Vor dem Aufstande in Tirol
[292] Vor dem Aufstande in Tirol. (Mit Illustration S. 288 u. 289. Das Land Tirol war durch den Frieden zu Preßburg im Jahre 1805 an Baiern gekommen, und zwar mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß dessen Titel, Verfassung und Rechte unperändert gewahrt bleiben sollten, wie solche ehedem unter Oesterreich bestanden hatten.
Aber die neuen Herrscher legten die Gesetze zu Ungunsten des Tiroler Volkes aus, und bald begann man im Lande gegen Steuerdruck, ungerechtes Ausheben zum Militär und sogar gegen religiöse Verfolgungen zu murren. Da die Klagen der Tiroler in München nicht berücksichtigt wurden, so wuchs die Unzufriedenheit, und allmähllch begann das Feuer des Aufruhrs im Verborgenen zu glimmen und verbreitete sich immer weiter und weiter durch’s ganze Land. Das Jahr 1809 kam heran. Da und dort in einschichten Höfen und abgelegenen Wirthshäusern fanden sich die Bauern heimlich zusammen und beratschlagten mit dem Sandwirth Hofer, der erst vor Kurzem insgeheim beim Erzherzoge Johann in Wien gewesen. Was jedoch eigentlich in diesen Zusammenkünften verhandelt wurde, blieb jedem Uneingeweihten ein Geheimniß.
Im Gebirge wurden mittlerweile an wenig besuchten Orten Waffen und Munitionsvorräthe aufgehäuft, und Schmiede, die man in’s Vertrauen gezogen, arbeiteten in verborgenen Werkstätten an Sensen, Hellebarden und Morgensternen, oder bohrten hölzerne Kanonen aus Baumstämmen und beschlugen sie mit eisernen Reifen. So wurde in der Stille Alles zu einem Aufstande vorbereitet, und Weiber und Kinder trugen die Ordres der Bauerncommandanten in die entlegensten Thäler hin. –
Dies sind die historischen Momente, welche Defregger zu seinem Gemälde „Vor dem Aufstande in Tirol“ benützt hat.
Der Künstler führt uns in eine jener geheimen Waffenschmieden im Gebirge. Das Mädchen links im Bilde hat soeben eine Depesche gebracht, ohne Zweifel vom Sandwirth selbst, welche nun der alte Werkmeister seinen vertrauten Genossen vorliest. Der Inhalt derselben ist jedenfalls ein höchst wichtiger. „Auf, es ist Zeit!“ mag die Losung lauten. Grimm gegen die fremden Zwingherren und entschlossener Muth, zu siegen oder zu sterben, malt sich deshalb in den Gesichtern dieser Männer. Selbst der junge Bursche, den vielleicht sein Vater in diesen Kreis geführt, sieht voll kecker Streitlust in den offenen Brief und scheint mit ungeduldiger Neugier die Zeilen vorauszulesen, welche der Alte eben langsam entziffert. Auch der Geishirt, der wahrscheinlich in der Nähe der Schmiede seine Heerde gehütet hat, ist herbeigekommen. Er gehört gleichfalls zu den Eingeweihten, und trotz seines Alters wird er noch wacker mit helfen, wenn es gilt, den verhaßten Feind aus dem Lande zu jagen.
Die hübsche Botengängerin ist wohl noch zu jung, um das kriegerische Treiben der Männer vollständig würdigen zu können. Jedoch das Schicksal ihrer Heimath ist auch ihr nicht gleichgültig, und durchdrungen von der Wichtigkeit ihres Dienstes, hört sie auf den Inhalt des Schreibens, welches sie soeben überbracht hat. An ihrer Seite steht schmeichelnd der Hund, der vielleicht auf dem Weg über’s Gebirge ihr treuer Beschützer gewesen.
Die Werkstätte selbst, in der sich die Scene mit dramatischem Leben abspielt, ist theilweise in eine Felsenhöhle hineingebaut. Allerlei neu gefertigte Waffen liegen darin umher, und von der Wand herab schaut das
Bildniß der siegspendenden „Muttergottes von Kaltenbrunn“.