Von der Deutschen Allgemeinen Ausstellung für Unfallverhütung

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Autor: Carl Falkenhorst
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Titel: Von der Deutschen Allgemeinen Ausstellung für Unfallverhütung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 31 u. 42, S. 523–527, 717–719
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Von der Deutschen Allgemeinen Ausstellung für Unfallverhütung.

Von C. Falkenhorst. Mit Abbildungen von A. Holm und A. v. Roeßler.
I.

Sechs Jahre sind verflossen, seitdem sich die Thore des Ausstellungsgebäudes am Lehrter Bahnhof zu Berlin für alle diejenigen öffneten, die bestrebt waren, ihren Nächsten bei Unglücksfällen Hilfe zu bringen und das theuerste Gut, die Gesundheit, zu schützen. Mit froher Zuversicht hatte man damals, dem Vorgange Belgiens folgend, eine „Allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygieine und des Rettungswesens“ ins Leben gerufen. Wir wissen heute, daß alle Hoffnungen, die man an dieses gemeinnützige Unternehmen knüpfte, in Erfüllung gegangen sind, und das Hygieine-Museum in Berlin, die unerschöpfliche Quelle der Belehrung für die Wächter der öffentlichen Gesundheitspflege, ist ein Kind jener Ausstellung.

Heute drängt sich wieder der breite Menschenstrom in die festlich geschmückten Hallen, in denen Dampf und Gas tausend Räder schwirren lassen und das elektrische Licht weite Säle, Taucherbecken und Bergwerke erleuchtet. Müßige Neugierde lockt wohl viele der Besucher heran, aber keiner von ihnen verläßt die Räume ohne das erhebende Bewußtsein, ein seltenes Bild edelster Bestrebungen geschaut zu haben.

Wir sind gewohnt, den kriegerischen Siegen die Errungenschaften des Friedens entgegenzustellen: dem rauhen Kriegsgott gegenüber erscheint der Friede als ein holder zarter Knabe, Dichter singen so und preisen ihn in solchen Gleichnissen – vom Huf der Rosse zerstampfte Felder, Todte und Verwundete, brennende Dörfer, das sind die schauerlichen Wappenbilder des Schlachtengottes, lachende Fluren, glückliche Menschen umgeben den Friedensgenius. Wir vergessen zu leicht, daß auch die friedlichen Eroberungen nur im schweren Kampfe vollzogen werden können, daß die Nationen auch auf diesem Gebiete der Arbeit ihre Verlustlisten aufzuweisen haben, daß auch hier Todte und Verwundete auf dem Ringplatze liegen bleiben. Daran erinnert jeden die neue „Deutsche Allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung“, und wer im Mittelpunkt der Ausstellungshalle stehen bleibt und die statistischen Tafeln über die Ergebnisse der Unfallversicherung im Deutschen Reiche 1887 prüft, der erfährt, daß in dem einen Jahre allein in den Berufsgenossenschaften und Staatsbetrieben 17 102 Menschen getödtet oder schwer verletzt wurden, daß 7083 Witwen und Waisen den Verlust ihres Ernährers zu betrauern hatten, und daß 115 579 weniger oder mehr Verletzte in die Verlustlisten des großen arbeitenden Heeres eingetragen werden mußten.

Diese Zahlen sprechen deutlich und ihr Bekanntwerden gab auch die Veranlassung zu dieser Ausstellung. Unsere Gesetzgebung hat durch das Unfallversicherungsgesetz das Los der Verunglückten und deren Hinterbliebenen sicherzustellen gesucht, und als infolge dessen die einzelnen Berufsgenossenschaften zu prüfen anfingen, in welchem Maße die Arbeiter in den Einzelbetrieben der Gefahr ausgesetzt sind, da stellte es sich heraus, daß die Brauerei- und Mälzerei-Berufsgenossenschaft die höchste Unfallziffer zu verzeichnen hatte. Die Leiter dieser Genossenschaft suchten nach Mitteln, um dieser bedauerlichen Thatsache abhelfen zu können, und von ihnen, namentlich von Professor Dr. Delbrück und Direktor Max Schlesinger, ist der Gedanke ausgegangen, eine Ausstellung von Apparaten und Einrichtungen zu veranstalten, welche eine Verminderung der Unfallgefahr im Brauereibetriebe herbeizuführen geeignet erscheinen. Dieser Gedanke fand in den betheiligten Kreisen die wärmste Aufnahme, und die Berliner Brauereien erklärten sich bereit, für die erforderlichen Geldmittel aufzukommen. Kaum wurde aber dieser Plan in weiteren Kreisen bekannt, so wurde auch der Wunsch rege, das Ausstellungsunternehmen auf alle Gewerbe ohne Ausnahme auszudehnen. Die Berliner Brauereien folgten dieser Anregung, übernahmen auch die weit höhere Geldbürgschaft, und die Stadt Berlin förderte den Plan, indem sie 100 000 Mark baren Zuschuß sowie unentgeltliche Lieferung von Gas und Wasser bewilligte. Die Regierung selbst hatte von Anfang an dem Unternehmen die thatkräftigste Unterstützung angedeihen lassen und Kaiser Wilhelm II. die Schutzherrlichkeit über [524] die Ausstellung angenommen, welche so sehr geeignet erschien, das große sociale Besserungswerk, zu dem sein ruhmreicher Großvater den Grundstein gelegt hatte, zu fördern und weiter auszubauen.

Mit der Theilnahme für dieses gemeinnützige Unternehmen, das erste seiner Art in der Weltgeschichte, wuchs auch der Umfang desselben. Zu klein erschienen die Räume des alten Ausstellungsgebäudes, und es mußten neue Maschinen- und Eisenbahnhallen errichtet werden, um alles das zu bergen, was zusammengestellt werden sollte als Zeichen des Wettstreites zum Schutze der Arbeiter, der heutzutage in erfreulichster Weise in den Kreisen deutscher Fabrikanten mit immer größerem Nachdruck bemerkbar wird; denn es galt nunmehr, nicht nur die Schutzvorrichtungen gegen Unfälle im engeren Sinne des Wortes öffentlich bekannt zu geben, sondern auch auf dem verwandten Gebiete der Arbeiterhygieine und der Wohlfahrtseinrichtungen für Arbeiter anspornend zu wirken.

Beschädigte Dampfkesselplatten.

