Der Kaiser Wilhelmturm auf dem Großen Schneeberg

Textdaten
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Autor: G. Nentwig
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Titel: Der Kaiser Wilhelmturm auf dem Großen Schneeberg
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 389, 419
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[389]

Der Große Schneeberg von
Kammnitz aus gesehen.
Der Kaiser Wilhelmturm auf dem Großen Schneeberg.

[419] Der Kaiser Wilhelmturm auf dem Großen Schneeberg. (Zu dem Bilde S. 389.) Der mittlere Teil der Sudeten, das Glatzer Gebirge, bildet einen von grünen Waldbergen gleich einem Riesenwall umschlossenen Bergkessel, welcher in Urzeiten ein großer See war. Sein Hauptstock ist das Schneegebirge, der südöstliche, von schönem Forste reichbesetzte Wall dieses im ganzen 1640 qkm (rund 30 deutsche Quadratmeilen) umfassenden Ländchens.

Nur ein einziger Aussichtspunkt, wenn wir den in das Neissethal weit vorgelagerten „Spitzigen Berg“ mit seinem romantischen Wallfahrtskirchlein „Maria-Schnee“ abrechnen, ist in diesem Teile des Glatzer Landes vorhanden: der Große Schneeberg, 1425 m ü. d. M., auch Glatzer und Spieglitzer Schneeberg genannt. Aber kaum lohnend nannte man bisher seine Besteigung; in mühsamem, ein- bis zweistündigem Rundgange, durch hobes Heidelbeerkraut watend, mußte man die Ausblicke in die Ferne einzeln aufsuchen, während der Blick in die nächste Umgebung verschlossen blieb, denn der gewaltige, kahle Gipfel dieses schon seiner Formation wegen interessanten Berges umfaßt ein überaus weites Plateau.

Dem Glatzer Gebirgsverein gebührt das Verdienst, durch den Bau eines Aussichtsturmes diesem Uebelstande abgeholfen zu haben: ungefähr in der Mitte der weitgedehnten, freien, baum- und strauchlosen Fläche ragt nunmehr der in den Jahren 1895 bis 1899 erbaute monumentale „Kaiser Wilhelm-Turm“ empor, dessen feierliche Einweihung für den 9. Juli d. J. vom Gebirgsverein geplant ist.

Dem Gedächtnis Kaiser Wilhelms I ist er geweiht und auf Hohenzollerngrund aufgebaut, denn der Grund und Boden gehört dem Prinzen Albrecht von Preußen, Prinzregenten von Braunschweig, welcher dem Vereine unter bestimmten Bedingungen die Bauerlaubnis erteilte. Der Turm wurde vom Architekten Henry in Breslau entworfen, während Maurermeister Gießer in Glatz den Bau ausführte; er zeigt burgartigen Charakter in mittelalterlicher Form und besteht aus dem 34,35 m hohen Hauptturm, dem 17 m hohen Neben- oder Treppenturm und der Schutzhütte, welche im unteren Stockwerke ein Gastzimmer – als Glatzer Bauernstube stilgerecht ausgestattet – und im Dachraume Schlafkammern für Touristen enthält.

Die beiden unteren Stockwerke des Hauptturmes bilden die Gedächtnishalle; in die eigentliche, von fünf Pfeilern getragene Halle zu ebener Erde führt der Haupteingang von außen; ihm geradeüber thront auf Sandsteinsockel am Mittelpfeiler die überlebensgroße Bronzebüste des Heldenkaisers; die übrigen vier Pfeiler werden mit Glatzer Städtewappen, Fahnen und anderen Emblemen ausgeschmückt. Das Kuppelgewölbe zeigt in der Mitte eine 2 m breite Oberlichtöffnung, durch welche aus dem Obergeschoß fünf große Fenster Licht spenden. Dieses Obergeschoß ist mit breitem Rundgange versehen und gewährt Einblick in die untere Halle. Gewaltig sind die Dimensionen des Bauwerkes. Der Umfang des großen Hauptturmes beträgt allein 36 m. Die massig emporstrebenden Cyklopenmauern sind aus altersgrauem, dem Gestein des Plateaus entnommenem Gneis errichtet, der im Gegensatze zu dem gelblichweißen Sandstein der Gesimsbekrönung sehr malerisch wirkt.

Der Große Schneeberg, im Osten von Kamnitz aus aufgenommen, steigt in unserem Bilde über den hochromantischen „drei Schneegründen“ und über dem dichtbewaldeten „Pfefferkuchenhübel“ auf. G. Nentwig.