Vorlesungen über nützliche, verkannte und verleumdete Thiere/9
Meine Herren!
Während wir bisher nur mit Insectenordnungen zu thun hatten, welche eine vollkommene Verwandlung besitzen und wenigstens während einiger Zeit einen ruhenden Puppenzustand durchmachen, so gehören die Schrecken und Wanzen, welche wir in der Folge betrachten werden, im Gegentheil zu denjenigen Insecten, die niemals der Ruhe genießen, stets fressen und nur eine unvollkommene Verwandlung durchmachen, indem sie in mehreren aufeinander folgenden Häutungen nach und nach sich Flügel anschaffen. Die Schrecken aber insbesondere zeichnen sich vor den übrigen Insecten durch ihre vier großen häutigen Flügel aus, von welchen die vorderen niemals gefaltet, sondern deckenförmig in der Ruhe über den Leib geschlagen werden, während die hinteren einem Fächer gleich in der Ruhe strahlenförmig sich zusammenfalten. Der Kopf dieser Thiere ist meist mit sehr langen, fadenförmigen Fühlern und außerordentlich kräftigen Kinnbacken und Kinnladen ausgestattet, die Hinterbeine häufig sehr verlängert, die Schenkel verdickt, so daß sie bedeutende Sprünge machen können. Auch in dieser Ordnung finden wir nur Feinde, und da sie mit einziger Ausnahme der Fangheuschrecken nur von pflanzlichen Stoffen sich nähren und häufig in ungeheuren Schwärmen auftreten, welche im wahren Sinne des Wortes gewaltthätig über die menschlichen Pflanzungen herfallen, so ist es nicht mehr als billig, ihnen in jeder Weise nachdrücklich den Krieg zu erklären. Auch hat sich in dieser Beziehung der Volksglaube niemals getäuscht, und nur hinsichtlich der erwähnten Fangheuschrecken sind fromme Naturforscher, namentlich Franz von Paula-Schrenk, der specifisch katholische Zoologe Baierns, auf höchst absonderliche Gedanken gekommen. Wir besitzen im südlichen Deutschland, wenn auch selten, eine Art Heuschrecken, welche auch das Weinhähnel oder die Gottesanbeterin (Mantis religiosa) genannt wird und sich durch den äußerst beweglichen Kopf und die höchst eigenthümlichen vorderen Fangfüße von allen übrigen Insecten auf den ersten Blick unterscheidet. Diese Fangfüße sind nämlich mit einer innen scharfgezähnten, schneidenden Klinge als äußerstem Gliede versehen, die ganz wie ein Taschenmesser gegen das Mittelglied, das ebenfalls auf der Innenseite scharf ist, eingeschlagen werden kann. Den schlanken Vorderleib mit diesen Fangfüßen trägt das Thier stets in die Höhe gerichtet, sodaß es gleichsam die Stellung eines Betenden zeigt, der seine Hände nach dem Himmel ausstreckt. Natürlich mußte denn auch die Bestie als Beispiel für alle jene seltsamen frommen Nutzanwendungen und gottseligen Gedanken dienen, welche man an diese Stellung knüpfte. Der Schöpfer habe sie dem Menschen selbst zur Mahnung erschaffen, um ihn beständig an das Beten zu erinnern; das magere Thier nähre sich nur vom Thau, der ihm zur Belohnung seines gottseligen Lebenswandels vom Himmel direct zugesandt werde, freilich aber auch nur gerade genüge, um es nothdürftig zu ernähren. Durch seinen magern, klapperdürren Leib soll es die sündige Menschheit mahnen, zu dem Gebet noch Fasten und Kasteiungen hinzuzufügen, und auf diese Weise durch Beispiel und Exempel auf den Pfad zur Tugend leiten. In der That aber ist die Fangheuschrecke ein grimmiges Raubthier, welches anderen Insecten auflauert, sie mit den klammerförmigen Fangfüßen packt und zerschneidet und sich vorzugsweise gern von Fliegen und Heuschrecken nährt, ja sogar und namentlich in der Gefangenschaft seines Gleichen nicht verschont.
Unter den eigentlichen Heuschrecken ist es namentlich die Wanderheuschrecke (Gryllus migratorius), welche sich durch die Verheerungen, die sie anrichtet, in unliebsamer Weise berüchtigt gemacht hat. Ihr eigentliches Vaterland ist der Orient, die flachen Steppen Südrußlands, die grasreichen Ebenen der Tatarei und des Inneren Asiens und Afrikas. Von dorther kommen jene ungeheuren Schwärme, welche zuweilen gleich den Heerzügen der Mongolen in schrecklich zerstörender Weise über ganze Länder herfallen, die Sonne bei ihrem Zuge verfinstern und nicht nur alles Grüne bis auf die Wurzel zerstören, sondern auch durch ihre modernden Leiber verpestende Dünste erzeugen. Vor einigen Jahren erst zeigte sich in den Gouvernements Cherson und Bessarabien ein solch ungeheurer Schwarm, der einen Strich Landes von 60 Werst Länge (etwa 17 Stunden) und 20 Werst Breite einnahm. Der Schwarm passirte den Dniester, Alles auf seinem Zuge verheerend, und näherte sich dem schwarzen Meere. Man versammelte eine wahre Armee von etwa zwanzigtausend Bauern mit einigen Kosakencompagnien, welche während drei Wochen Millionen von Heuschrecken tödteten und den Ueberrest in die See trieben. Aus dieser einzigen Angabe kann man sich etwa ein Bild der ungeheuren Schwärme machen, welche jene Gegenden vermüsten.
