Die Zither und ihre Herstellung

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Titel: Die Zither und ihre Herstellung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 107-109
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Zither und ihre Herstellung.

Mit Abbildungen von M. Ledeli.

Im deutschen Hochgebirg, in den Dörfern und Almhütten der deutschen und österreichischen Alpen ist von alters her ein Saiteninstrument heimisch, dessen Klang in uns Städtern wie mit Zaubermacht die Poesie des ursprünglichen frischen Lebens da droben heraufbeschwört. Unsere Vorliebe für die Alpenwelt ist auch der Zither zu gute gekommen; mit den Liedern unserer Gebirgsbauern ist auch sie überall in deutschen Landen zu großer Volkstümlichkeit gelangt; in jeder größeren deutschen Stadt giebt es Zithervereine, in denen das Spiel auf diesem Instrument mit Begeisterung gepflegt wird; wie es klingt, wie es aussieht, ist jedermann bekannt.

So wird auch vielen willkommen sein, einmal im Zusammenhang etwas von der Geschichte und der Herstellungsweise der Zither zu erfahren.

Was ihr Alter betrifft, so geht es dem bäuerlichen Instrument wie den Bauern selbst mit ihren Stammbäumen. Auch der Bauer hat eine Ahnenreihe, die ununterbrochen in die Vergangenheit zurückreicht, aber es fehlen ihm die geschichtlichen Aufzeichnungen, auf die sich der Adel für seine Vorfahren berufen kann. Unter den Musikinstrumenten, deren Anfänge bis zu den ersten Regungen menschlicher Kultur hinaufreichen, haben Harfen und Flöten den verbürgtesten Stammbaum. Die Zither – obgleich eine Verwandte der „königlichen“ Harfe – gestattet eine strenge Zurückverfolgung ihrer Ahnen nur auf ein paar Menschenalter, obwohl anzunehmen ist, daß sich die Entstehung ihrer heutigen Form langsam und stufenweise vorbereitet hat. Zweifellos ist nur das Eine, daß der Name „Zither“ weit älter ist als das Instrument, welches heutzutage denselben führt.

Wir folgen dem hervorragenden Kenner auf dem Gebiete der Geschichte der Musikinstrumente, dem Kustos der Instrumentensammlung der königlichen Hochschule für Musik in Berlin Oskar Fleischer, um kurz darzulegen, was die Forschung uns über das Verhältnis der Zither zu ihrem Namen zu sagen hat.

Unter Cithara verstand das Mittelalter ein Musikinstrument mit wagerecht liegendem Resonanzboden und darüber gespannten Saiten, die von oben her angeschlagen wurden. Der Name war dem Griechischen entlehnt und wurde im Laufe der Zeiten mehreren verschiedenartigen Saiteninstrumenten in mannigfacher Umgestaltung beigelegt. Im Griechischen gab es zwei Formen: kitharis und kithára. Erstere ward zu cithara und im Deutschen zu Zither, letztere im Französischen zu Guitarre. Wie zwei Sprachformen, so liegen auch zwei Instrumentenformen den Zitherarten zu Grunde. Die eine geht zurück auf ein geradliniges, die andre auf ein Instrument mit fast kreisförmigem Schallkörper. Die geradlinige Form liegt deutlich vor im Scheitholt, einem schon im 16. Jahrhundert sehr volkstümlichen Begleitinstrumente, aus welchem sich die bayerische, heute in Deutschland fast allein gebrauchte Zither mit ihren mannigfachen Abarten entwickelt hat. Die andre, die runde Form, die altdeutsche Zither, wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch die romanische Guitarre und diese durch die bayerische Zither verdrängt.

Als kennzeichnende Eigenschaften hebt Fleischer hervor den wagerecht liegenden Resonanzboden und die der Hauptsache nach geradlinige Form. Außer diesen Merkmalen sind für die heutige Zither noch bezeichnend: einmal die Trennung der Saiten in eine kleinere Gruppe von Melodie- und eine zahlreichere Gruppe von Begleitungssaiten und ferner die Einteilung des unter den Melodiesaiten liegenden Griffbrettes durch sogenannte „Bünde“. Unter „Bünden“ aber versteht man kleine, senkrecht zur Richtung der Saiten angebrachte Metallstege, welche, nach Halb- und Ganztonentfernungen angeordnet, beim Niederdrücken der Saite eine Verkürzung derselben, entsprechend einer bestimmten Tonhöhe, bewirken. Also nicht der Finger, wie bei der Violine und andren Streichinstrumenten, sondern dieser „Bund“ bestimmt den Punkt, an welchem die Saite fixiert und dadurch in Länge und Ton verändert wird.

