Textdaten
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Autor: Carl Vogt
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Titel: Netzflügler. Fliegen oder Zweiflügler
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 397–399
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[397]
Vorlesungen über nützliche, verkannte und verleumdete Thiere.
Von Carl Vogt in Genf.
Nr. 10. Netzflügler. Fliegen oder Zweiflügler.

Das Nationalgefühl, die Schaben in Rußland und Gogol’s „Todte Seelen“. – Libellen, Wasserjungfern und Schneider. – Ameisenlöwen. – Fliegen aller Art. – Schluß.

 Meine Herren!

Das Nationalgefühl ist ein schönes und edles Gefühl – es erhebt die Herzen und stählt das Vertrauen, indem es uns erlaubt, uns als Glieder einer großen Familie zu fühlen, von welcher wir wissen, daß sie den Wahlspruch hat und in’s Werk setzt: Einer für Alle – Alle für Einen! Ich lobe diejenigen, welche namentlich im Auslande das Banner ihres Volkes hochtragen, seine Ansprüche vertheidigen, seine Eigenschaften in glänzendes Licht setzen.

Wenn aber dies Nationalgefühl so weit geht, daß es blind macht gegen die Uebelstände und Fehler, welche bei jedem Volke wie bei jedem Menschen sich zeigen; wenn es so weit geht, Thatsachen zu leugnen und sogar von Anderen zu verlangen, daß diese ebenfalls unwahr sein sollen, damit ja nicht irgend ein Schattenflecken im Gemälde sich zeige; wenn es kitzlig wird, wie der Handwerksbursche in den Fliegenden Blättern, dem der Zeigefinger am Wegweiser eine Grimasse und einen Seitensprung abnöthigt: so ist es Zeit, solchen Ausschreitungen entgegenzutreten.

Ich erzählte in der vorigen Vorlesung von den Schaben und ihrer ungemeinen Häufigkeit in Rußland. Es konnte mir im Traume nicht einfallen, daß es Personen geben könne, welche sich in ihrem nationalen Ehrgefühl durch die naturgeschichtliche Thatsache beleidigt oder wenigstens gekränkt fühlen, daß es viel Schaben in ihrer Heimath gebe. Doch ist dies der Fall gewesen. Man hat mir vorgeworfen, ich übertreibe. Nachdem man mir zuerst die Existenz der Schaben rundweg abgeleugnet hatte, – versicherte man, nur in den niedrigsten Hütten gäbe es „Preußen“ und niemals in solcher Menge, wie ich behauptet hätte.

Es wird mir leicht sein, zu zeigen, daß ich da, wo ich nicht selbst gesehen, nicht selbst beobachtet habe, doch wenigstens nicht ohne Gewährsmänner in den Tag hinein geplaudert habe. Mir liegt gerade Gogol’s Roman „Die todten Seelen“ vor. Zur Zeit seines Erscheinens machte dies Buch in Rußland vielleicht noch mehr Aufsehen und jedenfalls mit größerem Rechte, als die Mysterien von Paris von Eugen Sue. Man staunte über die Wahrheit der Schilderungen, über die Feinheit der Beobachtungen, oft selbst über die Schroffheit, mit welcher die Dinge gesagt wurden; – man erkannte und erkennt jetzt noch allgemein an, daß niemals die Seiten des russischen Lebens mit solcher Treue, mit solcher unnachsichtlichen inneren Wahrheit gemalt worden seien. „Gogol,“ sagte ein Kritiker, „zog keine Glacéhandschuhe an, um mit zartem Finger die Wunden zu berühren – er schlägt oft mit der Bärentatze drein und wirft Regierung und Volk manche bittere Wahrheiten in’s Gesicht. Er ist ein glühender Patriot, der sein Vaterland liebt mit dem ganzen brennenden Enthusiasmus des Italieners, wie mit der hartnäckigen Beständigkeit des Nordländers, aber diese Liebe macht ihn gegen die bestehenden Fehler nicht blind.“

Nun, meine Herren, lesen Sie diesen Roman der Wahrheit und sagen Sie sich dann, wer Recht hat, ich oder diejenigen, die mir widersprechen. Lesen Sie die ersten zwei Seiten. Der Held der Geschichte kommt in dem ersten Gasthof der Gouvernementsstadt N. an. Der Kellner führt ihn in sein Zimmer. „Das Zimmer,“ sagt Gogol, „war ganz in der gewöhnlichen nur zu wohlbekannten Art. Der Gasthof entfernte sich in keiner Weise von dem wohlbekannten Typus der Gasthöfe in den Gouvernementsstädten, wo der Reisende für zwei Rubel täglich ein ruhiges Zimmer mit Myriaden von Schaben haben kann, die wie Pflaumen aus allen Winkeln hervorgucken.