Die hohe sociale Aufgabe unserer Zeit besteht ja nicht allein darin, den Arbeiter vor den Verstümmelungen des Körpers zu schützen; es soll und muß ihm auch der Schutz vor schleichenden Erkrankungen gewährt werden, es soll auch in seiner Seele die friedliche Stimmung Einzug halten, welche eine menschliche Fürsorge für sein Wohl zu erwecken imstande ist, es soll der Mißklang, der zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer vielfach herrscht, beseitigt und ein auf gegenseitiges Vertrauen gegründetes Einvernehmen hergestellt werden. Und was wäre wohl mehr geeignet, diese Eintracht zu fördern, als der Rundblick auf die zahllosen zum besten der Arbeiter geschaffenen Wohlfahrtseinrichtungen? Die gesunden und freundlichen Arbeiterwohungen, die Kinderkrippen, die Jugend- und Mädchenheime, die Kochschulen für junge Arbeiterinnen, die Bildungsanstalten für Arbeiter – diese gemeinnützigen Schöpfungen sind bereits in so großer Zahl von Fabrikanten gegründet worden, daß ihr Gesammtbild sicher erhebend wirkt und in dem Arbeiter das Vertrauen in seine Zukunft wecken muß.

Von Sachverständigen geleitet, werden die „Arbeiterabtheilungen“ durch die Hallen der Ausstellung wandern; sie werden an den Maschinen vieles lernen, sie werden aber auch vor den Modellen der Wohlfahrtseinrichtungen stehen bleiben, und wenn sie dann ihre Blicke zu den Worten erheben, die in goldenen Buchstaben über der Ausstellung der Mühlhausener Gesellschaft prangen, und den Ausspruch lesen, den Engel-Dollfuß vor 20 Jahren gethan: „Der Fabrikant ist seinen Arbeitern noch mehr schuldig als den Lohn“ – so werden sie auch die Ueberzeugung gewinnen, daß heute für die große Masse der Arbeitsherren diese Worte thatsächlich die Richtschnur bilden. Fürwahr, jeder, der diese Ausstellung besucht, wird auf Schritt und Tritt daran erinnert, daß zahlreiche ernste Männer unermüdlich bestrebt sind, das Leben, die Gesundheit und das friedliche Glück der Arbeiter zu fördern und zu schirmen, und durch das edle Beispiel aufgefordert, in seinem Wirkungskreise das Gleiche zu thun!

Arbeiter-Schutzanzüge.

Das sind die Ziele dieser Ausstellung. Sie weist keine Riesenbauten auf, deren Spitzen über die blitzenden und donnernden Gewitterwolken hinausragen, aber in ihrer Bedeutung übertrifft sie die Ausstellungen, bei denen das Schaugepränge die Hauptsache bildet. Ihre Größe ruht in der Größe des Gedankens, der sie gezeitigt hat, und er ist ihr stolzester Schmuck zugleich, wenn wir zugeben, daß die echten Tugenden der Humanität die schönste Zierde der Menschen sind.

Freilich bietet die Ausstellung an und für sich des Sehenswerthen genug, um auch das Auge zu erfreuen. Ein Gang durch dieselbe ist nicht nur lehrreich, sondern auch genußreich. Wir verweilen gern in dem kühlen Gefrierschacht, wo ein weißer frischgefrorener Reif die Leitungsröhren bedeckt; wir durchwandern die düsteren Gänge des Kohlenbergwerks, in denen die Ventilatoren arbeiten, nur hier und dort eine Glühlampe ein mattes Licht verbreitet, und lauschen den belehrenden Erklärungen des uns leitenden liebenswürdigen Bergmannes; wir gehen auch in das Brauhaus, um zu sehen, wie das Bier gebraut wird, und verfolgen die Arbeit mit besonderem Interesse, wir wissen ja, daß das Brauhaus den Grundstein dieser Ausstellung bildet. Hier kann man keinen Durst leiden; gegen Verdurstungsunfälle sind reichliche und treffliche Schutzvorrichtungen getroffen. Und es fehlt auch nicht an „feuersicheren“ Theatervorstellungen, bei denen wir zu unserer Beruhigung hinter die Coulissen sehen dürfen – oder bester gesagt: sehen sollen.

Die frohen Klänge der Kapelle verkürzen uns die Zeit bis zum Abend; dann können wir auch in das Taucherhaus wandern und in dem durch elektrisches Licht erleuchteten Wasserbecken die eigenartigen Arbeiten des Tauchers betrachten.

In tausend Lichtern strahlen nunmehr und flimmern die Hallen und der Park. Die Witterung ist so herrlich und warm, da sitzen die Gäste, die Aussteller, die nach des Tages Mühe ausruhen – froher Sinn herrscht überall. Kein Wunder, ein solches Wirken erhebt den Geist und schafft uns frohen Sinn.

Aber es ist nicht unsere Aufgabe, Stimmungsbilder zu zeichnen. Wir laden unsere Leser zu ernsteren Gängen durch die Ausstellung ein. Wie der Unfall überall im Leben vorkommt, uns im eigenen Hause, auf Reisen etc. bedroht, so findet hier auch jedermann Gelegenheit, nützliche Kenntnisse zu sammeln. Wir wollen darum auch einiges herausgreifen, das ohne Zweifel nicht nur für den Fachmann, sondern für alle von Werth sein wird.

Beschädigte Schutzbrillen.

In einem der Ausstellungssäle bemerken wir eine Tafel, auf der einige Eisenplatten befestigt sind. Die Fläche derselben ist nicht glatt, sondern zernagt und aufgeworfen. Diese Tafel fesselt ganz besonders unsere Aufmerksamkeit; denn die Bezeichnung des Ausstellers lautet: „Aus den Dampfbetrieben Sr. Majestät des Kaisers in und bei Potsdam.“

Darunter ist aber die nähere Erklärung zu lesen:

„Diese Beschädigungen an Dampfkesseln sind im Betriebe erfolgt und wurden bei außerordentlichen Untersuchungen noch rechtzeitig vor Eintritt des Unfalls entdeckt.“

Wie schlicht auch diese Ausstellungstafel ist, sie besagt viel, sie lehrt uns, daß es nicht genügt, sich an den Wortlaut der gesetzlichen Verordnungen zu halten, sondern daß man unermüdlich auch darüber hinaus wachsam sein muß, wenn man Unfälle verhüten will. Das vordere Stück auf unserer Abbildung ist ein Stück vom mittleren Feuerblech des Kesselmantels mit Langriß, Querrissen und eigenartiger Auseinanderspaltung des Bleches im Schnitt; das dahinter sichtbare ein Stück vom vorderen Feuerblech des Kesselmantels mit vielen Kantenrissen an der Kopfnaht durch die Nietlöcher und neben denselben.