Faßt man all das ins Auge, so ist leicht einzusehen, daß sämtliche vermeintliche Vorläufer der Zither mit diesem modernen Instrumente in äußerst loser Verbindung stehen. Mit etlichen guitarrenartigen Musikwerkzeugen hat die Zither nur die Begrenzung des Schallkastens durch zwei parallele Hauptflächen und die Verwendung der „Bünde“, mit dem Hackbrett (das eine [108] Menge von exotischen Verwandten aufweist) außer diesen beiden Flächen auch noch die Besaitungsart gemein. Verschiedene Ueberlieferungen haben sich also wohl vereinigt, um einen neuen Typus zu schaffen. Um den Ausgang des 17. Jahrhunderts scheinen Zithern gleichzeitig in verschiedenen Ländern gebaut worden zu sein. Auf der Wiener Musik- und Theaterausstellung 1892 konnte man eine Zither von Joachim Tilke in Hamburg (1660 bis 1730) sehen, die 5 Paar Metallsaiten und 18 Bünde besaß; daneben eine alte norwegische Zither von Anders Regnaldsen Kloeive in Bergen mit ebensovielen Saiten. Beide Instrumente waren durch einen „Hals“ verlängert. Nicht weit davon lagen eine alte dänische Zither (sogenannte Humble, „Hummel“) und eine aus unsrer Zeit stammende portugiesische Zither von Mano el Pereira in Lissabon. Daß auch der Orient in der Hervorbringung ähnlicher Instrumente – und zwar wahrscheinlich unabhängig von den abendländischen Konstruktionen – nicht zurückblieb, zeigten die verschiedenen in dem ethnographischen Teil jener Ausstellung vorhandenen zitherartigen Instrumente. „Sitar“ nennt sich, stark an „Zither“ anklingend, ein bei den mohammedanischen Indern gebräuchliches Saiteninstrument. Das japanische Koto, das chinesische Chin, das arabische Santir, das Santur der Bulgaren haben freilich größere Verwandtschaft mit dem „Hackbrett“ und sind ohne Griffbrett und Bünde. Immerhin aber ist auch bei ihnen eine Verwandtschaft mit der Zither nicht abzuleugnen, besonders, da sich die moderne Zither nicht unmerklich gerade nach Seite des Hackbrettes hin ausgebildet hat.

Alte Zithern.

Der Ruhm, die Form der bayerischen Zither ausgebildet zu haben, gebührt dem Marktflecken Mittenwald im bayerischen Hochgebirg, dem berühmten Geigenmacherort, wo noch heute die Herstellung von aller Art Saiteninstrumenten den Gegenstand einer regen Hausindustrie bildet. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts hatten die Mittenwalder Zithern die Form von Lauten ohne Hals, wobei der Kasten entweder die beiden seitlichen Ausbauchungen der Guitarre aufwies oder lyraartig gestaltet war. Die älteren Wiener Zithernbauer arbeiteten ebenfalls nach diesen Formen. Genannt wird von letzteren ein Anton Rehrer, „Ziternmacher im tieffen Graben 133“ in Wien (um 1770). Die um dieselbe Zeit geschaffene „Halleiner oder Pinzgauer Zither“ weicht von obiger Form ab; sie hat einen schmalen Hals, der sich gegen die Wirbel hin verengt.

Unsere obenstehende Abbildung stellt mehrere ältere Zitherformen zusammen. Die Originale befinden sich im Besitze der Wiener Zitherfabrik von Anton Kiendl. Figur 1 ist eine „Gebirgszither“ von sehr einfacher Form, die aber dadurch auffällt, daß die in der Decke angebrachten Klangöffnungen die Form der F-Löcher der Violine besitzen, was zu den größten Seltenheiten gehört. Figur 2 ist eine Halleiner Zither von eleganter Form. Auch Figur 3 zeigt den letzteren Typus. Die kurzen Melodiesaiten erinnern an die Abstammung dieser Form vom Hackbrett. Figur 4 zeigt eine Halleiner Zither von hübscher Form, die, gleich den in Fig. 2 und 3 abgebildeten Instrumenten, mit einem zweiten Chor kürzerer Melodiesaiten versehen ist. Figur 5 ist namentlich dadurch merkwürdig, daß das Instrument, – ein roh und bäuerisch gearbeitetes Stück eigentlich aus zwei nebeneinander gekoppelten Zithern besteht. Offenbar der Einfall eines weltabgeschiedenen, intelligenten Gebirglers.