Ich könnte Ihnen noch zwanzig ähnliche Stellen anführen, ziehe es aber vor, zu unserem Gegenstande zurückzukehren. Die naturwissenschaftliche Thatsache steht über der National-Eitelkeit, und wenn der Schweizer mir verbieten wollte, vom Schweizerbandwurm, der Creole vom Sandfloh, der Italiener vom Floh und der Isländer vom Blasenbandwurm zu reden, weil ihr nationales Haben dabei stark creditirt ist, so bliebe am Ende nichts übrig, als gänzlich zu schweigen, wie viele politische Schriftsteller es zu Zeiten der Censur thaten.

Wichtiger wohl erscheint ein anderer Vorwurf. „Sie sind am Ende Ihrer Vorlesungen,“ sagte man mir, „Sie haben alle Insecten behandelt, warum sprechen Sie nicht von den

Netzflüglern (Neuroptera)

Warum nicht, bei Gelegenheit der Schnaken, von den Wasserjungfern und Libellen, mit denen diese Thiere so viel Verwandtschaft besitzen?“

Ich gestehe, daß ich einigermaßen im Fehler bin; daß ich die Libellen wenigstens hätte erwähnen sollen. Aber ich fürchtete, in Weitläufigkeiten verwickelt zu werden, ich fürchtete, meinen Vorwurf nicht zu Ende führen, mein Versprechen nicht lösen zu können und, [398] wie man in dem Universität-Jargon zu sagen Pflegt, einen „Schwanz“ zu lassen oder über die festgesetzte Zeit hinüber diese Vorlesungen ausdehnen zu müssen. Nun habe ich aber einen geheimen Schrecken vor Schwänzen dieser Art, zumal ich in meiner Vaterstadt Gießen einst erlebte, daß der Professor des römischen Erbrechts nicht nur einen Schwanz, sondern sogar einen „Schwanz vom Schwanz“ las, daß das Erbrecht sich wie eine ewige Krankheit bis in das dritte Semester hinüberspann und vielleicht noch heute nicht zu Ende gekommen wäre, wenn nicht die Studenten endlich mit Aufbieten jeder nur möglichen Energie erklärt hätten: „Jetzt sei es genug, und wenn die letzten Römer nicht mehr vor Ostern erben könnten, so möchten sie unbeerbt zur Hölle fahren!“ Wer selbst an zwanzig Versen der Odyssee ein halbes Jahr seines Lebens bei dem langweiligsten Gymnasiallehrer gekaut und das Unglück seiner Studienfreunde genossen hat, die bei Pfannkuchen (so hieß der Selige) ein Semester hindurch über einem einzigen Berg von Habakuk oder Jesaias schwitzen mußten, der lernt heilsame Benutzung der Zeit und geht lieber über ein Capitel weg, wie der Hahn über die heißen Kohlen, als daß er wagte, sich allzusehr in das wissenschaftliche Gestrüpp mit seinen Zuhörern zu verlieren.

Die Netzflügler, so wie sie jetzt in den meisten naturgeschichtlichen Handbüchern zusammengestellt werden, sind in der That durchaus keine natürliche Gruppe. Die Libellen (Libellula), Wasserjungfern (Agrion) und Schneider (Aeschna) haben allerdings mehr mit den Geradflüglern, als mit den übrigen Netzflüglern zu thun, zu welchen man sie gewöhnlich stellt. Denn sie haben zwar netzförmig gegitterte Flügel, aber keine vollkommene Verwandlung, obgleich ihre Larve im Wasser und das vollkommene Insect fast nur in der Luft lebt, und durch diesen Mangel des Puppenzustandes, sowie durch die Structur der Kauwerkzeuge stehen sie den Geradflüglern weit näher. Alle diese unechten Netzflügler, wie man sie genannt hat, sind kühne und flüchtige Räuber, deren Larven im Wasser von Gewürm, von andern Larven und selbst jungen Fischen leben, während die schnell und kräftig fliegenden vollkommenen Insecten Fliegen, Mücken, ja selbst Bienen und Hummeln im Fluge haschen und verzehren. Sie sind also weit eher nützlich, als schädlich, und mögen namentlich den Sumpfbewohnern durch Vertilgung unangenehmer Insecten einige Dienste leisten.