[525] Die Explosionen der Dampfkessel, wie verheerend sie auch wirken, sind jedoch nicht die häufigste Ursache von Unfällen in Fabrikbetrieben. Die Statistik hat erwiesen, daß die schwersten und zahlreichsten Verletzungen durch bewegte Maschinentheile veranlaßt werden. Darum ist schon im Plan der Ausstellung den Schutzvorrichtungen an den Maschinen besondere Aufmerksamkeit gewidmet und darum sehen wir auch auf ihr so viele Maschinen in emsiger Thätigkeit. Das Ganze hat dadurch für den ersten Anblick das Gepräge einer Industrieausstellung erhalten, aber auch nur für den ersten oberflächlichen Anblick. Bis jetzt wurde bei einem derartigen Wettstreit derjenigen Maschine der Preis zuerkannt, welche die größte Leistung vollbrachte. Hier werden die Maschinen nicht von diesem Standpunkt allein geprüft; auf dieser Ausstellung wird diejenige Maschine als die beste anerkannt werden, welche die größte Leistungsfähigkeit mit der geringsten Gefährdung des Arbeiters verbindet; denn hier gilt der Wahlspruch: „Nichts ist gering, was Menschenleben zu schützen und zu erhalten vermag!“

Meißel mit Spanfänger.

Wir müssen leider von vornherein verzichten, diesen Theil der Ausstellung ausführlicher zu besprechen, da wir sonst auf Fachfragen eingehen müßten. Wir ziehen es vor, die Bedeutung des Unternehmens auf einem leichter verständlichen Gebiet unsern Lesern klarzulegen, und wählen hierzu die persönliche Ausrüstung des Arbeiters, die ihn vor Unfällen schützen soll.

Beinschiene für Eisenarbeiter.

Es gab eine Zeit, wo unsere Gewerbe ihre besonderen Trachten hatten. Viele von ihnen waren nur Festanzüge, in denen die Gilden und Innungen bei feierlichen Anlässen erschienen; bei anderen waren auch Rücksichten auf den beruflichen Gebrauch maßgebend. Diese Trachten sind in unserer alles ausgleichenden Zeit fast sämmtlich verschwunden und nur wenige haben sich erhalten, wie z. B. die Knappschaftsanzüge, in denen die Abgeordneten der rheinisch-westfälischen Grubenarbeiter vor dem Kaiser erschienen sind. Die „Arbeiterbluse“, von der sonst so viel geredet wurde und die einen politischen Beigeschmack erhalten hat, kann unmöglich als eine Tracht angesehen werden.

Ein Gang durch die Ausstellung belehrt uns, daß auf diesem Gebiete eine Aenderung im Gange ist. Wir sehen Modelle von Arbeitern und Arbeiterinnen, an denen weiter nichts als der Anzug vorgeführt wird. Die erläuternden Inschriften lauten: „Normal-Arbeiter-Kleider“ oder „Normal-Arbeiter-Schutzanzug“. Es handelt sich aber dabei keineswegs um die schafwollene oder kameelhaarige Normalität, nicht der Stoff, sondern der Schnitt bildet hier die Hauptsache. – Faltige Kleider, Bauschärmel, fliegende Rockschöße u. dergl. passen nicht in Räume, in denen Maschinen schwirren; eine unzweckmäßige Kleidung kann das Eintreten von Unfällen begünstigen, eine zweckmäßige dieselben verhindern, und darum ist von den Fabrikaufsichtsbeamten der Kleidung der Arbeiter eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden. Wir bringen die Abbildungen einiger Arbeiterkostüme, die enganliegend, dabei aber gefällig sind und als ungemein praktisch gerühmt werden. Mechanische Kleiderfabriken besorgen die Herstellung derselben und können sie in Anbetracht des Massenbetriebes zu recht billigen Preisen liefern. Ein Blick auf die Abbildungen S. 524 belehrt über die Zweckmäßigkeit dieses modernen Arbeitsgewandes zu Genüge, wir sehen hier die Arbeitertracht des Maschinen-Jahrhunderts.

Es giebt jedoch Betriebe, in denen Köper oder Tricot, aus denen die Normalanzüge zumeist gefertigt werden, durch festere Stoffe ersetzt werden müssen. Sind bei der Fabrikation nur einzelne Körpertheile der Gefahr besonders ausgesetzt, so genügt es, diese zu schützen.

Ein empfindliches und leicht zu verletzendes Organ unseres Körpers ist das Auge. Feine Splitter, die, durch Meißel und Hämmer losgelöst, unberechenbare Bahnen beschreiben, können, wenn sie das Auge treffen, nicht nur langwierige Leiden, sondern auch den Verlust des Sehvermögens verursachen. Nicht minder gefährlich sind auch Rauch und Funken und ätzende Gase; selbst gegen den gewöhnlichen Staub muß in manchem Betriebe das Auge des Arbeiters geschützt werden.

Schuh aus gebrauchten Treibriemen mit dicker Holzsohle.

Dies geschieht durch die Anwendung von Schutzbrillen. Die Zahl derselben ist sehr groß, und allein mit dem Aufzählen von Modellen könnte man viele Seiten füllen. Es giebt Brillen ohne Glas, nur mit Drahtgitter versehen, andere, die starke Gläser und Wandungen aus Drahtgaze haben, andere wieder, bei denen das Glas durch den Glimmer ersetzt wird, und solche, die das Auge luftdicht abschließen. Von den Verfertigern sind ganze Sammlungen solcher Schutzbrillen ausgestellt worden, und wer hier die Wahl hat, der hat auch gewiß die Qual. Aber bei aufmerksamer Prüfung der Ausstellung findet er auch Fingerzeige für die Wahl. Nicht nur die Verkäufer haben die Schutzbrillen ausgestellt, sondern auch die Abnehmer. Da haben wir Tafeln vor uns, auf welchen die benutzten Brillen befestigt sind, und unter einer jeden derselben ist in kurzen Worten mitgetheilt, ob und wie sich die Brille bewährt hat oder warum sie als nicht zweckmäßig anzusehen ist. Diese Sammlungen sind höchst lehrreich, und nicht allein der Fachmann, sondern auch der Laie betrachtet sie mit Interesse. Es befinden sich darunter auch im Gebrauch beschädigte oder zerstörte Brillen, und an den Sprüngen des dicken Schutzglases kann man die Kraft, mit welcher die kleinen Splitter umherfliegen, deutlich erkennen und sich ein Bild von der Schwere der Verletzung machen, die durch die Brille von dem Auge abgewehrt worden ist.

Die obere Brille auf unserer Abbildung ist bei Benutzung vor dem Schweißofen durch Gegenfliegen von Schlacke beschädigt, die untere durch Anfliegen des daneben abgebildeten Eisenstückes zerstört worden.

Athmungsschutzvorrichtungen.

