form und Eigenschaften unbefriedigende Geschöpfe blieben, weil bei der Anpaarung der vermiedenen Objecte meist die Kenntniß und namentlich auch die große Ausdauer fehlte, welche so unerläßlich nothwendig ist, nur einen so vielen Anfordernden entsprechenden Vorstehhund hervorzubringen, wie er vom Jäger gewünscht werden muß. Kein Waidmann wußte sich ein derart erzüchtetes Thier zu beschaffen und blieb darauf angewiesen, seine Hunde, so gut es eben ging, selbst zu erzielen.

Unsere Illustrationen führt nun zwei Racen vor Augen, die durch systematische Anpaarungen eigens für die heutigen Jagdverhältnisse erzüchtet sind, und beginnen wir mit der Beschreibung des Leo’schen Setters, der durch Kreuzung von Gordon-Setter mit dem Retriever und dem deutschen Hunde entstanden, d. h. es wurden Gordon-Setters mit gewellten Haaren, die bekanntlich etwas Retrieverblut tragen, mit dem deutschen Hunde gepaart. Die vorzüglichen Geruchsorgane des Ersteren, die Apportlust des zweiten wie der Muth und die Ausdauer des Letzteren sind in diesem neuen Vorstehhunde trefflich vereinigt; seine Figur ist stämmiger und meist größer als die des englischen Hundes; sein Gliederbau ist mäßig hoch, der Kopf wuchtig, der Behang ziemlich groß, die Lippen (Luppel) tief, sein Körper schmäler und die Rippen weniger hoch gewölbt als die des altdeutschen Hundes, den er an Größe erreicht; seine Brust ist breit, die Hungergrube etwas aufgezogen; die dünne, fast horizontal getragene Ruthe wird durch eine reiche Fahne geziert, die wie die ganze Behaarung meist etwas gewellt ist; seine Farbe ist gewöhnlich schwarz oder braun mit rostgelben Abzeichen, doch kommen auch andere Zeichnungen, wie weiß, schwarz und braun gefleckt, nicht selten vor.

Der Leo’sche Pointer ist aus einer Kreuzung des englischen Pointers mit dem deutschen Hühnerhunde und dem alten Leithunde hervorgegangen, das heißt: es wurden solche deutsche Vorstehhunde [347] mit dem Pointer gemischt, die Leithundblut trugen, wie man sie in Süddeutschland noch vereinzelt trifft; der Leithund selbst ist bekannter Maßen längst ausgestorben; sein Blut kann also nur einen verschwindend kleinen Bruchtheil beim Leo’schen Hunde bilden; auch hier sind es die vorzüglichen Geruchsorgane des Ersteren, der Muth und die Ausdauer des Zweiten, wie der treffliche Spürsinn des Letzteren, die in diesem kurzhaarigen Vorstehhunde vereinigt sind. Die Anpaarung des Leithundes hat diesem Thiere ganz außerordentlich schöne Formen verliehen; insbesondere sind es Eigenthümlichkeiten, wie der gewaltig hochaufgebaute Schädel, die langen und tiefen Lippen, das tiefliegende Auge und der tiefangesetzte, große, weich und schlaff fallende Behang, welche bei der meist sehr ansehnlichen Größe diesem Hunde ein so charakteristisches und imponirend schönes Aussehen verleihen, daß er wohl einer der schönsten Jagdhunde genannt werden kann und deshalb auch nicht selten als Begleiter von Leuten gehalten wird, die nie zur Jagd gehen. Die Farben und Zeichnungen variiren mehr als beim Setter; man findet diesen Hund einfarbig braun mit gelben Extremitäten, einfarbig schwarz, weiß, gelb und braun gefleckt. Eine besonders geschätzte Zeichnung weist der Forellentiger auf, wie ihn der Züchter nennt. Er hat über der ganzen Decke auf weißem Grunde enggesetzte kleine braune Tupfen, während auf Füßen, Maul und über den Augen ein herrliches Rothgelb lagert und so eine Farbenwirkung entsteht, die jedes Hundeliebhabers Herz erobert.

Beide Hunde, sowohl der Setter wie der Pointer, sind feste Vorsteher, ferme Apporteure und gute Würger, Hunde für jeglichen Gebrauch. Der Setter eignet sich besonders auch zur Wasserjagd, während der Pointer besser auf den Schweiß arbeitet. Durch solche Anpaarungen gediegene Vorstehhunde zu erzielen, bedarf es sicherlich großer Kennerschaft, Ausdauer und sorgfältigster Wahl der Zuchtobjecte, denn gerade die Anpaarung des Retrievers einer- und des Leithundes andererseits kann ebensowohl das Resultat gänzlich entwerthen, wie sie in diesen beiden Fällen so vortheilhaft mitgewirkt haben. Die Leo’schen Vorsteher tragen von diesen beiden Racen deshalb nur einen verschwindend kleinen Theil Blutes, sodaß diese neuen Vorstehhunde sicherlich den reinblütigen Originalthieren weit vorzuziehen sind, weil sie vielseitiger zu verwenden, ausdauernder, unempfindlicher gegen klimatische Einflüsse und viel gelehriger sind; jene schauderhaften Dressurproceduren, wie sie beim altdeutschen Hunde nöthig waren oder gar beim englischen Hunde, dem der Jäger oft vergeblich die sogenannte „deutsche Dressur“ beizubringen versuchte, fallen bei diesen Hunden gänzlich weg; jedem Jäger, der öfter seine Jagd begeht, ist es leicht, diese verständigen Thiere zu fermen Jagdhunden heranzuziehen, vorausgesetzt, daß er selbst das nöthige Verständniß hierfür besitzt. – Wollte man heute reine englische oder gar altdeutsche Hunde züchten, man würde damit sicher einen tüchtigen Waidmann, der ja nur Thiere für die Arbeit braucht, niemals befriedigen. Die eine Race vereinigt also in sich die Eigenschaften eines Vorstehers, Apporteurs und Wasserhundes, die andere diejenigen der beiden Erstgenannten und des Schweißhundes.