Von drei großen Zauberern
Von drei großen Zauberern.
Ein großer Zaubrer ging einmal
Auf Wanderschaft durch Berg und Thal,
Trug eine Mappe in der Hand
Und einen[WS 1] Hut mit breitem Rand,
Von seinen Wundern ist die Mähr
Durch’s weite, weite Land umher
Auch bis zu mir gedrungen.
Das muß doch wohl ein Zaubrer sein:
Er holt mit seinem Zauberstab
Vom Himmel Mond und Steril’ herab
Und kann die Wolken haschen.
Er greift, und macht sich nicht ’mal naß,
In seiner Mappe Taschen.
Ihm ist zu hoch kein Alpenschnee,
Kein Strom zu wild, zu tief kein See;
Wo er sich setzt auf grüner Flur,
Ein Weilchen aufzuklappen,
Dann nimmt sein Stäbchen er geschwind,
Und Wald und Felder, Schaf und Rind –
Husch! sitzen sie in der Mappen!
An Land und Leuten ihm gefällt,
Sei es des Königs Prunkgemach,
Sei es des Bettlers niedres Dach,
Sei’s Ritter oder Knappe –
Und fertig ist die Zauberei
Er steckt sie in die Mappe.
Der Reiter auf behendem Roß,
Im Sturmesschritt der Krieger Troß,
Sind sicher nicht im schnellsten Flug
Vor seiner Zauberklappe,
Der Hirsch im Sprunge, Schwalb’ und Spatz,
Auf hohem Dach die schwarze Katz –
Die Rose sammt dem Falter d’ran –
Er lockt sie mit dem Stab heran.
Die Blumen rings in Wald und Au
Mit all’ den tausend Tröpfchen Thau,
Das Bienchen, das im Kelch sich stärkt,
Sie alle sind, eh’ sie’s bemerkt,
Vom Zauber schon gefangen.
Und wo da scherzt ein glücklich Paar –
Ihr Kinder all’ mit feur’gem Blut
Und feur’gem Aug’ – seid auf der Hut,
Daß er euch nicht ertappe!
Ihr Mägdlein, hold von Angesicht –
Ihr müßt in seine Mappe!
Der Zaubrer also ging einmal
Auf Wanderschaft durch Berg und Thal,
Er hatte auf seinem kurzen Gang
Und wollte zur Rast sich legen.
Wollt’ träumen einen Zaubertraum,
Da kam vom nahen Waldessaum
Ein Wandrer ihm entgegen.
Sah aus gar fremd und wundersam;
Er trug ein Büchlein in der Hand
Und einen Hut mit breitem Rand,
Von grünem Band umwunden,
Das ihm auf hoher Alm mit Fleiß
Die Sennerin gebunden.
„Grüß Gott,“ sprach er, „seid Ihr der Mann,
Der Alles schier verzaubern kann?“
„Mein lieber Fremdling, ja, ich bin
Der Herr von Licht und Schatten;
Die halbe Welt schon trag’ ich schier
In meiner Mappe – doch wer seid Ihr?
Der Fremdling spricht und lacht dazu:
„Ich bin ein Zaubrer, just wie Du,
Wie Du zieh’ ich von Land zu Land,
Und selbst zu fernster Meere Strand
Und zog’ zum Nordpol ich hinaus –
Wohin ich komm’, bin ich zu Haus –
Ich kenne alle Sprachen.
Ich weiß, was in der Tanne dicht
Was aus des Finken Ruf erklingt,
Was hoch im Blau die Lerche singt
Und was die Drosseln schlagen.
Was Elster und Kiebitz im Moor,
Ich kann’s genau Dir sagen!
Ich weiß, was mit der Sehnsucht Schall
Im Dickicht klagt die Nachtigall,
Und was die Falter flüstern sacht,
Entsteigt der Blumen Seele.
Denn merke, wenn Du’s noch nicht weißt:
In jedem Blümchen steckt ein Geist –
Der steht mir zu Befehle.