Neben der Sammlung von gebrauchten Schutzbrillen der Firma Friedrich Krupp in Essen steht auch das Modell eines Meißels mit Spanfängern, die zum Auffangen der von kalten und warmen [526] Stahlblöcken losgehauenen Späne dienen und auch die Hand des Arbeiters schützen. Daneben sind Handleder zum Schutz beim Hantieren mit scharfkantigen Eisenblechen und Handleder für Träger von Roheisen, an einer anderen Stelle Gummihandschuhe ausgestellt. Von Antwerpen kommt ein Lederhandschuh mit Eisenblechbekleidung; unwillkürlich denken wir dabei an die Fehdehandschuhe der alten Ritter, und wir werden gewahr, daß die Ausstellung ein Arsenal von Rüstungsstücken birgt, das nicht minder merkwürdig ist als ein waffenglänzendes Zeughaus und wie dieses ein Zeitalter zu kennzeichnen vermag.

Rauchhaube.

Es sind auch Fußschienen da: Schienbein- und Fußschienen aus Leder und Holz oder Eisenblech für Walzwerksarbeiter, Gamaschen aus Asbest für Feuerarbeiter. Es giebt Betriebe, in denen der Arbeiter sozusagen gepanzert auftreten muß, und auch der neue Ritter der Arbeit hat seine Helme und Sturmhauben, mit denen er die feindlichen Elemente abwehrt.

Wir wissen ja, wie sehr in manchen Fabriken durch Staub, Gase und Dämpfe die Luft verschlechtert wird. Die Ausstellung ist reich mit Ventilatoren beschickt, welche die schlechte Luft und den Staub aus den Fabrikräumen absaugen und ihnen frische Luft zuführen sollen. Aber die Ventilationsanlagen genügen nicht immer; es giebt Betriebe, in denen die Arbeiter trotz der besten Ventilationsanlage dennoch der Lebensgefahr oder dem Siechthum ausgesetzt sein würden, wenn sie die betreffenden Räume ohne besondere Schutzvorrichtungen betreten wollten. Die moderne Industrie muß trotzdem ebenso wie die Feuerwehr in Räume eindringen, die mit giftigen Gasen erfüllt sind, und sie thut es, indem sie die Arbeiter mit Rauchhauben und Vorrichtungen zum Athmen ausstattet. Es ist ein erfreulicher Fortschritt, daß diese „Athmungsschutzvorrichtungen“ jetzt in so großer Vollkommenheit hergestellt werden, daß sie ohne Beschwerden bei der Arbeit benutzt werden können. Wer die Räume des Hygieine-Museums durchwandert, der kann solche vermummte Gestalten, Masken, wie deren zwei auf unserer Abbildung S. 525 kameradschaftlich nebeneinander stehen, finden. Fast abenteuerlich sehen die Figuren mit ihren Hauben, Brillen, Respiratoren und Signalpfeifen aus.

Die beste Uebersicht über die mannigfaltige Verwendung dieser Vorrichtungen bieten uns in der Ausstellung drei an lebensgroßen Figuren vorgeführte Apparate von Bernhard Loeb jr. in Berlin; der erste, eine Rauchhaube, verdient um so mehr unsere Aufmerksamkeit, als er auf den Kriegsschiffen der kaiserlich deutschen Marine eingeführt ist und so an dem Schutze des „schwimmenden Territoriums“ des Deutschen Reiches mitwirkt.

Diese obenstehend abgebildete Rauchhaube besteht aus einem besonders starken Hut f, welcher inwendig mit kreuzweis übereinander gespannten elastischen Bändern versehen ist, vermöge welcher derselbe auf dem Kopfe des Trägers aufliegt. An der Krempe des Hutes ist hinter einem beweglichen Gitter von Messing e ein mit sehr praktischer Wischvorrichtung versehenes Fenster angebracht, durch welches der Träger der Rauchhaube die außen befindlichen Gegenstände erkennen kann. Unterhalb dieses Fensters ist das messingene Ventilgehäuse c angeordnet und damit eine Röhre b in Verbindung gebracht, welche mit Lagen von trockener Watte, Glycerinwatte und Knochenkohle gefüllt ist. Außerdem werden sowohl unterhalb dieser Röhre (in dem Schwammkasten bei a) als auch innerhalb der Rauchhaube beim Gebrauch feuchte Schwämme eingelegt.

Durch den Riemen g, welcher an der hinteren Hutkrempe befestigt ist, sowie durch den mit ihm in Verbindung stehenden Leibriemen wird die Rauchhaube in ihrer senkrechten Stellung festgehalten. Das an dem Hute angebrachte Schultertuch h dichtet, durch Bänder um den Hals zusammengezogen, den Kopf gegen äußere Einwirkungen vollständig ab. Bei F ist das an dem Leibgurte befestigte Leitseil bemerkbar.

Respirator.

Mit einer derartigen Haube versehen, kann man nun Räume betreten, welche mit Rauch und Qualm ganz erfüllt sind, was ganz besonders beim Ausbruch eines Schiffsbrandes zur Aufsuchung des noch unbekannten Herdes des entstandenen Feuers von größter Wichtigkeit ist. – Mit dieser Rauchhaube kann man jedoch nur solche Räume betreten, in denen die atmosphärische Luft nur zum Theil mit schädlichen Gasen vermengt ist, indem durch den Respirator die schädlichen Beimengungen zurückgehalten werden und die gereinigte Luft in die Lunge gelangt. Es giebt aber Räume, die erfahrungsgemäß ganz und gar mit giftigen und unathembaren Gasen, die in kürzester Zeit tödlich wirken, erfüllt sind. Um diese zu betreten, wendet man einen „Respirator“ an. Derselbe besteht aus einer die Augen luftdicht umschließenden Schutzbrille mit Wischvorrichtung 6, aus einem Nasenklemmer, aus dem Athmungsgehäuse 1, aus dem elastischen Schlauche 2 und aus dem Filter 3, welcher mit dem Leibriemen 4 in Verbindung steht. An diesen Filter ist der Schlauch 5 angeschraubt, dessen Ende beim Arbeiten ins Freie reicht. Bei einer Schlauchlänge bis zu 30 Metern kann sich der Träger eines solchen Apparates einfach durch Mundathmung die Luft selbst zuführen, bei größerer Entfernung wird ihm die Luft zugepumpt.

Schließlich führen wir unsern Lesern noch eine Athmungsvorrichtung vor, die unter anderen in dem chemischen Laboratorium von Friedrich Krupp in Essen benutzt wird. Schutzbrille und Athmungsgehäuse sind dieselben wie bei dem vorherbeschriebenen Modell. Der Luftreinigungsapparat besteht aus einem Kasten, woran außen eine Röhre r angebracht ist zur Aufnahme von trockenen Füllungen. Innerhalb des Kastens ist ein Behälter, der je nach Verwendung entweder mit Wasser oder einer alkalischen event. sauren Lösung angefüllt wird, so daß bei Anwendung dieses Apparates die Luft erst eine trockene Füllung durchschneidet und dann durch eine Flüssigkeitssäule gezogen wird, wodurch schädliche Gase und Dämpfe neutralisirt oder gebunden werden. –

Respirator für chemische Laboratorien.