Unbedingt nützlich aber sind uns einige echte Netzflügler, deren Larven sich von Insecten nähren und die durch die vollkommene Verwandlung sich sogleich von den Wasserjungfern unterscheiden.

Allen voran stehen hier die Florfliegen (Hemerobiuss), zierliche Fliegen mit vier glashellen Flügeln, welche trotz ihrer großen Flügel nur langsam flattern, überall ausruhen und an die Unterseite der Blätter ihre kleinen Eier mittelst eines außerordentlich dünnen glashellen Stieles anheften. Ein solches Ei sieht etwa wie eine sehr feine, dünne Carlsbader Stecknadel aus, dergleichen man sich zum Aufspießen der kleinsten Insecten bedient. Die Larven, welche daraus hervorkriechen, sind ekelhaft, lausförmig, nur mit längerem Hinterleibs und mit zwei langen, hakenartig gebogenen, spitzen Kinnladen versehen, welche der ganzen Länge nach von einem Canale durchbohrt sind, der sich in den Schlund öffnet. Meist sind die Larven in Maden oder auch in ihren eigenen Unrath, den sie sich auf den Rücken schieben, dicht eingehüllt, so daß sie keinen erfreulichen Anblick gewähren. Nichtsdestoweniger freut sich der Gartenliebhaber ihrer Thätigkeit, wegen deren Réaumur, der ihre Sitten studirte, sie Blattlauslöwen nannte. In der That schleichen sie auf den Blättern und unter den Blattläusen umher, die dessen kein Arg haben, schlagen plötzlich einem Opfer die Krallenkiefer in den Leib, saugen den Inhalt aus und werfen den Balg weg. So zerstören sie eine Menge von Blattläusen, in deren Vertilgung sie mit den Sonnenkäfern und Schwebfliegen wetteifern.

Interessanter noch ist die Industrie des Ameisenlöwen (Myrmelco), dessen kurze, breitleibige Larve mit zwei durchbohrten Kieferzangen bewaffnet ist, welche fast eben so lang als der Körper des Thieres sind. „Das ist ein sonderbares Thierchen,“ sagte mir eines Tages ein Hausbesitzer, indem er mir die trichterförmigen Gruben zeigte, die im feinen Sande eines Weges hart an der Wand des Hauses in einer Reihe sich zeigten, so gestellt, daß der vorspringende Dachrand sie vor dem Regen schützte. „Ich habe sie lange beobachtet,“ sagte mir der gute Mann, „und weiß jetzt Alles, was sie treiben. Jetzt sitzen sie still während einiger Monate tief im Grunde ihres Trichters, aus dem nur die gefährlichen Klammerzangen hervorragen, und harren der Ameisen und anderer Thiere, die hinabstürzen. Die packen sie dann sogleich mit ihren Klammern, saugen sie aus und werfen den leeren Balg über den Rand des Trichters hinüber. Straucheln dagegen die Thierchen nur an den abschüssigen Wänden ihres Trichters und suchen sich zu halten, so werfen sie ihnen wohl mit den Zangen ein Häufchen Sand an und bringen sie so zum Stürzen. Zerstöre ich ihnen ihre Trichter, so bauen sie in kurzer Zeit einen neuen, indem sie sich mit dem Hinterleibe mittelst kreisförmiger Bewegungen in den Sand einwühlen und denselben zu gleicher Zeit auf die Seite werfen.“ Soweit waren wohl alle Beobachtungen ganz richtig. Hinsichtlich des Verpuppens aber hatte mein Mann seltsame Begriffe, die sich vielleicht an Swedenborgianische Träumereien knüpften, von denen er ein großer Freund war. „Wenn sie so ein paar Monate gesessen haben,“ sagte er mir, „so werden sie auffallend unruhig, kriechen aus ihren Trichtern hervor und laufen, so schnell sie mit ihren kurzen Beinen können, auf dem Sande hin und her. Von der ungewohnten Anstrengung gerathen sie dann über und über in Schweiß, und da dieser Schweiß klebrig ist, so hängen sich die Sandkörnchen dran und bilden endlich eine förmliche Hülse um das Thier, das dann gänzlich in die Erde schlüpft und sich in seinem ausgeschwitzten Cocon verpuppt.“