Man hätte indessen Unrecht, zu glauben, daß die Wanderheuschrecke einzig auf den Osten beschränkt sei und nur auf einer irren Wanderung zuwelien in Deutschland und der Schweiz einbreche. Sowohl in der Mark Brandenburg, als auch namentlich in dem durch seine zoologischen Eigenthümlichkeiten so merkwürdigen Wallis findet sich die Heuschrecke ziemlich häufig, und ohne Zweifel könnten bei geringer Cultur und genügender Rückkehr zu den gepriesenen mittelalterlichen Zuständen auch größere Schwärme in günstigen Jahren entstehen. In dem schmalen Rhonethale, welches die Sohle des Wallis bildet, ist die Wanderheuschrecke schon eine ganz gewöhnliche Plage, und nicht selten kommen kleinere Schwärme über den See bis nach Genf herüber, wie ich denn seit meinem achtjährigen Aufenthalte schon zwei Mal häufige Exemplare auf der Ebene von Plainpalais gefunden habe. Am leichtesten gelingt die Zerstörung dieser Heuschrecken zu der Zeit, wo ihre Flügel noch nicht gehörig ausgebildet sind, da man sie dann mit Leichtigkeit todtschlagen kann; während später, wenn sie einmal vollkommen fliegen, die Treibjagden, welche man anstellen könnte, nur sehr geringen Erfolg haben. Das Weibchen legt die Eier, in schaumigen Schleim gehüllt, in Gruppen von etwa hundert Stück in zolltiefe Erdlöcher, zu deren Anlegung es besonders gerne leichten, sandigen Boden wählt, welcher der Sonnenwärme recht ausgesetzt ist.
Alle übrigen Heuschrecken sind ähnlich in ihrer Lebensweise und würden nicht minder zerstörend auftreten, wenn sie in eben so [647] großen Schwärmen vorkämen. Gewöhnlich aber lassen sie den Schaden, welchen sie verursachen, ihrer geringen Zahl wegen eben so wenig bemerkbar werden, als die Haus- und Feldgrillen (Acheta domestica und camptestris)[1], welche durch ihren unangenehmen, schrillenden Gesang weit mehr lästig fallen, als durch ihre Gefräßigkeit.
Ein höchst unangenehmer, zerstörender Gast ist aber in unseren Feldern und Gärten die Maulwurfsgrille (Gryllotalpa vulgaris), deren vielfache populäre Namen schon darauf hindeuten, wie zerstörend das Thier in unseren Pflanzungen haust. Rind-, Raub,- oder Schrotwurm, Werre und Werbel oder Ackerwerbel, Erdkrebs, Erdwolf oder Moldworf heißt das häßliche Thier mit dem dicken Leibe, den es auf der Erde schleift, den breiten schaufelförmigen Grabfüßen, dem langen, panzerähnlichen Brustschilde und dem kleinen Kopfe mit listigen Augen und einer Menge von Anhängseln, Freßspitzen, Tastern, Fühlern, Kinnbacken und Kinnladen. Dem Maulwurfe ähnlich lebt die Werre in der Erde, wo sie vielfach hin – und hergewundene Gänge nahe an der Oberfläche gräbt, die ein wenig aufgeworfen erscheinen und sich besonders nach Regen leicht erkennen lassen, weil sie früher trocknen als die umgebende Erde. Man kann leicht in einen solchen Gang den Finger einbringen. Fährt man ihm nun mit den Finger nach, so dauert es selten lange, bis man den Gang in die Tiefe sich senken sieht und mit dem Finger nicht weiter folgen kann. Hier ist nun der Eingang zu der unter9rdischen Wohnung, die aus glätteren, geräumigen Gängen mit kesselartigen Erweiterungen besteht, während die Jagdgänge, die auf der Oberfläche sich finden, nur leichthin aufgeworfen werden und häufig zusammenfallen, auch keine geglätteten Wände zeigen. Will man eine Werre fangen, so braucht man nur den Eingang ein wenig mit dem Finger festzudrücken, damit er nicht einfällt, und dann mittelst eines dutenförmig zusammengerollten Blattes, oder noch besser, mittelst eines Papiertrichters erst einige Tropfen Oel und nachher Wasser in den Gang zu gießen. Es braucht oft viel Wasser – drei bis vier Gießkannen voll – ehe sich sämmtliche verzweigte Gänge so gefüllt haben, daß kein Wasser mehr eindringt. Nun aber krabbelt es auch aus dem Boden hervor – oft an dem Loche selbst, in welches man Wasser goß, oft auch an einer ganz anderen Stelle. Die Werre kriecht heraus, klebrig, ekelhaft fett, halb erstickt. Oft besitzt sie nicht einmal die Kraft mehr herauszukriechen – oft auch gelangt sie nur gerade an die Oberfläche und stirbt unter Zuckungen. Das fette Oel hat sich an ihren Leib gehängt, die Luftlöcher verstopft und die Bestie eben so gut erstickt, als wenn man einem Säugethiere den Hals zugeschnürt hätte.