Zu allen diesen beschriebenen Apparaten gehört noch die schon erwähnte Signalpfeife, ein Ballon aus Kautschuk, in welchen oben eine Zinnpfeife eingesetzt ist. Im Augenblicke der Noth braucht der Träger des betreffenden Apparates nur mit der Hand den Ballon zu drücken, um sofort durch einen durchdringenden hellen Pfiff ein Signal nach außen hin geben zu können.

Der Nutzen dieser Apparate beschränkt sich jedoch keineswegs auf große Fabrikbetriebe. Jedermann hat von den Unfällen gehört, welche so oft durch Einathmung schädlicher Luftarten entstehen. In Kellern, in denen neuer Wein oder Bier gährt, bedroht den Arbeiter die Kohlensäure; ebendasselbe trifft oft für alte Brunnen zu; hier gesellen sich noch Grubengas und Schwefelwasserstoffgas zu der Kohlensäure; auf die Gefahr, der man schließlich beim Räumen von Senkgruben und Abzugskanälen ausgesetzt ist, brauchen wir nicht besonders aufmerksam zu machen.

Sind in solchen Räumen Menschen verunglückt, so ist die Rettung derselben wiederum mit Gefahr verbunden. Der Retter muß darauf achten, daß er selbst nicht verunglückt, denn in den allerseltensten Fällen sind solche Athmungsschützer zur Hand. Gewöhnlich vergeudet man die Zeit mit der sogenannten „Lichtprobe“, [527] ohne zu beachten, daß diese unzuverlässig ist, da das Licht in dem giftigen Schwefelwasserstoffgas weiter brennt; sie ist auch nicht unbedenklich, da die Grubengase oft entzündlich sind und die plötzlich aufsteigende Lohe die Retter verbrennen kann. Man muß sich darum mit anderen Mitteln behelfen, wie z. B. durch Herablassen und schnelles Wiederheraufziehen eines aufgespannten Regenschirmes eine starke Luftbewegung in der Grube zu erzeugen suchen; es wird auch Hineinschütten von vielem Wasser oder von Kalkmilch, welche die Gase bindet, empfohlen; aber alle diese Mittel sind nur halbe Maßregeln. Die rascheste und sicherste Hilfe wird von einem Retter gebracht, der in eine solche Grube mit dem Athmungsschlauch oder Luftzubringer ausgerüstet hinabsteigt. Ja, solche Athmungsschläuche gestatten überhaupt ein gefahrloses Reinigen derartiger verpesteter Räume.

In wie vielen Gemeinden ereignen sich nicht solche Unfälle, aber in wie vielen sind Athmungsschläuche nur vom Hörensagen bekannt!

Auf Schritt und Tritt erfahren wir auf der Ausstellung, in wie verständnißvoller Weise der Scharfsinn der Erfinder die Gefahren zu mildern verstand, die uns inmitten der neu geschaffenen Kultur bedrohen. Wir besitzen ein ganzes Rüstzeug, und es liegt nur an uns, es richtig zu verwerthen und wo möglich zu verbessern. Man wird die Unfälle nicht gänzlich aus der Welt schaffen können, aber gewiß liegt es in unserer Macht, ihre Zahl zu mindern. Und es ist noch so viel auf diesem Gebiete zu thun! Die Ausstellung giebt jedermann Gelegenheit, über wichtige Schutzvorrichtungen in seinem Berufskreise Aufschluß zu erlangen. Wir glauben durch die angeführten Beispiele ihr eigentliches Wesen genügend gekennzeichnet zu haben, und wünschen nur, daß recht viele sich veranlaßt sehen möchten, dieselbe zu besuchen und dort zu ihrem eigenen Besten und zum Wohl ihrer Mitmenschen Belehrung zu schöpfen.

Wir schließen hiermit diesen Bericht über die Ausstellung. Er soll nicht der letzte sein. Aus der Fülle der Anregungen, die sie uns bietet, werden wir einige, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, herausgreifen und auf diese Weise, so weit es in dem Rahmen unserer Zeitschrift möglich ist, an der Erreichung jener hohen Ziele mitzuwirken suchen, welche so sehr geeignet sind, die Härten des Kampfes ums Dasein zu mildern.



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II. Unfallverhütung im Hause.

Im bürgerlichen Haushalt giebt es keine Maschinen, wenigstens keine gefährlichen; denn die Küchenmaschinen und die Nähmaschine sind harmlos. Verletzungen, wie sie in Fabriken vorkommen, sind hier unmöglich, aber selbst in dem stillsten Hause sind Unfälle nicht ausgeschlossen. Wir haben keine Statistik über diese Art von Verunglückungen, man braucht aber nur die Tageszeitungen daraufhin zu prüfen, um zu sehen, daß ihre Zahl eine überaus große sein muß.

Unter den Ursachen derselben steht der Städtefeind des Mittelalters, das Feuer, obenan. Wir spielen viel zu viel mit dem Feuer. Die preußische Regierung hat eine lehrreiche Statistik der Brände zusammenstellen lassen, deren Ursache ein unvorsichtiges Umgehen mit Streichhölzern war, und diese Statistik ergab, daß alljährlich im Königreich Preußen etwa 1500 Brände infolge dieser Nachlässigkeit entstehen. Solche fahrlässige Brandstifter sind zumeist Kinder, und jedermann weiß es, wie viele derselben den Mangel an Aufsicht und warnender Erziehung mit dem Leben büßen müssen. Man kann die Streichhölzer nicht aus der Welt schaffen; wenn man aber bedenkt, daß ein fahrlässiges Umgehen mit denselben in Deutschland alljährlich mehrere tausend Brände zur Folge hat, so scheint es wohl der Mühe werth, auf Mittel zu sinnen, die einem solchen Uebelstande abhelfen könnten.

Fig. 1   Fig. 2   Fig. 3   Fig. 4
Die Shaftesbury-Lampe.

Seitdem die Petroleumlampen eingeführt sind, hat selbst die dürftigste Stube der Nähterin besseres und billigeres Licht als vorher; aber seit jener Zeit hören wir auch von Explosionen, die nicht nur feuergefährlich sind, sondern auch das Menschenleben in erster Linie bedrohen. Trotz der schmerzhasteften Brandwunden, trotz der zahlreichen Todesfälle gehen die meisten noch viel zu leichtsinnig mit dem Petroleum um, und fast unausrottbar ist in weiten Schichten der Unfug des Feueranzündens vermittelst dieses explodirbaren Stoffes. Gefährlicher noch ist das Benzin, das schon so manches Mädchen, welches billig seine Handschuhe waschen wollte, in jämmerlicher Weise verbrannte.

Fig. 5
Nach innen und außen schlagendes Fenster.

