Vom Weihnachtsbüchermarkt (Die Gartenlaube 1884/50)

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Vom Weihnachtsbüchermarkt
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 830–832
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Vgl. Vom Weihnachtsbüchermarkt. I. sowie V., 1884
Rubrik: Vom Weihnachtsbüchertisch
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[830]

Vom Weihnachtsbüchermarkt.

III.

Wer mit dem Gedanken an seine Lieben zum Büchertisch des Weihnachtsmarktes eilt, dem schweben auf seinem Wege neben den unvermeidlichen Bilderbüchern für die Kleinen in der Regel auch Gedichte in festlichem Einbande vor Augen, und wenn er sonst das ganze Jahr die Prosa selber wäre. Da sich also mit den Christfesttagen für unsere dichterischen Schöpfungen die glückselige Zeit ihrer größten Beachtung naht, so dürfen wir nicht säumen, unsern Lesern auf dem großen Gabentische Dasjenige anzuzeigen, was sie mit voller Befriedigung im Bescheerungspakete mit heimtragen können.

Besonders beliebt als Festgeschenke sind Sammlungen aus dem Reichthum unseres Dichterwaldes. Da finden wir: „Deutsche Lyrik der Gegenwart seit 1850. Eine Anthologie mit biographischen und bibliographischen Notizen. Herausgegeben von Ferdinand Avenarius. Dresden, Louis Ehlermann, 2. Auflage 1884.“ Das Werk zeichnet sich durch die Strenge seiner Auswahl aus. Die Ausstattung im Aeußern und Innern zeugt von feinem Geschmack.

In einfacherem Gewande und mit geringeren Ansprüchen tritt daneben ein „Sächsisch-thüringisches Dichterbuch, herausgegeben von G. Emil Barthel (Halle an der Saale, Otto Hendel)“ auf. Es schließt sich würdig an das früher erschienene „Neue Münchener Dichterbuch,“ herausgegeben von Paul Heyse, an, welches allerdings berühmtere Dichternamen aufzuweisen hat. Ist das Barthel’sche Buch auch nur ein Provinzial-Musenalmanach, so kommt es doch aus dem sangreichen Herzen Deutschlands, dem es nie an Dichternamen gefehlt hat, die auch jenseit seiner engen Grenzen guten Klang haben.

Auf den Bescheerungsplatz für „höhere Töchter“ bis zu den Bräuten hinan gehört die in jeder Beziehung mit Geschmack und Pracht ausgestattete Festgabe: „Im Kranze des Jahres. Ein Gedenk- und Gedichtbuch für’s Haus. Mit 12 Illustrationen in Farbendruck, nach Aquarellen von Julius Hoeppner. 2. Auflage. Leipzig, E. Zehl.“ Wir haben mit diesem Buche nichts mehr und nichts weniger, als einen höchst eleganten Kalender vor uns. Jeden Monat führt eines der 12 Farbendruckbilder, lieblichste Genien- und Kindergruppen, ein, dann folgen 4 Seiten Gedichte, 2 liniirte Seiten zu Einzeichnungen für Gedenktage und 4 leere Blätter für Notizen etc. Der poetischen Beigaben sind es 59 von 47 Dichtern ersten Ranges.

Beiden Geschlechtern für die richtige Lenkung der Herzen zum Glück gewidmet sind: „Liebesgrüße. Blumen aus dem Garten der Poesie, gesammelt von Julie Dohmke. Mit 12 Illustrationen nach Zeichnungen von J. G. Fuellhaas. Leipzig, Friedrich Brandstetter.“ Die Herausgeberin sagt ausdrücklich, daß sie aus diesen Liebesgrüßen die Klage gänzlich verbannt habe, damit sie der Jugend einen Frühlingsgruß glücklicher Liebe und dem Alter das Echo freundlicher Erinnerungen bringen.

Die „Liebesgrüße“ gelten auch den Müttern, aber die Mutterwürde steht doch zu hoch, als daß ihr nicht ein eigenes Buch gebühren sollte. Ein solches liegt auf dem Gabentisch, und es ist da entstanden, wo die Poesie des Familienlebens schon so viel Schönes gedeihen ließ: in einem protestantischen Pfarrhause. Von Julius Hartmann empfingen wir einen „Liederschatz der deutschen Mutter. Fünfhundert den Müttern gewidmete Dichtungen aus drei Jahrtausenden gesammelt. Stuttgart, Paul Neff.“ – „Bei meinen Kindern,“ sagt der Verfasser, „unter den Augen ihrer Mutter, ist diese Sammlung im Haus für das Haus entstanden, uns Eltern eine reiche Quelle der Freude und des Trostes, Vielleicht findet auch in anderen Häusern manch gutes Wort daraus einen guten Ort.“ Die Ausstattung des trefflichen Buches ist eine ganz weihnachtfestliche.

