Von den Karolinen und Marianen

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Titel: Von den Karolinen und Marianen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 419–420
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[419] Von den Karolinen und Marianen. (Mit Abbildungen.) Nördlich von Neuguinea ist der Stille Ocean mit Scharen von Inseln übersät, die so klein sind, daß man ihnen den Gesamtnamen Mikronesien gegeben hat. Zu ihnen gehören auch die Karolinen, die schon seit langer Zeit das öffentliche Interesse in Deutschland in Anspruch nehmen. Die Inseln wurden im sechzehnten Jahrhundert von Portugiesen und Spaniern entdeckt und von den letzteren eine Zeitlang besetzt gehalten, dann aber völlig aufgegeben. Erst zu Anfang dieses Jahrhunderts wurden sie sozusagen von neuem entdeckt. Missionare ließen sich auf ihnen nieder und Deutsche gründeten dort Pflanzungen und Handelsfaktoreien. Im Jahre 1885 wollte Deutschland von den Karolinen Besitz ergreifen, und das Kanonenboot „Iltis“ hißte auf der Insel Yap die deutsche Flagge. Dies erregte einen stürmischen, von Straßenunruhen begleiteten Protest in Spanien, das ältere Ansprüche auf die Karolinen geltend machte. Fürst Bismarck suchte den Streit friedlich beizulegen; er schlug vor, das Schiedsrichteramt dem Papste zu übertragen, und dieser bestätigte die Ansprüche Spaniens. – Heute ist die ehemals so große Kolonialmacht Spaniens zusammengebrochen und die Regierung in Madrid hat sich entschlossen, die Karolinen mit den Palauinseln und dem Spanien noch verbliebenen Rest der Marianen an Deutschland zu verkaufen. Sobald der mit der deutschen Reichsregierung abgeschlossene Staatsvertrag von den Cortes genehmigt sein wird, soll dem Deutschen Reichstag die erforderliche Vorlage zur Beschlußfassung zugehen.

Hütte von Eingeborenen der Karolinen.

Für Deutschland ist der Erwerb dieser Inseln insofern von besonderem Vorteil, als er unseren Kolonialbesitz in der Südsee auf Neuguinea, im Bismarckarchipel und auf den Marschallinseln abrundet und die Inseln auch als Schiffs- und Kohlenstationen von Bedeutung sind. – Die Karolinen, deren westlichen Teil die Palauinseln bilden, liegen zerstreut auf einem Meeresstreifen, dessen Länge annähernd der Entfernung von Memel bis Gibraltar gleich ist, während dessen Breite ungefähr der Entfernung von Hamburg bis Nürnberg entspricht. Ihr Gesamtflächeninhalt wird auf 1500 qkm geschätzt, ist also kaum viermal so groß wie das Gebiet der Freien Stadt Hamburg. Die Eilande sind zumeist Koralleninseln, nur einige sind vulkanischen Ursprungs und ragen als hohe Berge aus der Meeresflut empor. Das Klima wird als gesund bezeichnet und die Fruchtbarkeit und landschaftliche Schönheit der einzelnen Inseln gepriesen. Vielen Menschen können sie natürlich Unterkunft nicht bieten. Man schätzt die Gesamtzahl der Eingeborenen auf 36000 und die der Weißen aus etwa 1000. Die wichtigsten Nahrungsgewächse der Karolinen waren von Anfang an der Brotfruchtbaum und die Kokospalme; jetzt gedeihen dort auch Bananen, Zuckerrohr, Gewürznelken und anderes mehr. Mit Ausnahme von Fledermäusen gab es auf den Karolinen ursprünglich keine Säugetiere; die Europäer haben jedoch Ziegen, Schweine, Rindvieh und andere Haustiere eingeführt. Ziemlich reich sind dagegen die Wasservögel vertreten, und das Meer bietet Fische, Schildkröten, Trepang und Seekrebse. Die größten der Eilande sind Yap, Rug, Ponape und Kusai. Yap hat einen guten Hafen und etwa 3000 Einwohner. Ponape zeichnet sich durch seine hohen Berge aus, deren höchste Spitze, der Regenpik, bis zu einer Höhe von 870 m emporsteigt; die Landschaften auf dieser Insel sind zum Teil wild romantisch, zum Teil lieblich, von paradiesischer Schönheit. Kusai ist die östlichste der Karolinen, ihre stark bewaldeten Berge erreichen eine Höhe von 600 m, sie besitzt nur 600 Einwohner.

