Vor dem Maskenball
[100] Vor dem Maskenball. (Zu unserer Kunstbeilage.) Träumerisch
blickt sie noch einmal in den Spiegel, aber nicht mehr auf die Anordnung
ihrer Toilette bedacht. Sie denkt an ihn, sieht im Geiste seine Gestalt,
die geliebten Züge des Mannes, den sie heute auf die Probe stellen will,
auf die letzte. Wenn er die noch besteht, dann soll er ihr Jawort erhalten.
Ach, wie gern hätte sie seine Werbung schon früher damit erwidert –
aber durfte sie ihm trauen? Hatte er nicht vorher so vielen
anderen Mädchen den Hof gemacht? War er wirklich frei von Flattersinn,
er, der verwöhnte beste Walzertänzer der „Harmonie“? Hatte ihre
beste Freundin ihr nicht noch neulich beim Nachhausegehen ins Ohr geflüstert:
Nimm Dich vor dem in acht – er ist ein Schmetterling! Heute
will sie erproben, ob die Freundin recht hat mit ihrem Verdacht.
Gerade mit ihr hat sie sich verabredet, den Maskenball im Schutze der
guten immer lustigen Tante zu besuchen. Ganz heimlich – ganz inkognito.
O, sie will sich schon schlau anstellen, daß sie sein Wesen ergründet.
Und erkennen soll er sie gewiß nicht! … So redet sie sich
ein. Aber ob die Liebe nicht dennoch es fügt, daß die ernste Träumerin,
wenn sie erst am Arm des geliebten Mannes durch das Maskengedränge
dahinschreitet, sich diesem längst vor der allgemeinen Demaskierung zu
erkennen giebt – trotz Maske und Domino? p.