Die heutige Zither bekam ihre Form durch den in Mittenwald geborenen, anfangs in München als Geigen- und Lautenmacher arbeitenden, 1843 nach Wien übergesiedelten Anton Kiendl, dessen Etablissement kürzlich den 50. Jahrestag seines Bestehens begangen hat. Zur Zeit der Begründung war durch einen begabten Mann, den Wiener Wirtssohn Joh. Petzmayer, das Zitherspiel in Wien ungemein in Mode gekommen. Der Hof, die bürgerlichen Kreise, hoch und niedrig, begannen sich für dasselbe zu interessieren, und Kiendl, der eine gewisse Vorliebe für das Instrument aus seiner Mittenwalder Heimat mitgebracht haben mochte, erkannte den Zeitpunkt als günstig, um sich in der Kaiserstadt niederzulassen. Obwohl er auch hier zuerst vornehmlich Lauten baute, so warf er sich doch bald mit aller Kraft auf die Zitherfabrikation, und in regem Verkehr mit Petzmayer stehend und von diesem beeinflußt, kam er in kurzer Zeit darauf, die im wesentlichen bis heute beibehaltene Form festzustellen, deren Typus unsere zweite Instrumentengruppe in Figur 2 darstellt. Auf Anregung seines Freundes Barth konstruierte er noch die – wesentlich größere – Baß- oder Elegiezither (ebenda, Figur 1), dann die Konzertzither, welche die Mitte zwischen dieser und der gewöhnlichen hält (Figur 3), 1823 mit Petzmayer zusammen die Streichzither, und zwar in zwei Größen, in Violin- und Violastimmung. Eine solche ist in Figur 4 abgebildet.

Moderne Zithern.

Die Art der Erzeugung dieser modernen Zithern – wir folgen hier der Methode, nach der sie in Ant. Kiendls Instrumenten-und Saitenfabrik in Wien hergestellt werden – ist mühseliger und umständlicher, als man vermuten sollte. Das wichtigste Material dazu ist das Resonanzholz, Fichtenholz aus dem Gebirge, bei dessen Beschaffung mannigfache Rücksichten zu nehmen sind. So ist z. B. nur solches Holz zu gebrauchen, das infolge mageren Bodens und hoher Lage langsam gewachsen ist, daher dicht aneinander liegende Jahresringe aufweist, und dessen Fasern möglichst geradlinig und nicht in Schraubenlinien gedreht erscheinen. Die aus solchen Stämmen nach einem bestimmten System gewonnenen Tafelstücke, aus denen man Böden und Decke der Zither zusammensetzt, müssen zuvor aber lange lagern, um genügend auszutrocknen. Das Gleiche hat mit den zusammengestellten Platten zu geschehen. In Kiendls Fabrik stehen Hunderte und aber Hunderte solcher Lamellen, wie die Bücher einer Bibliothek – wenn auch mit kleinen für den Luftzutritt ausgesparten Zwischenräumen – aneinandergereiht, in den oberen Gestocken der Arbeitsräume. – In ähnlicher Weise wird auch das Fournierholz (Palisander-, Ahorn-, Rosen- oder [109] Ebenholz), mit welchem später der Körper des Instruments um des schöneren Aussehens willen belegt wird, zum möglichst vollständigen Austrocknen gebracht. –

In der Tischlerei.