Thun wir aber nicht vielleicht Unrecht, indem wir die Maulwurfsgrille verfolgen? Hat der Maulwurf nicht Jahrhunderte lang unter dem allgemeinen Vorurtheil des Volkes gelitten, bis die neuere Zeit versuchte, ihm sein Recht angedeihen zu lassen?
Wir können gewiß nicht leugnen, daß die Werre mit Wohllust auch über thierische Nahrung herfällt und einen Engerling oder Regenwurm, den sie auf ihren dunkeln Wegen trifft, nicht verschont. Ihre ungemein große Gefräßigkeit läßt sie sogar die Jungen und Larven ihrer eigenen Art tödten und aufzehren. In Gefangenschaft schneiden sie sich unter einander an und fressen sich, wie die Löwen in der Fabel, gegenseitig auf, so daß nur die Schwanzspitzen übrig bleiben. „Ueber alle Begriffe geht,“ so erzählt Nördlinger, „was in dieser Beziehung mein Vater mit ansah. Er hatte bei Bearbeitung eines Blumenbeetes im Garten eine Werre mit dem Spaten auf den Weg ausgeworfen und durch die Mitte entzwei gestoßen, in der irrigen Meinung, das Thier dadurch getödtet zu haben. Als nach einer Viertelstunde seine Augen wieder auf die Werre fielen, war ihr Vordertheil beschäftigt (wer weiß ob nicht in dem Gefühle der Leere ihres Bauchs) heißhungrig den weichen Hinterleib aufzuzehren. Das gräuliche Schauspiel wurde schnell durch einige weitere Spatenstiche unterbrochen.“ Die Geschichte klingt fast wie aus dem Münchhausen, dessen durch das Fallgitter geteiltes Roß fortfährt Wasser zu saufen, und dennoch ist sie vollkommen wahr, denn ich habe selbst Gelegenheit gehabt, Aehnliches zu beobachten. Thierische Nahrung verschmäht also die Werre keineswegs, und manche ihrer Gänge mögen zur Aufsuchung derselben getrieben werden. Wenigstens bemerkte ich häufig in meinem Garten, daß die Werren ihre Gänge um die Zuckererbsen herum trieben und diese ungestört fortkeimen und wachsen ließen, während man hätte erwarten sollen, daß sie die Erbsen anfressen würden. Wahrscheinlich jagten sie da die Schneckchen, welche die Erbsen fressen.
Aber diese Fähigkeit oder Lust, Alles zu verzehren, hindert durchaus nicht, daß die Werre auch Pflanzen angreift und gründlich zerstört. Man braucht nur ihren Mageninhalt zu untersuchen, um sich zu überzeugen, daß er theilweise aus Pflanzenstoff gebildet ist. Ferner lassen sich die Zerstörungen in den Pflanzungen durchaus nicht wegleugnen, und wenn man früh Morgens oder gegen Sonnenuntergang aufmerksam und still beobachtet, wird man leicht mit dem Spaten in der Hand constatiren können, daß eine Salatpflanze ihr Haupt neigt, weil die Werre eben ihre Wurzel zernagt. So ausgiebige Verheerungen wie der Engerling mag sie in Wiese und Feld wohl nicht erzeugen, da auch trotz ihrer Größe ihre Kiefer schwächer zu sein scheinen und sie also Baum- und Rebwurzeln nicht oder nur in der höchsten Noth angreift – aber im Garten ist sie eben so verderblich, wenn nicht verderblicher als der Engerling, welcher doch nur von unten her die Wurzeln frißt, während auf den zahlreichen Gängen der Werre auch die noch jungen Sämlinge und Setzlinge in Folge der mechanischen Lockerung ihrer Wurzeln verdorren.
Auch eine Werre kann lieben. Im Juni und Juli kommt eine eigene Bewegungslust über sie, in welcher sie häufig sogar bei Tage ihre Löcher verlassen, auf dem Boden herumlaufen oder schwerfällig schnurrend umherfliegen. Auch setzt sich das Männchen gern vor die Eingangslöcher und geigt mit den Hinterbeinen an den Flügelrändern, was einen leise zirpenden Ton hervorbringt, der demjenigen der Feldgrillen ähnlich, aber weit gedämpfter ist.
