Von dem Schaaf, das eine Königstochter trug

Textdaten
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Autor: Heinrich Pröhle
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Titel: Von dem Schaaf, das eine Königstochter trug
Untertitel:
aus: Märchen für die Jugend, S. 37–39
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses
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Erscheinungsort: Halle
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons, E-Text nach Deutsche Märchen und Sagen
Kurzbeschreibung:
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9. Von dem Schaaf, das eine Königstochter trug.

Ein König war alt und schwach, aber seine Töchter waren jung und schön und blüthen nicht anders als drei rothe Rosen. Der alte König wurde von den Drachen zum Kampfe gefordert, da sagte seine älteste Tochter: „Ich bin jung und stark, Vater, laß mich für Dich in den Kampf ziehen.“ Also geschah es auch, sie legte Königskleider an und zog aus. Unterwegs aber kam die älteste Prinzessin an eine Brücke, davor stand ein altes Weib, die hatte ein Schaaf in den Graben fallen lassen und bat, daß sie ihr helfen möge, es heraus ziehen. „Ich habe keine Zeit,“ antwortete sie, „denn in einer Stunde schon muß ich die Drachen getödtet haben.“ So zog sie weiter, aber die Drachen sagten sogleich: „Du bist mit nichten ein König, sondern ein Mädchen, und mit Weibern kämpfen wir nicht.“ So mußte die Prinzessin unverrichteter Sache zurückkehren; die zweite Königstochter aber legte Königskleider an und sprach: „Ihr werdet sehen, daß ich besser mit den Drachen fertig [38] werde.“ Bei der Brücke traf sie wieder das alte Weib, welches das Schaaf aus dem Graben ziehen wollte und bat, daß sie ihr helfen möge. Sie aber weigerte sich deß, weil sie in einer Stunde schon die Drachen getödtet haben müsse, und die erkannten sogleich, daß sie ein Mädchen sei und weigerten ihr den Kampf. Da legte die dritte Königstochter Königskleidung an, kam zu der Brücke, wo die Alte sich noch immer mühte, das Schaaf aus dem Graben zu heben, griff unaufgefordert mit an und half, bis das Schaaf aus dem Wasser war. Da sprach die Alte: „Dir kann ich helfen, denn Du bist mir gefällig gewesen. Nimm diesen Schlüssel und diesen Kasten, setze Dich auf das Schaaf und reite fort. Legst Du dem Schaaf den Schlüssel in’s Ohr, so gibt es Dir Rath.“

Das Mädchen ritt eine Strecke weit, legte dem Schaaf den Schlüssel in’s Ohr und sogleich sprach es: „O Königstochter-jüngste, schließe mit dem Schlüssel den Kasten auf, darin sind so prächtige Königskleider, daß die Drachen, wenn Du sie angelegt hast, nicht anders meinen werden, als Du seiest ein König und mit nichten ein Mägdelein.“ Da schloß das Mädchen den Kasten auf und zog gar herrliche Königskleider hervor, wie vor Alters die Könige trugen und viel prächtiger, als sie jetzt ein sterblich Auge sieht, legte sie an und ritt auf dem Schaafe zu den Drachen. Da sie also gezogen kam, sprachen sie: das ist gewiß und wahrhaftig der König selbst und mit nichten ein Mägdelein, und ward ihnen angst und setzten den Kampf auf eine spätere Zeit fest. Die Königstochter blieb allda im Reiche und ritt täglich als ein mächtiger König auf dem Schaafe umher. [39] Als aber die Drachen fort und fort Aufschub des Kampfes verlangten, legte es wieder dem Schaafe den Schlüssel in’s Ohr und das Schaaf sprach: „Ich will den Teich aussaufen, zu dem die Drachen jeden Mittag kommen und saufen. Alsdann streue Gift auf seinen Grund und alsbald wird der Regen den Teich wieder füllen.“ Also geschah es auch und als die Drachen das nächstemal kamen und aus dem Teich soffen, fielen sie todt nieder. Da ging die Prinzessin hin, schnitt dem Drachenkönig den mittelsten Kopf aus und da sie auf ihrem Schaafe hinreiten wollte, kam der König des Landes, in dem die Drachen gewohnt hatten, und trug ihr aus Dankbarkeit sein Reich an. Da lachte ihr das Herz, denn der König war jung und sie nahm das Königreich an, gab sich zu erkennen und der König mußte König bleiben, sie aber wurde die Frau Königin.