Diese Andeutungen mögen genügen, um uns in Erinnerung zurückzurufen, wie sehr uns das Feuer in unseren vier Wänden bedroht; aber das Feuer ist nicht die alleinige Ursache der Unfälle.

„Gestürzt beim Fensterputzen!“ Auch dies ist eine stehende Rubrik in der Chronik der Unfälle. Man hört von Vergiftungen, die zufällig geschehen sind, weil jemand aus Versehen eine Flasche mit Gift geöffnet und den Inhalt für eine harmlose Flüssigkeit gehalten hat. Wir wollen die Aufzählung nicht fortsetzen. Es sind ja kleine Versehen, die jedermann kennt und mit einiger Umsicht vermeiden kann. Doch dies schmälert keineswegs die Bedeutung derselben, denn kleine Versehen sind in der Regel die Ursachen großer Unfälle, und diese Unfälle im Hause, die ebenso tödlich verlaufen können wie die Unfälle an rasselnden Dampfmaschinen, bedrohen jedermann, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer, reich und arm.

Die Ausstellung für Unfallverhütung ist das Werk der gewerblichen Berufsgenossenschaften und wir finden nur zerstreut hier und dort in derselben einige Gegenstände, welche die Verhütung von Unfällen im Hause betreffen. Wir wollen auf diejenigen, die uns besonders aufgefallen sind oder die wir in der Masse anderer Geräthe gefunden haben, die allgemeine Aufmerksamkeit lenken. Sie werden namentlich diejenigen interessiren, welche keiner Berufsgenossenschaft angehören, vor allem aber unsere Frauen. Zuvörderst wollen wir ihnen eine Sicherheitslampe fürs Haus vorführen, über die wir folgendes erfahren haben:

In dem Schauspiel „Pleasure“, das im Drury-Lane-Theater in London gegeben wird, kommt auch ein – Erdbeben vor. In dieser Scene kracht alles zusammen, und auch ein gedeckter Tisch fällt um. Auf dem Tische aber steht eine brennende Petroleumlampe, die mit dem übrigen Geschirr gleichfalls zu Boden stürzt. Das ist etwas stark, könnte man meinen. Die Gefahr einer Explosion und eines Theaterbrandes liegt dabei so nahe! Und die Polizei duldet so etwas? Nun, es ist eine besonders konstruirte Lampe, die hier angewandt wird, eine Lampe, die sofort erlischt, wenn sie umfällt, und darum nicht explodiren kann. Dabei zählt diese Lampe nicht zu den sogenannten Bühneneffekten, die im praktischen Leben nutz- und werthlos sind; sie ist nicht als Dekoration für ein theatralisches Erdbeben erfunden worden, sondern für den häuslichen Gebrauch bestimmt.

Sie heißt Shaftesbury-Lampe und ihr Erfinder Phillips. Nachdem sie sich in ihrer britischen Heimath bewährt hat, wird sie jetzt auch in Deutschland eingeführt und verdient in der That, daß das große Publikum auf sie aufmerksam gemacht werde.

Fig. 6
Schutzvorrichtung für Schlosser u. s. w.

In Fig. 1 stellen wir die Shaftesbury-Lampe im Durchschnitt unsern Lesern vor. Wir bemerken zunächst, daß an dem Brenner neben dem Dochte eine Metallklappe angebracht ist. Diese Metallklappe ist beweglich und steht mit einer Drahtstange in Verbindung. Deutlicher ist die Anordnung in Fig. 2 zu sehen. Was geschieht nun, wenn wir die Drahtstange nach unten ziehen? Durch den Zug wird die Metallklappe in die Höhe gehoben und nimmt diejenige Stellung über dem Dochte an, die wir in Fig. 3 finden, das heißt, sie bedeckt den Docht und löscht die Flamme aus, da sich gleichzeitig auf der entgegengesetzten Seite ein senkrecht stehendes Blech emporschiebt, das auf unserer Abbildung nur schwach angedeutet werden konnte. Diesen Theil der Lampe nennt man den „Auslöscher“, und der Erfinder hat dafür Sorge getragen, daß dieser im gegebenen Fall von selbst wirkt. Die Stange geht, wie wir in Fig. 1 sehen, mitten durch die Lampe bis zu dem Fuß derselben und ist an ihrem Ende durch eine Kugel beschwert. Der Mechanismus des Auslöschers ist nun so angepaßt, daß, wenn die Lampe auf dem Tische steht, die Kugel auf dem Tische ruht und der Auslöschapparat die in Fig. 2 angedeutete [718] Lage einnimmt. Der Auslöscher stört das Brennen der Flamme in keinerlei Beziehung. Nehmen wir nun an, daß die Lampe umfällt, was geschieht alsdann? Die am Ende der Stange befestigte Kugel tritt aus dem Lampenfuße heraus, zieht somit die Stange herunter, und der Auslöscher nimmt infolgedessen die in Fig. 3 wiedergegebene Stellung an – die Lampe erlischt. Dieser Mechanismus wirkt aber auch, wenn wir die Lampe hoch heben, denn dann senkt sich die Kugel erst recht nach unten und die Lampe muß erlöschen. Dem mußte nun vorgebeugt werden; denn eine Lampe, die brennend nicht von einem Tisch auf den andern getragen werden könnte, würde höchstens für eine theatralische Erdbebenscene, aber nicht für das tägliche Leben verwendbar sein.

In Wirklichkeit können wir die Lampe herumtragen und sie brennt doch. Der Erfinder hat nämlich an der schmalen Stelle des Lampenfußes, unter dem Oelbehälter, wo wir ja stets Lampen anfassen, einen Metallring angebracht, der auf und ab gleitet. Dieser Metallring (auf Fig. 1 in der Mitte durch die dunkel schraffirte Stelle und den Pfeil gekennzeichnet) ist durch Querstangen mit der senkrechten Kugelstange verbunden. Fassen wir nun den Ring an, so kann die Kugelstange nicht herabfallen, denn der Ring hat an dem Ansatze des Oelbehälters festen Halt; die Lampe brennt also fort. Anders ist es aber, wenn wir den Oelbehälter mit beiden Händen anfassen und die Lampe hochheben; alsdann muß der Ring, von der Schwere der Kugel mitbeeinflußt, hinabgleiten, der Auslöscher thut seine Schuldigkeit, die Lampe erlischt.

Fig. 7   Fig. 8
Vorrichtung gegen Sturz aus dem Fenster.
Bei offenem Fenster.   Bei geschlossenem Fenster.

Dieser selbstthätige Auslöschapparat kann nicht nur an Flachbrennern, sondern mit einigen Verändernungen auch an Rundbrennern etc. angebracht werden. Der Oelbehälter aber besteht nicht aus Glas, sondern aus Metall.