Sind aus den so vorbereiteten Tafeln der flache Boden und die sanft gewölbte Decke hergestellt worden, so werden sie durch die niedrigen aufrechtstehenden Holzleisten, die „Zargen“, miteinander verbunden, wodurch das „Corpus“ entsteht. Diese „Körper“ werden dann wieder bis zur Ausfertigung des Instrumentes dem natürlichen Lufttrockenprozesse unterworfen, worauf mit der Bohrmaschine die Löcher für die Stimmnägel eingebohrt werden. Um das Instrument zu vollenden, wird das Griffbrett auf der geraden Seite des Corpus glatt angeleimt, auf demselben die Einteilung nach Tönen und Halbtönen vorgenommen – die heikelste Arbeit beim Ganzen – die „Bünde“ werden eingesetzt, die Zither poliert, mit Stimmnägeln versehen und endlich mit Saiten bespannt. Es vergehen oft 10, 20 und mehr Jahre, ehe das als einfaches Spaltholz in die Fabrik eingelieferte Material zu kunstvollen Instrumenten verarbeitet das Haus des Meisters verläßt. Auch ist durch diese umständliche Prozedur erklärlich, warum die Firma Kiendl in den ersten 50 Jahren ihres Bestehens nicht mehr als 25 000 Zithern geliefert hat. Die schon mehrfach erwähnten Bünde weisen noch eine Eigentümlichkeit auf, die einer näheren Darlegung wert erscheint. Da nämlich die Ganz- und Halbtöne bei den verschieden dicken Melodiesaiten nicht genau nebeneinanderliegen, es aber wünschenswert ist, daß die Bünde senkrecht zur Richtung der Saiten über die ganze Breite des Griffbrettes reichen, hat Kiendl die Bünde von den höheren gegen die tieferen Saiten zu geneigt konstruiert, so daß die dickeren Saiten tiefer herabgedrückt werden als die höheren.

Das Material, aus dem die Saiten hergestellt werden, ist teils Metall, Stahl, Messing, oder eine eigene Legierung („Komposition“), teils Darm, teils übersponnene Seide. Die Begleitungssaiten sind von der letzteren Art. Sie werden aus äußerst feinen Naturseidenfäden – je nach der Stärke aus wenigen oder vielen – zusammengelegt und dieser Seidenkern wird sodann mit Kupfer- oder Silberdraht übersponnen. Die Abbildung zur Rechten veranschaulicht diesen Vorgang. Welche Menge von solchem Draht sich auf einer Zither befindet, mag man daraus ersehen, daß die dünnste Saite der Konzertzither von etwa 60cm Länge zur Ueberspinnung eine Drahtlänge von ungefähr 15 Metern erfordert, wobei sich der Draht etwa 7000 mal um den Seidenkern windet.

Einbohren der Löcher für die Stimmnägel.

Die Zahl und Stimmung der Melodie- und Begleitungssaiten ist nicht gleich. Verschiedene Fabriken, verschiedene Zithermeister sind darüber verschiedenster Ansicht, und es hat gerade dieser mit der Harmonie in so naher Beziehung stehende Punkt manche Disharmonie in den betreffenden Kreisen hervorgerufen. Kiendl liefert Zithern mit „Wiener Stimmung“ (a d g e C) und solche mit „Münchener“ oder „Berliner Stimmung“ (a a d g C), erstere mit 31, letztere mit 33 Begleitungssaiten.

Ein Wort noch über die Leistungsfähigkeit der Zither, einen seit jeher vielumstrittenen Punkt. Während ihr die einen alles Mögliche, ja, noch lieber, alles Unmögliche zutrauen, wollen die andern ihr schier die Daseinsberechtigung absprechen. Keines von beiden dürfte richtig sein. Wer der Meinung ist, man könne Beethovensche Sonaten oder Symphonien ungestraft auf die Zither übertragen, überschätzt das Instrument. Die ganze Konstruktion widerstrebt der Wiedergabe komplizierter, polyphoner Tonwerke, der kurze Ton, die durch nichts zu verändernde Klangfarbe stellen sich den wichtigsten Anforderungen solcher Werke entgegen. Daß ein Zithermeister sogar den Versuch wagte, Wagners „Tristan und Isolde“ für die Zitherlitteratur zu gewinnen, zeigt nur, daß auch gut in die Sache Eingeweihte vor Verirrungen nicht sicher sind. Als Instrument der Gemütlichkeit aber, als Organ zur Wiedergabe einfacher Volksweisen, namentlich älplerischer Lieder, zur Begleitung einfachen Gesanges eignet sich die Zither ganz besonders, und darauf sollte immer hauptsächlich Rücksicht genommen werden. In jede Dachkammer, wo niemals ein Klavier Platz fände, ins waldferne Jägerhaus, in die Alpenhütte läßt sich leicht die Zither mitnehmen und mit ihr ein Quell der Behaglichkeit, der Freude. Mit der eigentlichen Heimat der Zither, dem Gebirge, hängt auch ihre beste Kraft zusammen. Das freundliche, anspruchslose Instrument sollte sich seiner Herkunft nie schämen. Künsteleien entstellen dasselbe und machen aus dem gesunden, einfachen Kind der Berge einen – Salontiroler. J. E.     

Das Umspinnen der Saiten.