So ist es nun wohl nicht. Da der Ameisenlöwe andere Insecten nur aussaugt und deren Säfte unmittelbar zur Ernährung seines Leibes verwendet, so würde ihm „die Natur den After nur zur Zierde“ gegeben haben, wie sich ein geistreicher Physiologe einmal ausdrückte, wenn nicht der für Nahrungsmittel unwegsame Mastdarm zum Spinnorgane umgewandelt wäre. Der Ameisenlöwe spinnt sich also, nachdem er in der That eine Zeit lang unruhig umhergelaufen, um einen passenden Ort zu finden, ein eigenes Gewebe, in welches er Sandkörnchen verwebt und worin er die Verwandlung zum vollkommenen Insecte erwartet, die nächstes Frühjahr statthat.

Doch ich beeile mich, der letzten, zahlreichen Ordnung, mit welcher wir noch zu thun haben, mich zuzuwenden. Es sind dies die

Fliegen oder Zweiflügler (Diptera).

Kaum ist es möglich, ein Insect, welches dieser Ordnung angehört, zu verkennen. Die zwei Flügel, welche mitten auf der Brust stehen, meistens groß und mächtig sind und hinter welchen als Rudimente der Hinteren Flügel zwei kleine Schwingkölbchen sich finden, welche ganz die Form jener Schlagnetze besitzen, die man zum Federballspiele benutzt; der Saugrüssel, welcher gewöhnlich weich ist und einen dickeren Rüsselkopf besitzt; die vollkommene Verwandlung aus fußlosen Larven, welche wir Maden zu nennen pflegen, charakterisiren alle der Ordnung angehörige Thiere so ausgiebig, daß bei genauerer Untersuchung keine Verwechslung möglich ist. Höchst eigenthümlich sind auch die Puppen, welche nur höchst selten, bei den Gallmücken z. B. so gemeißelt erscheinen, daß die Organe des werdenden Insectes daran sichtbar sind. Gewöhnlich haben sie die Form einer Tonne, einer Flasche oder einer Glasthräne und werden von der Haut der Larve selbst gebildet, welche eintrocknet und auf einen so kleinen Raum zusammenschnurrt, daß man beim Ausschlüpfen der Fliege kaum begreift, wie dieselbe in dem engen Tönnchen Platz finden konnte.

Die Maden sind ekelhafte Thiere. Moder und Koth, faulender Stoff, stinkendes Sumpfwasser, Schleim und Eiter sind die Umgebungen, in welchen sie sich gefallen, und meistens erscheinen sie da in großen Massen, wo die faulige Verderbniß durch Witterungseinflüsse oder andere Verhältnisse überhand genommen hat. Die stehenden Sumpfgewässer brüten jene ungeheueren Schwärme von Schnaken, Griebelmücken und Stechmücken aus, welche ebenso die Tiefebenen der heißen Zone, wie die Torfmoore der Polargegenden fast unzugänglich machen. Die faulenden Pflanzenstoffe sind die Brutstätten für eine Unzahl von Mücken, deren Heer von unserer gewöhnlichen Stubenfliege angeführt wird.

Treu meinem Programme rede ich Ihnen hier nicht von denjenigen Fliegen, welche als Schmarotzer Thiere und Menschen belästigen, nicht von den Bremsen (Tabanus), Stechfliegen (Stomoxys), Lausfliegen (Hippobosca), Schnaken (Culex) und Griebelmücken (Simulia), sowie den Flöhen, welche in der That ungeflügelte Fliegen sind, und die alle das Blut der [399] Menschen und der Thiere saugen, wobei die Weibchen namentlich durch ihre Virtuosität sich hervorthun sollen; auch nicht von den Dasselfliegen (Oestrus), welche ihre Eier an die Haut der Thiere legen und deren Larven in Eiterbeulen oder im Magen schmarotzen. Wir haben leider auf dem uns zugewiesenen Felde noch der Feinde genug, welche uns manchen Schaden zufügen.