Hier in dem kleinen Büchlein hab’,
Ist an geheimen Kräften reich;
Er öffnet mir den Berg sogleich
Und kann den Felsen brechen.
Und wenn ich will, muß dieser Stein
Vertraulich mit mir sprechen!
Was in des Windes Säuseln rauscht –
Nur ich versteh’s, ich hab’s erlauscht!
Sich hebt die bleiche Wasserfee,
Umtanzt von den Libellen,
Dann hör’ ich, was von Lieb’ und Leid
Und von smaragdner Herrlichkeit
Ich höre, wenn am Himmel fern
Erglänzen heimlich Stern um Stern,
Manch’ still Gebet’ die Luft durchzieh’n;
Mir ward von Gott die Kunst verlieh’n,
Und was da lebt an Leid und Lust
Und Hoffnung in der Menschenbrust –
Ich weiß es Dir zu künden!“
Der erste Zaubrer nun begann:
Komm, laß uns wandern jetzt selband!
Ich fange für Dich in jedem Land
Das Schönste mit meinem Stabe;
Doch Du lehrst mich der Stimmen Schall
Mit Deiner Wundergabe!“
Als sie nun zogen durch den Tann,
Da kam ein dritter Wandersmann.
An seinem Arm ein hölzern Ding,
Und auf dem Hütlein droben
Ein frisches Sträußlein saß gar kühn,
Aus Maßlieb und aus Immergrün
Von schöner Hand gewoben.
Ob Ihr die großen Zaub’rer seid,
Bekannt im Volke rings umher,
Genannt mit hoher Scheu und Ehr’,
Der seltnen Wunder wegen?
Nehmt mich als Dritten auf im Bund
Ich grüß’ Euch als Collegen!
Kennt Ihr mich nicht? – Mit meinem Stab
Hol’ ich der Sphären Klang herab,
Zum Himmel wieder ihn empor,
In Tönen rein und helle,
Geb’ Flügel auch dem Menschenwort:
Es fliegt zum Lichte fort und fort,
Was dort am Rad die Spinn’rin singt,
Was an des Kindleins Wieg’ erklingt,
Was klagend tönt aus Thales Grund,
Und was in froher Zecher Rund’
Und was beim gold’nen Erntekranz
Die Schnitter ruft zum lust’gen Tanz –
Mein Werk ist’s, könnt’ mir’s glauben!“
Der zweite Zaub’rer spricht: „Ist’s wahr?
Noch nie gescheh’n ist sicherlich,
Daß drei gewalt’ge Zaub’rer sich
Getroffen so auf Reisen!
Erlaubt mir nur die Frag’, ich bitt’,
Wollt Ihr uns das beweisen?“
„Womit? Dein Zweifel macht mir Spaß.
Womit? Nichts leichter doch als das! –
Will Euch, Ihr Herren, mit Vergunst
Und meiner Wunder zeigen!
Gieb mir das Lied, das Du erdacht
Zum Himmel soll’s sogleich mit Macht
Gleich einem Vöglein steigen!“
Da steigt ein Liedlein, wunderhold,
Empor, als wär’s ein Vögelein,
Und singt frisch in die Welt hinein
Bald mächtig laut, bald leise.
Die Zaub’rer selbst steh’n wie behext
Und lauschen der Sangesweise.
Und endlich singen alle Drei
Entzückt die liebliche Melodei,
Der Felsen lauscht und singt es nach
Das Liedlein frisch und heiter,
Die Vöglein lauschen im Neste all’
Und tragen den wonnigen Wiederhall
Wo mögen wohl – so fragt Ihr nun –
Die Zaub’rer solche Wunder thun? –
Habt Acht! ich mach’ es Euch bekannt!
Der Erste malt sie auf Leinewand,
Der Dritte ist ein Musicus!
Mein Liedlein aber ist am Schluß – –
Das ist die Zaubergeschichte.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: einem