Das Weibchen legt in der Erde, meist in der Tiefe eines halben Fußes, ein Nest an, welches in einem faustgroßen Erdballen besteht, der in der Mitte eine nußgroße geglättete Höhle enthält. Der Gang, welcher von der Oberfläche in dieses Nest führt, zeigt eine spiralige Krümmung mit allmählicher Senkung und läßt sich von dem geübten Auge leicht erkennen, so daß es vortheilhaft ist, an solchen Orten, wo die Werren große Verwüstungen anrichten, die Arbeiter zum Erkennen und Aufsuchen der Nester anzulernen. In die sorgfältig geglättete innere Höhlung legt das Weibchen zuweilen über zweihundert Eier und hält sich dann in der Nähe, wie wenn es über dem Neste wachte. Die nach einem Monat ausgekrochenen Jungen gleichen fast großen Ameisen, halten sich noch in Schaaren zusammen und verwüsten besonders gern die Grasplätze, auf denen sich ihre Gegenwart durch gelb werdende, abdorrende Flecken erkennen läßt. Im Winter gehen sie in die Tiefe – im Sommer kommen sie mehr an die Oberfläche – mit jeder Häutung nimmt die Länge ihrer Flügel zu, die erst nach der fünften Häutung vollständig werden. Sie durchlaufen so, wenn auch mit verhältnismäßig weit geringerer Mühe, etwa alle Stadien, welche die Bekleidung der schweizerischen Armee durch unzählige Commissionen, Berichte und Beratungen der eidgenössischen Räthe durchlaufen hat – von der flügellosen Aermelweste zum Halbfrack, zum Schwalbenschwanz und endlich zum Waffenrocke, der doch die nach Jahn wichtigsten Theile des Kriegers deckt, nämlich Kreuz und Bauch.
Das Ausnehmen der Nester und das Fangen mittelst Eingießen von Oel und Wasser mögen wohl die einzigen nachhaltigen Vertilgungsmittel der Werren sein. Durch das letztere Mittel habe ich wenigstens in meinem Garten, der durch leichten humusreichen Sandboden dem Raubzeuge aller Art unendlichen Vorschub leistet, ihre Verwüstungen ziemlich beschränkt. Man räth auch Eingraben von Pferdemist im Herbste in einer Tiefe von etwa 1–2 Fuß an, indem die Werren sich der Wärme wegen dorthin zögen, in das Misthäufchen einwühlten und dann nach eingetretenem Froste leicht herausgenommen und vertilgt werden könnten. – Es hat mir aber scheinen wollen, als sei das Mittel übler als der Nutzen, den es bringen soll, indem die Werren sich auch nur in die Nähe der erwärmten Stelle ziehen, dort leichter überwintern und so sicherer im Frühjahre Schaden zufügen.
[685]Was die Werren im Garten, das sind die Schaben, Kakerlaken oder Schwaben (Blatta) in den Häusern – häßliche, nächtliche, unheimliche Gesellen, mit haarigem, plattgedrücktem, seitlich zackigem Körper, langen Stachelbeinen und noch längeren dünnen Fühlhörnern, die sich Tags über in Winkel und Ritzen drücken, Nachts dagegen herumlaufen und Alles benagen, was nur irgend Nahrung bieten kann. In dem östlichen Europa namentlich geht ihre Zahl über alle Beschreibung – in Rußland besonders wimmeln nicht nur die Bauernhäuser und Kneipen, sondern die Gasthöfe und Edelsitze von diesen häßlich riechenden Thieren so sehr, daß mir Freunde erzählen, die Wände hätten ihnen in Gaststuben anfänglich aus gebuckeltem Nußbaumholz gebildet erschienen, bis sie sich überzeugt hätten, daß es nur Schaben gewesen seien, die eine an der andern unbeweglich die Wand tapezirten! Sonderbarer Weise schiebt denn auch ein Volksstamm dem andern die Einführung dieses Ungeziefers zu: die Russen nennen sie „Preußen“ und sind fest überzeugt, daß die germanische Race der slavischen durch Ueberlassung dieser Schmarotzer einen Schabernack hat anthun wollen – die biederen Tyroler, welchen die Glaubenseinheit so sehr an das Herz gewachsen ist, daß sie vor Allem den katholischen Glauben als Bedingung zur Berechtigung des Aufenthaltes in ihrem Lande verlangen, nennen sie „Russen“ und halten sie wahrscheinlich für geheime Sendlinge der ketzerischen, griechischen Propaganda – und die übrigen deutschen Volksstämme nennen sie „Schwaben“, als wenn die gemüthlichen Träger der Reichssturmfahne neben anderen Wohlthaten auch diese dem gemeinsamen deutschen Vaterlande erwiesen hätten.
Sonderbar ist die Fortpflanzungsweise dieser nächtlichen Nager, vor denen nichts sicher ist, selbst nicht einmal die Fußsohlen der Kranken, die wir aber vorzugsweise in Vorratskammern, in Bäckereien und Mehlhandlungen antreffen. Die Weibchen legen nicht große vielzahnige Eier, welche sie lange Zeit im After steckend mit sich herumtragen, wie es noch in einem neuesten Buche über die Naturgeschichte der keinen Feinde der Landwirtschaft heißt, das sonst vortreffliche Beobachtungen enthält – diese Anfangs gelben, später braunwerdenden, verhältnismäßig sehr großen Körper, welche das Weibchen mit sich herum trägt, sind Eihülsen, wahre Cocons, mit lederartiger Hülle, welche erst im Inneren 30 und 40 Eier enthalten.