Die Gallmücken (Cecidomyia) sind gar kleine, weiche, meist schwärzliche Thierchen mit langen Fühlhörnern, an denen Haare in Wirteln gestellt sind, so daß sie etwa wie jene Bürsten aussehen, die man zum Putzen der Flaschen benutzt. Unschuldig genug sehen die Thierchen aus, und doch gehört zu ihnen die schreckliche Hessenfliege (C. destructor), von welcher man einst irriger Weise in Nordamerika glaubte, sie sei von den armen hessischen Soldaten, welche ihr gnädiger Landesvater über’s Meer an die Schlachtbank gegen baares Geld verkaufte, mit dem Stroh nach Amerika eingeschleppt worden. Die Made lebt im Innern der Weizenhalme, die sie innen ausbohrt und so höhlt, daß sie noch vor dem Ansetzen der Aehre umfallen und faulen. In Amerika, in England, in Ungarn sind ganze Ernten von dieser furchtbaren Made vernichtet worden, die indeß nur von Zeit zu Zeit in größerer Menge auftritt.

Auf dem Birnbaume leben einige Gallmücken (C. nigra und piricola), die zugleich mit einer Trauermücke (Sciara piri) häufig den größten Theil der Birnenernte vernichten. Die Weibchen legen ihre Eier mittelst einer langen Legeröhre, die sie von außen einstechen, gewöhnlich mitten in die noch unentwickelten Blüthenknospen. Während die Blüthe sich entfaltet und die Frucht ansetzt, schlüpft die Made aus, die sich meist in der Nähe des Stiels einbohrt und sogleich nach dem Kernhause hinarbeitet, welches sie aushöhlt. Die kleinen Birnchen werden welk, schrumpfen ein, bekommen Risse und fallen endlich ab; die Maden gehen heraus, kriechen in die Erde und verpuppen sich, zuweilen selbst in den abgefallenen Birnen, wenn sie die Zeit nicht finden, dieselben zu verlassen. In manchen Jahren fallen fast sämmtliche Birnchen ab, und da die Mückchen klein und nicht sehr bemerklich sind, so giebt es kein anderes Mittel der Verheerung zu steuern, als die abgefallenen Birnchen sorgfältig zusammenzulesen und den Schweinen zu verfüttern, ehe die Maden Zeit haben, dieselben zu verlassen.

Unter den eigentlichen Fliegen, welche durch die Organisation ihrer kurzen, dreigliederigen, mit einer Borste versehenen Fühler unserer gewöhnlichen Stubenfliege ähnlich sehen, müssen wir besonders der Runkelfliege (Anthomyia conformis), der Zwiebelfliege (A. ceparum) und der Kohlfliege (A. Brassicae) erwähnen. Die Made der ersteren höhlt die Blätter der Runkelrübe aus, indem sie das Grüne wegfrißt und nur die beiden Oberhäute stehen läßt; diejenige der Zwiebelfliege frißt die Zwiebeln gänzlich aus, so daß dieselben innen verfaulen, während die Made der Kohlfliege in die Strunke der Kohlarten bohrt und diese ebenfalls zum Faulen bringt. Die unangenehmste aller dieser Fliegenarten aber ist wohl die Kirschenmade (Ortalis cerasi), welche so häufig in den Herzkirschen vorkommt. Es giebt wirklich Jahre, wo alle Herzkirschen matsch und faul werden und wo man unter Hunderten kaum eine findet, in welcher nicht eine ekelhafte gelblichweiße Made säße, welche das Fleisch aushöhlt, nachher sich zur Erde fallen läßt und in ein Tönnchen sich verwandelt, aus welchem die scheckige Fliege, die braune Querbinden auf den Flügeln trägt, im nächsten Frühjahre hervorbricht.

Auch der Käsefliege (Piophila casei) sollte ich hier noch erwähnen, da ihre feste, weißliche Made, welche wie eine Feder sich zusammenbiegt und Sprünge macht, von gar vielen Käseliebhabern für ein Erzeugniß des faulenden Käses selbst und für einen Beweis der Vortrefflichkeit der Sorte angesehen wird. Es ist wohl nicht nöthig, diese irrige Ansicht zu widerlegen und nachzuweisen, daß die Eier, aus welchen diese Maden hervorgehen, von einer verhältnißmäßig kleinen, glänzend schwarzen, glatten Fliege, deren Fühler, Beine und Stirn rothbraun gefärbt sind, an den Käse gelegt werden. Eine gut schließende Glocke, die über den Käse gestülpt wird, verhindert durchaus das Eindringen der Fliege und demnach auch die Entwickelung der Made, welche durch ihren Unrath nur den Käse verunreinigt und folglich mit vollem Rechte ein schädliches Thier genannt werden kann.