Die Vorzüge der Lampe sind nun folgende: die Lampe kann nicht explodiren, wenn sie umfällt oder wenn sie dem Träger aus der Hand gleitet, ferner brauchen wir beim Ablöschen derselben weder den Docht hinunterzuschrauben noch die Flamme auszublasen; wir heben die Lampe, indem wir sie am Oelbehälter anfassen, einfach in die Höhe. Da es bekannt ist, wie viele Brände durch Lampenexplosionen, die infolge Herunterschraubens oder Ausblasens entstanden sind, alljährlich hervorgerufen werden und wie viel Menschen dabei zu Grunde gehen, so braucht man über die Zweckmäßigkeit des Auslöschers kein Wort zu verlieren. Er spricht für sich selbst.

Aber damit sind noch nicht alle Vorzüge der Lampe erschöpft. Das Petroleum wird in den Behälter, wie auch sonst üblich, durch eine Seitenöffnung eingegossen. Der Brenner wird nicht in den Behälter hineingeschraubt, sondern bildet einen Stöpselverschluß, das heißt, er wird einfach in die Oeffnung des Behälters hineingezwängt. Sollten nun durch Erwärmung des Petroleums in dem Behälter sich Gase bilden, so müßten diese den Brenner hinausschleudern, ebenso wie die Gase einer Selterswasserflasche den Pfropfen in die Höhe knallen lassen. Geschieht dies aber, so kann die Kugelstange dem Brenner nicht folgen und zieht ihrerseits, während der Brenner höher steigt, die auslöschende Kappe empor; die Flamme muß erlöschen, bevor es zu einer Explosion kommen kann.

Auch an Hängelampen ist der Mechanismus angebracht. Die Kugel, die sonst durch die Tischplatte gestützt wird, ruht hier auf einem Deckel, der, wie wir in Fig. 4 sehen, aufgeklappt werden kann. Das Auslöschen der Hängelampen, das sonst so umständlich ist, geschieht hier durch einen einzigen leisen Fingerdruck.

Die Shaftesbury-Lampe ist zwar eine Fremde unter der leuchtenden Schar, die unser Heim erhellt, aber nützlich scheint sie jedenfalls und wird darum gewiß eine gute Aufnahme finden.

In einem der benachbarten Säle fesselt das Modell einer Scheune unser Auge. Das Giebeldach ist ganz sonderbar, die eine Dachfläche ist mit Stroh, die andere mit Dachschindeln belegt. Der Katalog belehrt uns, daß beide, Stroh wie Schindeln, wetter- und feuerfest sind. Wir stehen hier vor einem Erzeugniß der Imprägnirungsverfahren gegen Feuer, die im Hause ebenfalls die weiteste Berücksichtigung verdienen. Auch der Aussteller des Scheunenmodells steht im Dienste des Hauses; denn wir sehen daneben Bettgestelle, Decken und auch eine alte Matratze, welche ein Plakat mit folgender Erklärung trägt:

„Unmittelbar hinter dieser Schutzmatratze stand im Jahre 1884 bei der Allerhöchst befohlenen Feuerprobe, umgeben von den feuergefährlichsten Stoffen als Strohfeime, Petroleum, Benzin, Terpentin, Naphtha, Spiritus, Pulver, wohlgeschützt Seine Majestät der König von Sachsen gegenüber einem 4 m hohen Lauffeuer.“

Wir erinnern uns dabei, daß auch ein anderes gekröntes Haupt für die feuerfeste Imprägnirung der Stoffe ein besonderes Interesse an den Tag gelegt hat: die Königin von England, an deren Hofe die gesammte Leibwäsche feuerfest ist, und wir möchten hier gleich auch den Mahnruf des Gründers der Samariterschulen, des Professors v. Esmarch, citiren:

„Wer seiner Frau oder seinen Töchtern leichte Stoffe zu Ballkleidern oder Vorhängen schenken will, der lasse sie doch vorher unverbrennlich machen. Das Verfahren ist ja so einfach und so billig und die Farben der Stoffe werden dadurch nicht verdorben. Es sollte allgemein bekannt sein, daß es genügt, solche Stoffe in eine Lösung von schwefelsaurem Ammoniak zu tauchen und sie danach wieder zu trocknen und zu bügeln. Kommen sie dann mit der Flamme in Berührung, so lodern sie nicht auf, sondern verkohlen langsam wie Zunder.“

Der Aussteller der erwähnten Schutzmatratze, Techniker Franz Konrad, hat aber ein besonderes Verfahren, seine Fabrikate sind flammensicher und besitzen außerdem noch andere Vorzüge. Eine flammensichere wollene Decke ist in vielen Fällen ein unschätzbares Mittel, man kann sie über ein ausbrechendes Feuer werfen und dieses im Keime ersticken; in einigen Theatern stehen z. B. Feuerwehrleute mit ähnlichen Decken hinter den Coulissen, um Schauspielerinnen, die etwa Feuer fangen sollten, in die Decken einzuhüllen und so die Flammen zu ersticken. Eine feuerfeste Matratze ist bei ausbrechendem Feuer als bestes und nächstliegendes Feuerabsperrmittel für Gänge, Thüren oder als Feuererstickungsmittel durch Hineinwerfen in das Feuer zu verwenden. Man schläft gut und ruhig auf einer solchen flammensicheren Matratze, die nach Wunsch mit Stroh oder Roßhaar gefüllt werden kann, denn sie ist auch antiseptisch und hält das Bettungeziefer fern. Die Regierungen von Sachsen und Preußen haben dieser Matratze durch vielfache Bestellungen ihre besondere Aufmerksamkeit bewiesen.

Unser Geld schützen wir durch feuerfeste Schränke, viele würden sich jedoch schwer entschließen, eine feuerfeste Decke fürs Haus anzuschaffen. Das sind Widersprüche des täglichen Lebens!

Die Großstädter unserer Zeit fürchten ja das Feuer nicht mehr so wie ihre Vorfahren. Sie weisen mit gerechtem Stolze auf ihre Berufsfeuerwehren hin, und in der That sind die Leistungen derselben so vorzüglich, daß die Brände in Privathäusern viel von ihrem Schrecken verloren haben.

Die Ausstellung für Unfallverhütung ist ebenfalls geeignet, dieses Sicherheitsbewußtsein in uns zu stärken. Welch ein beruhigendes Gefühl erfaßt uns, wenn wir die riesengroßen, fahrbaren mechanischen Rettungsleitern von Magirus in Ulm und Lieb in Biberach anschauen, die schon an das Kuppelgewölbe der Halle reichen, obwohl sie noch nicht ganz ausgestreckt sind. Dort stehen die modellirten Feuerwehrmänner in vorschriftsmäßiger Ausrüstung, und die Spritzenmodelle, die Rettungstücher und Rettungsschläuche. Und trotzdem lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf die unscheinbaren Gurten, Bremsvorrichtungen und Drahtspiralen, die zur Selbstrettung in Feuersgefahr dienen sollen. Das Unglück schreitet schnell, die Flamme ist geschwinder als die Feuersignale, welche die Feuerwehr alarmiren. Namentlich in kleineren Städten, in Dörfern und entlegenen Villen und Schlössern dürfte es für jeden [719] rathsam sein, sich frühzeitig mit den Grundsätzen der Selbsthilfe in der Feuersgefahr vertraut zu machen.