Wo sie sich einmal eingenistet haben, ist ihre Vertilgung schwer – sonst aber kann man sie sich durch häufiges Waschen der Stubenböden und Ecken mit heißem Wasser, durch Schwefeldampf, durch mit Arsenik vergiftetes Mehl oder Zwieback und durch Kälte in den Räumen leicht vom Leibe halten. Letzteres Mittel besonders wirkt vortrefflich; denn trotz ihrer Verbreitung im Norden scheuen die Schaben nichts mehr als Luft und Kälte. Offenstehen von Thüren und Fenstern durch einige kalte Winternächte tödtet sie ebenso sicher, wie die Stubenfliegen.
Ich darf den Ohrwurm oder Ohrgrübler (Forficula auricularia) nicht vergessen. Wer jemals die prächtige Schlingpflanze mit dunkelblauen Glocken, welche die Botaniker Cobaea scandens nennen, gepflanzt und gezogen hat, der wird sich auch des Aergers erinnern, welchen ihm die Ohrwürmer gemacht haben. Zu Hunderten sitzen sie in den Glocken, fressen sie durch, speisen die Blätter – kurz, gebehrden sich, als sei die Cobaea ihr Lieblingsgericht. Außerdem aber gehen sie auch nächtlicher Weile an Früchte, an die Blumenblätter der Rosen, Dahlien und Nelken, und im Nothfalle an die meisten krautartigen, saftigen Blumenpflanzen, wie Petunien. Tags über bergen sie sich in Ritzen und Löchern, und mag es wohl auch einigemal geschehen sein, daß ein Ohrwurm einem im Grase Schlafenden in das Ohr oder die Nase kroch – gewiß nur, um einen Schlupfwinkel zu finden. Das Gekrabbel im Ohre soll eine höchst unangenehme Empfindung sein, doch ist es in solchem Falle leicht, sich von dem Eindringling zu befreien, indem man einige Tropfen Oel in das Ohr träufelt, die auf den Ohrwurm ganz dieselbe Wirkung äußern, wie auf die Werre. Man fängt indessen die Ohrwürmer sehr leicht, indem man hohle Hörner oder Klauen von Schafen und Kühen an die Spaliere hängt. Sie verkriechen sich darin vorzugsweise gern.
Ein Schnabel, meist gegliedert, fest, rund, röhrig, der meist gegen die Brust hin eingeklappt werden und sehr empfindlich stechen kann – vier Flügel, die bald gleichmäßig geadert und durchsichtig, [686] bald ungleichartig sind, indem die vorderen theilweise lederartig und undurchsichtig sind – eine unvollständige Metamorphose, ruheloses Wandern und Häuten, bei welchem allmählich die Flügel ausgebildet werden – das sind die allgemeinen Kennzeichen, welche den Schnabelkerfen (Rhynchota) als Ordnung zukommen. Im Einzelnen finden sich aber viele sehr große und wesentliche Verschiedenheiten, so daß die Thiere einander ziemlich unähnlich sehen.
Die Wanzen vor allen Dingen gleichen gewissermaßen den Käfern: ihre Flügeldecken sind häufig sehr hart und mit glänzenden und metallischen Farben geziert. Die meisten unter ihnen sind räuberische Bestien, welche mittelst ihres starken, spitzen Schnabels andere Insecten anstechen und aussaugen und dadurch selbst häufig eine gewisse Nützlichkeit erlangen. Unausstehlich ist der Geruch, der den meisten anklebt und der auch an Fingern und Kleidern so fest haftet, daß es schwer hält, ihn loszuwerden. Im Uebrigen scheinen die Wanzen hochorganisirte und intelligente Thiere zu sein, die, in gewisser Beziehung den Ameisen ähnlich, nur ungesellig und nicht in geordneten Gesellschaften lebend, alle Gelegenheiten zu benutzen wissen, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Weiß man ja doch von der Bettwanze, diesem ekelhaftesten aller Schmarotzer, daß sie auf unzugängliche Betten von der Zimmerdecke sich herabfallen läßt, um dem Schlafenden das Blut auszusaugen, und daß sie mit großer Schlauheit sich zu verstecken weiß, sobald ihr irgend welche Gefahr droht. Nicht minder scheint bei den meisten Wanzen die Sorge für die Jungen eine äußerst zärtliche und ausdauernde zu sein. Die Mutter hütet die Eier und setzt sich darauf, als wolle sie sie ausbrüten, sie leitet die jungen Wänzchen, die anfänglich keine Flügel haben, ganz in der Weise wie eine Henne ihre Jungen, deckt sie mit ihrem Leibe gegen Gefahr oder trägt sie selbst auf dem Rücken davon. Unter sich scheinen die Wanzen weit verträglicher als viele andere Insecten. Anderen Arten aber werden sie durch ihren giftigen Stachel selbst dann verderblich, wenn sie auch im Allgemeinen auf pflanzliche Nahrung angewiesen sind.
