Textdaten
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Titel: Vom Werte der Seide
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 240
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Franz Bujatti sen.: Die Geschichte der Seiden-Industrie Oesterreichs, deren Ursprung und Entwicklung bis in die neueste Zeit, vermutlich derzeit in Digitalisierung: urn:nbn:de:zbw-8412557847.
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[240] Vom Werte der Seide. „Was das Gold unter den Metallen, der Diamant unter den Edelsteinen, das ist die Seide unter den Textilstoffen: der kostbarste, weil der schönste, glänzendste, widerstandsfähigste. Deshalb ist auch die Seide die Königin unter den Fasern. Die Seide bildet ein Glied in jener Trias, welche den begehrtesten Schmuck der Frauen aller Stände und Weltteile abgiebt.“ So rühmt ein Sachverständiger, Professor W. F. Exner, den kostbaren Stoff, den uns der Seidenwurm schenkt. Aber wie alles in der Welt, so schwankt auch die Seide in ihrem Werte. Das wissen namentlich die älteren von unseren Leserinnen aus eigener Erfahrung, und es wird für sie gewiß nicht ohne Interesse sein, die Gestaltung der Seidenpreise im Laufe unseres Jahrhunderts kennenzulernen. Franz Bujatti in Wien, der Verfasser der Schrift „Die Geschichte der Seidenindustrie Oesterreichs“, die als vierte unter den Abhandlungen des „Museums für Geschichte der österreichischen Arbeit“ soeben erschienen ist, hat darin eine sehr lehrreiche Zusammenstellung der Seidenpreise seit dem Jahre 1800 bis zum Jahre 1892 gegeben. Es wurden dabei als Maßstab die Durchschnittspreise der von den besten Cocons gewonnenen Organsinseide in „sublimer Qualität“ gewählt. Ein Kilogramm dieser Seide kostete im Jahre 1800 im Durchschnitt 45 Mark: im Laufe des ersten Jahrzehntes stieg der Preis bis auf 60 Mark und schwankte, einige wenige Ausnahmen abgerechnet, zwischen den beiden Grenzen. Dann kam eine Zeit, wo der Seidenwert durch verschiedene Ereignisse stark beeinflußt wurde. Die Seide ist ein Luxusartikel und wird als solcher in unruhigen und kriegerischen Zeiten weniger begehrt, was ein Sinken des Preises zur Folge hat. So sehen wir auch, daß die Revolutionsjahre 1830 und 1848 die niedrigsten Seidenpreise von 40 Mark mit sich brachten. Die Krisis wurde aber bald überwunden, und schon im Jahre 1853 betrug der Preis 73 Mark.

Da kam 1854 der Krimkrieg und die Preise sanken wieder auf 50 Mark. Bald darauf, im Jahre 1856, trat eine Katastrophe in der Seidenerzeugung ein, die Raupen wurden von einer epidemischen Krankheit, der Pebrine, ergriffen, die Seide wurde seltener und infolgedessen teurer. 1857 kostete ein Kilo Organsin bereits 88 bis 90 Mark, auch in den folgenden Jahren mehr als 80 Mark, und der Krieg in Amerika vermochte diesen Satz nur bis auf 60 Mark herabzudrücken. Nach dem Friedensschluß im Jahr 1865 wurden aber bereits 94 Mark notiert, und auch im Kriegsjahr 1866 gingen die Preise nur bis 80 Mark hinunter. Im Jahre 1868 aber wurde der höchste Preis dieses Jahrhunderts erreicht. Das Kilo Organsin kostete 112 Mark, fast dreimal soviel wie in den Jahren 1830 und 1848.

Bald jedoch wurden die Preise durch den deutsch-französischen Krieg auf 75 und 72 Mark herabgedrückt. Im Jahre 1872 begannen sie zwar wieder zu steigen, aber sie konnten die frühere Höhe nicht mehr erreichen, denn inzwischen war es dem berühmten Bakteriologen Pasteur gelungen, Mittel zur Bekämpfung der Seidenraupenkrankheit zu entdecken, die alsbald die allgemeinste Verbreitung unter den Seidezüchtern fanden. So bezahlte man im Jahre 1875 nicht mehr als 56 Mark. Im Jahre 1876 stieg der Marktwert noch einmal infolge geringer Ernten in Italien auf 96 Mark, aber von da an wurde ein stetiges Fallen verzeichnet. Im Jahre 1885 wurde mit 37 Mark der niedrigste Preis des Jahrhunderts erzielt und von da an schwankten die Preise bis auf die Gegenwart zwischen 40 und 50 Mark. Nach vielen Wandlungen kostet die Seide am Ende des 19. Jahrhunderts annähernd ebensoviel in Mark ausgedrückt wie am Anfang des Jahrhunderts, aber im Laufe der neunzig Jahre ist der Wert des Geldes ein geringerer geworden, und so können wir mit Recht sagen, daß die Seide billiger geworden ist. *