Ich würde indeß der Ordnung der Fliegen Unrecht thun, wollte ich hier zum Schlusse nicht der nützlichen Thiere erwähnen, welche sie in sich schließt. Die Schnellfliegen (Tachina), welche den Schmeißfliegen ziemlich ähnlich sehen, aber meistens noch größer und haariger sind, leisten uns nicht weniger bedeutende Dienste, als die Schlupfwespen, in Vertilgung von Raupen. Außerordentlich schnellen, schwirrenden Fluges schwärmen sie überall in Feld, Garten und Wald umher, legen ihre Eier auf die Haut der Raupen, die sie in ihren Schlupfwinkeln aufsuchen, und besetzen so gewöhnlich eine große Anzahl jener schädlichen Fresser. Die Larve bohrt sich in die Raupe ein, frißt den Fettkörper derselben auf, verpuppt sich gewöhnlich in der Raupenhaut oder auch außerhalb derselben in einer glatten Tonne, aus der nach wenigen Tagen die Fliege ausschlüpft. Auch der Mordfliegen (Asilida) dürfen wir nicht vergessen, großer Fliegen mit kurzem, wagrecht vorgestrecktem Rüssel und großen Flügeln, meist lebhaft gefärbt, welche auf andere Insecten, selbst Bienen, Jagd machen, die sie mit ihrem Rüssel durchstechen und aussaugen.

Am liebsten aber erwähne ich der Schwebfliegen (Syrphus), jener drohnenartigen, meist lebhaft gefärbten Fliegen mit dickem Kopfe und plattgedrücktem Hinterleib, welche Falken gleich lange an einem Orte in der Luft schweben, mit plötzlichem, pfeilschnellem Schusse ihre Stelle ändern, um von neuem über einem Blatte zu schweben, auf welches sie sich kaum niederlassen, während sie ein meist rothgelb gefärbtes Eichen auf seine Fläche legen. Aus diesen Eiern schlüpfen nach kurzer Zeit schön gefleckte und gefärbte Maden hervor, welche beinahe die Form eines Blutegels haben, am Hinteren, dickeren Körperende eine breite Saugscheibe besitzen und mit schnabelartigen Kiefern bewaffnet sind. Diese Maden, welche langsam, Blutegeln gleich, auf den Blättern umherschleichen, nähren sich einzig und allein von Blattläusen, und nichts kann unterhaltender sein, als ihnen bei ihrem Treiben zuzuschauen. Die Blattläuse stolpern und kriechen über ihre Feinde weg, die zusammengezogen mitten unter ihnen sitzen, als seien dieselben ganz ungefährlich. Die Made dehnt sich aus, tastet eine Zeitlang mit dem spitzen Kopfende umher, ergreift die erste beste Blattlaus mit ihren Kiefern, saugt sie aus, läßt den ausgesogenen Balg fallen, ruht eine Zeit lang und wählt sich dann ein anderes Opfer. So geht es den ganzen Tag fort, und die Larve wächst zusehends, während sich die Blattläuse in gleichem Maße vermindern. Die Tonne, in welcher die Made sich verpuppt, gleicht einer Glasthräne und springt an dem einen Ende mit einem Deckel auf. Da bei zureichender Nahrung die Maden äußerst rasch wachsen, der Puppenzustand aber nur vierzehn Tage dauert, so folgen sich mehrere Generationen dieser nützlichen Schwebfliegen in einem Sommer.




Wir sind somit an dem Schlusse dieser Vorlesungen angelangt, deren Raum leider zu beschränkt war, als daß ich mehr hätte thun können, als die Aufmerksamkeit auf eine Menge von Thatsachen zu lenken, welche die Wissenschaft auf diesem Felde kennen gelehrt hat. Wenn aber die Ernte, welche hier erzielt wurde, durch die Anstrengungen so vieler Männer, als eine ausgezeichnet reiche bezeichnet werden kann, so dürfen wir uns auf der andern Seite nicht verhehlen, daß noch unendlich viel zu thun und fast nirgends die Reihe der Beobachtungen vollständig abgeschlossen ist.

Möge das Jeder im Auge behalten, der sich für die behandelten Gegenstände interessirt, und je nach seinen Kräften dazu beitragen, die vorhandenen Lücken auszufüllen und dadurch der Menschheit selbst einen Dienst zu leisten!