Ich erwähne hier nicht weiter die Bettwanze (Acanthia lectularia) welche niemals, auch im vollkommenen Zustande nicht, Flügel erhält und von der trotz aller gegentheiligen Behauptungen die alten Griechen und Römer schon eben so geplagt wurden, als die modernen Nationen. Am schauderhaftesten sollen sie in Nordamerika hausen, und in New-York namentlich soll man sich auch mit der größten Reinlichkeit ihrer niemals vollständig erwehren können. Man hat allen Ernstes den Vorschlag gemacht, die häßliche Kothwanze (Reduvius personatus), welche im Kehricht und Staub sich aufhält und mit ihrem starken gekrümmten Stachel andere Insecten nächtlicher Weile überfällt und aussaugt, als Kammerjäger gegen die Wanzen anzustellen. Ich glaube indeß, das Vertilgungsmittel wäre übler, als das Uebel selbst; denn die Kothwanze stinkt noch ärger als die Bettwanze, und sticht noch weit empfindlicher und schmerzhafter als diese. In unserem Nachbarlande Savoyen, dessen zum Theil unzugängliche Binnenthäler sich gerade nicht der größten Reinlichkeit erfreuen, scheint man hie und da der Ansicht zu sein, als wenn Wanzen und Flöhe im Kriegszustande mit einander lebten. Wenigstens antwortete eine Wirthin einem meiner Freunde auf die Frage, ob nicht viel Flöhe in dem Bette seien, wo er die Nacht zubringen sollte. „Flöhe? Wo denken Sie hin, lieber Herr! Die Wanzen haben sie alle gefressen!“
Die Wanzen, welche in Garten und Feldern von Pflanzen sich nähren und unter welchen namentlich die Kohlwanze (Cimex oleraceus) sich auszeichnet, durchbohren die grünen Pflanzentheile und namentlich die Blätter mittelst ihres Rüssels so, daß dieselben wie ein Sieb aussehen und absterben. Häufig stechen sie auch die Früchte an, die sie außerdem noch durch den Geruch, den sie ihnen mittheilen, ungenießbar machen. Außer der erwähnten Kohlwanze habe ich in Nizza und Genf äußerst häufig auf Artischocken eine sehr schädliche Wanzenart gefunden, deren Larven vollkommen schwarz sind und in ungeheuerer Menge die jungen Setzlinge überfallen, so daß dieselben häufig absterben. Leider habe ich versäumt, die Art, welche ich nirgends erwähnt finde, näher zu bestimmen und ihre Lebensart genauer zu studiren. Am unangenehmsten werden alle diese Gartenwanzen im Herbste, wo sie auf alle Weise in die Häuser sich einzuschleichen suchen, um in einem Verstecke zu überwintern und mit ihrem Geruche die Möbel zu verpesten.
Auch die Cicaden dürfen wir unter den schädlichen Halbflüglern nicht vergessen. Unbegreiflich ist es, wie die Alten diesen unleidlichen Sängern mit ihrem großen Kopfe, großen breiten Augen und meist durchsichtigen Flügeln, welche die Gewächse auf erbarmungswürdige Weise aussaugen, den Preis des Gesanges zuerkennen konnten. Ich muß gestehen, daß mir diese eine Thatsache einen höchst unvortheilhaften Begriff von der musikalischen Bildung der Griechen und Römer beigebracht hat; denn es giebt für ein einigermaßen musikalisch empfindliches Ohr keine ärgere Qual als das entsetzliche Gezirpe und Gezwicker der Tausende von Cicaden, welche in Italien auf allen Sträuchern und Bäumen vom Sonnenaufgang bis spät in die Nacht die Ankunft des Frühlings feiern. Anakreon hat zwar eine äußerst liebliche Ode über sie, deren Uebersetzung ich mich nicht enthalten kann hier mitzuteilen:
„Glücklich nenn’ ich dich, Cicade,
Daß du auf den höchsten Bäumen,
Von ein wenig Thau begeistert,
Aehnlich einem König singest;
Dein gehöret all’ und jedes,
Was du in den Feldern schauest,
Was die Jahreszeiten bringen;
Dir sind freund die Landbebauer,
Weil du keinem lebst zu Leide;
Und die Sterblichen verehren
Dich, des Sommers holden Boten;
Und es lieben dich die Musen,
Und es liebt dich Phöbus selber;
Er gab dir die klare Stimme,
Und dich reibet nicht das Alter,
Seher, erdgeborner Sänger,
Leidenlos, ohn’ Blut im Fleische –
Schier bist du den Göttern ähnlich!“
Virgil weiß es aber besser: nach ihm wiederhallen die Sträucher bei brennender Sonne von schrillenden Cicaden, und offenbar scheint ihm nach dem Beiworte, das er braucht, der Ton nicht allzu musikalisch.