Doch wir müssen weiter wandern.

Da steht ein Glasschrank, der mit Flaschen vollgepfropft ist, auf denen der schwarze Todtenkopf zu schauen oder die Inschrift „Aeskulap!“ zu lesen ist. Das ist auch eine neue Erfindung, denn die Flaschen schließen nicht nur luftdicht, sondern haben auch einen „Patentkapselschraubenverschluß“, der nur vermittelst des dazu gehörigen Schlüssels geöffnet werden kann. Sie eignen sich somit zum Aufbewahren von Giften, ätzenden Stoffen wie z. B. Carbolsäure, und durch ihren Gebrauch lassen sich ohne Zweifel diejenigen Unfälle vermeiden, die aus Versehen in der Verwendung von Giften zu geschehen pflegen. Vor diesem Schrank stand eine Dame und ich hörte sie zu dem Aussteller sagen:

„Aber man kann auch andere Flüssigkeiten in diesen Flaschen aufbewahren?“

„Natürlich, gnädige Frau!“

Sollten vielleicht bei dieser Gnädigen die Dienstmädchen eine Vorliebe für Spirituosen oder Fruchtsäfte zeigen und an einem stillen Schluck ein besonderes Gefallen finden?

Die Ausstellung ist gerecht bei der Vertheilung ihrer Gaben; sie bringt nicht allein Schutzmittel vor Dienstmädchen, sondern auch Schutzvorrichtungen für dieselben. Einer der am häufigsten vorkommenden Unfälle in Dienstmädchenkreisen ist der Sturz auf die Straße beim Fensterputzen. Dies ereignet sich namentlich bei Fenstern, die nach außen schlagen. Man baut solche Fenster, weil man den nach innen schlagenden Fenstern gewisse Nachtheile nachsagt: sie sollen sehr schlecht dichten, Wind und Wetter Eintritt in die Zimmer gestatten, die Gardinen schädigen und höchst unbequem zu öffnen sein, da die Fensterbänke jedesmal geräumt werden müssen. In der Ausstellung finden wir ein Hamburger Fenster, welches alle diese Nachtheile aufhebt. Dieses Fenster wird gewöhnlich nach außen geöffnet, will man es aber nach innen öffnen, so ist dies möglich, nachdem man einige Griffe bei dem Fensterbeschlag, die wir auf unserer Abbildung (Fig. 5) rechts und links unten am Rahmen erblicken, zur Seite gezogen hat. Das Dienstmädchen braucht alsdann beim Fensterputzen nicht auf die Fensterbank zu treten und ein Hinausstürzen desselben ist nicht gut denkbar.

Für alte Häuser wäre die Anschaffung solcher Fensterbeschläge mit großen Kosten verknüpft, es wäre darum wünschenswerth, einfachere Vorrichtungen kennen zu lernen, die bei jedem Fenster sich anbringen ließen. Eine solche Vorrichtung ist für Schlosser beim Befestigen der Jalousien da (vgl. die Abbildung Fig. 6). Sie besteht aus einer starken eisernen Stange, die sich in der Mitte auseinanderschrauben läßt und an beiden Enden in eine viereckige Platte ausläuft. Diese Stange wird nun quer in das Fenster gelegt und so lange auseinander geschraubt, bis die beiden Platten stark genug an die Mauerpfeiler des Fensters drücken und die Stange genügend fest sitzt, um das Gewicht eines Menschen zu tragen. An der Stange ist eine Leine befestigt, an deren Ende sich ein Leibgurt befindet, den der Arbeiter umschnallt.

Mit einigen Abänderungen könnte dieser Apparat vielleicht auch ein nützliches Hausgeräth werden. Dem Scharfsinn der Erfinder auf diesem Gebiete ist übrigens noch ein weiter Spielraum offen gelassen.

Durch Sturz aus dem Fenster pflegen auch Kinder zu verunglücken. Auch dafür ist ein Schutzapparat da.

Die Vorrichtung (vgl. Fig. 7 u. 8) besteht aus einer außen am Fenster anzubringenden schmiedeeisernen Galerie, welche mittels zweier beweglicher Hebel mit den Fensterflügeln derart verbunden ist, daß ein Druck auf die Galerie selbstthätig die Fensterflügel zusammenklappen läßt, welche die dem Sturze ausgesetzte Person sofort einklemmen und festhalten. Je stärker die Belastung dieser Galerie ist, also je weiter der menschliche Körper bereits zum Fenster heraushängt, desto stärker halten die Fensterflügel zusammen, um erst dann wieder nachzugeben, wenn der Körper zurückgezogen wird und sich außer Gefahr befindet. Diese Schutzgalerie ist namentlich für die Fenster in Kinderstuben beachtenswerth.

Da sind wir in jenes lärmvolle Zimmer gelangt, in dem Unfälle, wenn auch kleiner Art, auf der Tagesordnung stehen. Ohne „Unfälle“ wird das Gehen nicht gelernt und kleine Wunden, Nasenblutungen u. s. w. sind in jeder Kinderstube zu beobachten, ebenso manchmal das schon gefährlichere Verschwinden kleiner Körper, wie Perlen, Bohnen u. s. w. in Mund, Nase und Ohr. In der „Bibliothek“ der Ausstellung sahen wir eine kleine Wandtafel, auf der in knapper Form Rathschläge für die erste Hilfe bei Unfällen in der Kinderstube ertheilt werden. Vielen, namentlich jungen Müttern, dürfte sie gute Dienste leisten, obwohl sie sich zu sehr an die englische Vorlage hält, nach der sie bearbeitet wurde, und unsern Verhältnissesn mehr angepaßt werden könnte.

Unser Haus ist, wie wir sehen, bei dieser von den Berufsgenossenschaften veranstalteten Ausstellung nicht ganz leer ausgegangen. Wir suchten aber in ihr vergebens nach mancher praktischen und gemeinnützigen Einrichtung, die uns von anderswoher bekannt war. Eine Sammlung solcher Einrichtungen und Erlasse vorsorglicher Behörden, welche geeignet sind, Unfälle im täglichen Leben zu verhüten, würde gewiß den größten Nutzen stiften.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Ausstellung nicht spurlos vorübergehen wird. Neben dem Hygieine-Museum werden wir später auch ein Museum für Unfallverhütung besitzen und dort wird auch, wie wir hoffen, die Unfallverhütung im Hause nicht vergessen werden.