Geldsteine.   Mann und Frau
 von den Karolinen.

Wenn wir bedenken, wie zerstreut im Ocean die Inseln liegen, so werden wir verstehen, daß die eingeborene Bevölkerung in politischer Hinsicht keine einheitliche Entwicklung durchmachen konnte. Es giebt in der That auf den Karolinen mehr Reiche als Inseln; fast jedes Dorf bildet eine selbständige unabhängige Gemeinde. Die Bevölkerung ist, was ihre Abstammung anbelangt, eine Mischrasse, es finden sich in ihr polynesische, papuanische und auch malayische Elemente vertreten. Im großen und ganzen ist der Karoliner geweckt und gutmütig; seine sozialen Einrichtungen, soweit sie sich noch erhalten konnten, sind überaus eigenartig.

So leben dort die jnngen Leute in Genossenschaften oder Gilden, die man „Clöbbergöll“ nennt; sie bewohnen besonders für diesen Zweck gebaute Häuser, während die Verheirateten sich Hütten bauen. Die letzteren sind einfache viereckige Bretterbauten, mit Palmblättern gedeckt. Im Verkehr untereinander bedienen sich die Eingeborenen eines eigenartigen Geldes. Es sieht Mühlsteinen ähnlich und besteht aus gelblichem Kalkspat, der auf Korror gefunden wird. Centnerschwere Steine bedeuten ein Vermögen. Unter dem Einfluß der Kultur und mit der zunehmenden Verbreitung des Christentums schwinden jedoch die alten Sitten. Auch das alte Gerät kommt außer Gebrauch. Steinsplitter und Muschelscherben, die früher als Schneidwerkzeuge benutzt wurden, sind durch eiserne Werkzeuge ersetzt.

Die Berührung mit der Kultur hat den Karolinern schwere [420] Prüfungen gebracht. Allerlei ansteckende Krankheiten, namentlich die Pocken, decimierten die Bevölkerung, und der Stamm scheint mehr und mehr seinem Untergange entgegenzugehen. Die Vorfahren der heutigen Karoliner scheinen mehr Energie und Thatkraft besessen zu haben; auf einigen der Inseln findet man Ruinen aus Basaltsteinen errichteter Mauern, die davon zeugen, daß hier einst ein stärkeres Geschlecht gewirkt hat.

Hafen von Yap.

Weiter nördlich von den Karolinen liegen die Marianen. Sie wurden von Magellan auf seiner Ruhmesfahrt durch den Stillen Ocean entdeckt und von ihm Ladronen, d. h. Di[e]bsinseln, genannt, weil die Eingeborenen ihm übel mitgespielt hatten. Dieser Inselschwarm hat insgesamt einen Flächeninhalt von etwa 1200 qkm und nur 10 000 Einwohner. Zum Teil sind die Inseln korallinisch, zum Teil vulkanisch. Auf den nördlichen sind die Feuerberge noch heute thätig. Die niedrigen Inseln zeichnen sich durch Fruchtbarkeit aus und weisen neben Reis- und Maisfeldern Baumwolle-, Kakao- und Zuckerrohrpflanzungen auf. Die Eingeborenen waren in vielfacher Hinsicht den Karolinern ähnlich, haben aber ihre Eigenart zumeist abgelegt, da die Bevölkerung längst zur katholischen Kirche bekehrt worden ist. Auf der größten der Inseln, Guam oder Guajam, die in den Besitz Amerikas übergegangen ist, befand sich der Sitz des spanischen Gouverneurs.

Der Regenpik auf Ponape.   Dorf auf Kusai.