Bei uns sind glücklicherweise diese großen lärmenden Cicaden selten, und nur hier und da findet man auf Ulmen eine größere Art, deren mit sonderbaren Vorderfüßen ausgestattete Larven mir schon öfter gebracht wurden, da man sie für ein gänzlich fremdes Thier hielt. Unter den kleineren Springcicaden ist namentlich eine kaum linienlange, blaßschwefelgelbe Art zu ermähnen, welche auf Rosen außerordentlich häufig ist und die Blätter derselben siebartig durchbohrt (Cicada rosae), sowie die Schaumcicade (Cercopis spumaria), deren Larve besonders gerne an Grashalmen und Wiesenkräutern, sowie an Weiden saugt und sich gänzlich in ihren schaumigen Unrath hüllt, der einem Tropfen Speichel sehr ähnlich sieht. Das Volk nennt dieses den Kuckucksspeichel, und wenn auch gewöhnlich diese Schaumcicaden den Gewächsen keinen allzugroßen Schaden zufügen, so habe ich doch schon Trauerweiden unter ihrer großen Menge kränkeln und zuletzt absterben sehen. Unangenehm werden die Thiere aber noch dadurch, daß der schaumige Zuckersaft, den sie aus dem Baume hervorziehen, um so lebhafter abtropft, je wärmer es ist, sodaß es unmöglich ist, des Schattens der Bäume zu genießen, auf denen sie sich in großer Menge aufhalten.
Den Cicaden nahe stehen die Blattflöhe oder Sauger (Psylla), welche ebenfalls Springbeine besitzen, den Rüssel zwischen den Vorderbeinen tragen, wie wenn er aus der Brust entspränge, und deren Weibchen mit einer großen und dicken Legeröhre versehen sind, mittelst deren sie ihre Eier in den Haarfilz der Knospen und zwischen die Blätter derselben einschieben. Auf dem Apfel- und Birnbaume namentlich giebt es zwei verschiedene Arten (Psylla pirisuga und mali), die im Frühjahre erscheinen und deren Larven und Nymphen Blüthen und Laubknospen dergestalt verbohren und aussaugen, daß die Schossen sich krümmen, verwachsen, trauern und absterben, und die demnach wirklich äußerst schädliche Thiere sind.
Noch schädlicher aber sind die Blattläuse (Aphis), die wohl jeder meiner Leser kennt und deren äußerst zahlreiche Arten sich auf einer Unzahl von Gewächsen finden, welche meistens unter diesen Schmarotzern in bedeutender Weise leiden. Es sind langbeinige, dickleibige, plumpe Thiere mit glasähnlichen Flügeln, langen, fadenförmigen Fühlern und gewöhnlich zwei eigenthümlichen Röhren auf dem Rücken des Hinterleibes, durch welche sie kleine Tröpfchen von Honigsaft von sich geben können. Sie sitzen meist auf der Unterseite der Blätter oder an den grünen Schossen der Gewächse in dichten Haufen zusammen, wechseln, nachdem sie sich einmal mit ihrem geraden, langen Rüssel eingestochen und angesaugt haben, kaum mehr während ihres Lebens den Platz und zeigen höchst eigenthümliche Verhältnisse hinsichtlich ihrer Fortpflanzung.
[687]
Bei den meisten Arten finden nämlich zwei Generationen statt, durch besondere weibliche Individuen, von welchen die einen ohne Begattung lebendige Junge gebären, die anderen dagegen sich mit den kleineren Männchen begatten und Eier legen, welche zur Fortpflanzung der Art über die Winterzeit hinaus bestimmt sind. Die Männchen sind immer geflügelt, die Weibchen bald geflügelt, bald ungeflügelt, je nach den verschiedenen Arten, ohne daß man eine bestimmte Regel aufstellen könnte. Man hat mit vieler Ausdauer die verschiedenen Generationen beobachtet, welche während eines Sommers aus einer Blattlaus hervorgehen können, und sich dabei überzeugen müssen, daß, wenn nicht Feinde und Schädlichkeiten aller Art die Zahl dieser Blattläuse außerordentlich beschränken, die Nachkommenschaft eines einzigen lebendig gebärenden Blattlausweibchens während eines Sommers in die Millionen gehen könne. Denn bei der Apfelblattlaus, wo Schmidtberger die gediegensten Beobachtungen angestellt hat, dauert es gewöhnlich sieben bis zwölf Tage, bis ein neugebornes Weibchen selbst wieder Junge zu gebären beginnt, und zwar werden von einem jeden Weibchen wenigstens dreißig bis vierzig Junge etwa während acht Tagen zur Welt gebracht. Man kann sich aus dieser schnellen Vermehrung erklären, wie Gewächse, an denen nur eine einzige Blattlaus den Nachforschungen entgangen ist, in kurzer Zeit über und über mit Blattläusen besetzt sein können. Uebrigens hängen alle diese Generationen, welche sich ununterbrochen folgen, sehr von dem Wetter, der Sonne und der Nahrung ab, welche die Thier finden, und namentlich die geflügelten Weibchen scheinen dazu bestimmt, Kolonien auf anderen Pflanzen zu gründen, während die ungeflügelten die Vermehrung auf der Stammpflanze besorgen.
Aeußerst interessant ist das Verhalten der Blattläuse gegen die Ameisen, welches ich schon in einer früheren Vorlesung berührte. Die Blattläuse sind wirklich die Milchkühe der Ameisen, und es giebt sogar einige unter der Erde an Wurzeln lebende, gänzlich ungeflügelte Arten, welche von den Ameisen im Winter mit großer Sorgfalt gepflegt, durch Ueberbaue geschützt und gewissermaßen wie Stallvieh behandelt werden. Da die Colonien der Blattläuse sich häufig auf der Unterseite der Blätter oder selbst in Auswüchsen aufhalten, welche sie durch ihr Saugen erzeugen, und häufig schwer zu finden sind, so hält es leicht, sie zu entdecken, sobald man nur den Ameisen folgen will, die stets gebahnte Wege zu allen Blattlauscolonien haben. Und nun beobachte man eine solche Ameise, wie sie von Blattlaus zu Blattlaus geht, mit ihren Fühlhörnern sie streichelt, ihnen sanft aus den Rücken klopft, sie auf alle Weisen liebkost, bis endlich aus der Honigröhre auf dem Hinterleibe ein klares Tröpfchen hervordrängt, das süß schmeckt und von der Ameise mit Begierde geschlürft wird! Hat sie sich gesättigt, so läuft die Ameise zurück und läßt andere zu, welche dasselbe Spiel wiederholen.
Es ist keine Frage, daß bei bedeutender Anhäufung die Blattlausarten, deren Zahl Legion ist, großen Schaden verursachen können. Unter unseren Blumengewächsen sind es namentlich die Geranien und Rosen, unter unseren Nutzgewächsen die Apfelbäume und Johannisbeeren, welche in günstigen Jahren von den Blattläusen auf außerordentliche Weise mitgenommen werden, so daß alle Schossen verkrüppeln und man häufig genöthigt wird, die Pflanzen soweit als möglich zurückzuschneiden, um ihnen wieder einen ordentlichen Trieb zu gestatten. Zwar haben sie außerordentlich viele Feinde an den Sonnenkäferchen, den rothen Milben, den Larven der Flor- und Schwebfliegen, den meisten fleischfresenden Wanzen, ja selbst den kleinen Grasmücken und Zaunkönigen; allein nichts destoweniger sind die Anstrengungen aller dieser Feinde geringfügig im Verhältniß zu der ungeheueren Vermehrung, welche einzelne Arten darbieten. Zerdrücken, Abbürsten, Abspritzen können niemals vollständig zum Ziele führen; doch liegt es nahe, auf Hopfenpflanzen die Larven von Sonnenkäferchen zu suchen, die dort häufig vorkommen, und von diesen die Blattläuse auffressen zu lassen.
Das seßhafte Element, das in der Natur ebenso gut wie in der menschlichen Gesellschaft vorkommt und lieber auf dem Platze verdorrt, als daß es sich bewegte, wird unter den Halbflüglern von den Schildläusen (Coccus) repräsentirt. Die Untersuchungen über diese seltsamen Thiere sind bei Weitem noch nicht abgeschlossen, indem man namentlich über den Punkt noch nicht im Reinen ist, ob eine geflügelte Generation, welche äußerst klein ist und keinen Schnabel besitzt, wirklich, wie man bisher glaubte, dem männlichen Geschlechte angehört. Neuere Untersuchungen lassen vermuthen, daß diese kleinen geflügelten Dinger vielmehr ebenfalls Weibchen sind, welche die Bestimmung haben, die Colonien auf andere Pflanzen zu übertragen.
Genauer bekannt sind eigentlich nur die schildförmigen, seßhaften, ungeflügelten Weibchen, welche an vielen Pflanzen, namentlich Rosen, Pfirsichen, Pomeranzen, Reben, Eichen sich finden und in ihrer äußeren Form bald einer Linse, einem breiten Schiffchen oder einem Schilde gleichen. Der braunen Farbe wegen sehen diese Thierchen meist einer Warze oder einem Auswuchse ähnlich, und an den Rosen namentlich werden sie leicht mit einem nicht ausgebildeten Dorne verwechselt. Untersucht man das regungslos an das Gewächs geheftete Thier, so sieht man, daß es auf der unteren Kopfseite einen Stechschnabel besitzt, mit welchem es sich in die Rinde eingebohrt hat, sodaß man es häufig nur nach Zerbrechen dieses Schnabels loslösen kann; daß seine Beine meist verkümmert, die Geschlechtsteile dagegen außerordentlich entwickelt sind. Die so gestalteten Weibchen legen nun ihre Eier unter ihren eigenen Körper und decken dies Häufchen vollständig wie ein Schild selbst nach ihrem Tode, der nach beendigter Fortpflanzung eintritt. Sie trocknen ganz aus und bilden nun ein horniges Blättchen, unter welchem manchmal Tausende von Eiern geschützt liegen. Die Jungen, welche nach wenigen Tagen hervorkriechen, laufen anfänglich sehr hurtig umher, setzen sich aber nach mehrfacher Häutung fest, um dann ebenso wie die Alten der Fortpflanzung obzuliegen. Vor Allem haben die Pfirsichbaume, sowie die Orangen, Citronen und Oleander, die wir in unseren Kalthäusern ziehen, außerordentlich unter diesen Schildläusen zu leiden, die man nur schwierig mittelst energischen Abbürstens entfernen kann.
- ↑ WS: fehlende Klammer ergänzt