Ein in diesem Jahre zum fünfundzwanzigsten Male erscheinendes Album ist „Deutsche Kunst in Bild und Lied. Originalbeiträge deutscher Dichter, Maler und Tonkünstler, herausgegeben von Albert Traeger. Leipzig, Berlin, Wien, Julius Klinkhardt“. Herausgeber und Verleger haben für diese „Jubiläums-Ausgabe“ das Beste geleistet. Die künstlerische Ausstattung ist die bekannte von der Kunstanstalt von J. G. Bach in Leipzig, unter den Dichtern finden wir nur gute Namen der Lyrik der Gegenwart, und die Namen der Componisten sind Victor Neßler, Franz Oberreich und Albert Tottmann. Ein Verzeichniß der Mitarbeiter am Werke seit 25 Jahren zählt 274 Dichter, 291 Maler und 45 Tonkünstler auf. Von diesen 610 schaffenden Geistern ist eine große Anzahl heimgegangen. A. Traeger’s Weihelied schließt mit den Versen:

„Mag flüchtig unser Werk verwehen,
Noch eh’ von uns der Letzte schied,
Wird doch in Ewigkeit bestehen
Die deutsche Kunst in Bild und Lied!“

Aus der Verlagshandlung von Breitkopf und Härtel in Leipzig sind drei Liederbücher hervorgegangen, welche innerlich und äußerlich ein zusammengehöriges Trifolium bilden. – Wir stellen voran „Deutsche Soldaten- und Kriegs-Lieder aus fünf Jahrhunderten (1386 bis 1871). Gesammelt und herausgegeben von Hans Ziegler“ (in Stuttgart). Ein Buch, das jedem denkenden Leser ohne weiteren Commentar das Leben und Treiben der deutschen Soldaten während eines halben Jahrtausends veranschaulicht, ist ohne Frage jetzt für jeden deutschen Jüngling und jungen Mann ein werthvolles Festgeschenk.

Als zweites nennen wir das „Allgemeine Reichs-Commersbuch für deutsche Studenten. Begründet von Müller von der Werra, neu herausgegeben von Felix Dahn und Karl Reinecke. 7. Auflage. Mit einem Titelbild von A. von Werner.“ Dieses Unternehmen verdankt sein Glück der Stimmung der Zeit, in welcher es in’s Leben trat. An der Neugestaltung desselben arbeiteten zwei Männer sich Hand in Hand, deren Namen dafür bürgen, daß sie ein würdiges Festgeschenk für die akademische Welt geliefert haben.

[821] Ueber diesen Kreis hinaus strebt das dritte, das „Liederbuch des deutschen Volkes“ in seiner neuen Auflage. Dieses Buch ist seit 1843 im Gange. Bisher aber hatte der eigentliche Urheber desselben sich nicht genannt, und erst in dieser neuesten Auflage erfahren wir, daß es kein Geringerer ist, als der nun vierundachtzigjährige Greis an Jahren und Jüngling im Herzen, der tapfere Streiter auf geistigem und geistlichem Gebiete, Karl Hase, über ein halb Jahrhundert der Stolz und Schmuck der Universität Jena. Das genügt vollauf zur Empfehlung des Buchs für Alle, welche sich freuen, zum „deutschen Volk“ zu gehören. Daß der an Geist so reiche und noch so frische ehrwürdige Herr sich für die Arbeit an der neuen Auflage die zwei bewährten Männer Dahn und Reinecke zu Gehülfen beigezogen, dient zu der Beruhigung, daß Niemand an diesem Festgeschenk einen Fehlkauf zu bereuen haben werde.

Auch die epische Poesie hat für den Weihnachtstisch manches Empfehlenswerthe aufzuweisen.

An die Spitze stellen wir das Werk eines Siebenbürger Sachsen: „Reinold. Ein Bild aus den Karpathen, von Gustav Schüller. 2. Auflage, Wien, Carl Graeser.“ Es ist ein vaterländisches Heldenlied, denn es schildert das Leben der Deutschen und ihren Kampf gegen die Türken in und vor Hermannstadt um die Mitte des 15. Jahrhunderts. So einfach die Handlung an sich ist, so mannigfach sind die auftretenden Gestalten, und die Darstellung fesselt durch ihre edle Sprache und durch die kräftigen, von feinem Humor überall rechtzeitig erfrischten Schilderungen den Leser vom Anfang bis zum Ende. Das Büchlein Schüller’s ist trotz seiner einfachen Ausstattung eines der werthvollsten Festgeschenke.

Dem Kaiser Wilhelm gewidmet ist:„Königin Luise. Vaterländische Romanzen von Gustav Weck. Paderborn, Ferdinand Schöningh.“ Der Dichter theilt den reichen Inhalt seiner Dichtung in drei Bücher: 1) Segnend und gesegnet, 2) Aus Tagen des Leids, 3) durch Kreuz zur Krone. Jede der 32 Romanzen ist eine tüchtige Leistung, alle greifen tief zu Herzen, alle sind ihres erhabenen Gegenstandes würdig; wer nur eine derselben gelesen hat, legt das Buch nicht wieder aus der Hand, bevor er sie alle gelesen.

Empfehlenswerth ist ferner die von Anna Forstenheim in Wien episch behandelte rumänische Volkssage von „Manoli“ (Wien, Carl Konegen), dem ehrgeizigen Baumeister, der bei dem Kirchenbau von Argis sein eigenes Weib einmauern ließ, wie er dem Bösen gelobt hatte, damit dieser sein Meisterwerk vollenden helfe; ebenso Ewald Böcker’s lyrisch-episches Gedicht „Melitta“ (Frankfurt am Main, C. Jügel’s Nachfolger [Moritz Abendroth]), das vor uns das ergreifende Bild eines stillen Familienschicksals – den Untergang zweier Liebenden – aus unserm letzten großen Kriege entrollt.

Neben der gewöhnlichen kleinen und der großen illustrirten Prachtausgabe von Victor von Scheffel’sTrompeter von Säckingen“ erscheint nun bei Bonz in Stuttgart auch eine handliche kleine Prachtausgabe mit den Bildern von A. von Werner, welche auch in dieser Verkleinerung nichts von ihrer bekannten Wirkung verlieren.

Die vielen Verehrer der dichterischen Schöpfungen von Adolf Friedrich Graf von Schack erfreuen sich einer neuen Gabe desselben, die unter dem Titel „Tag- und Nachtstücke“ (Stuttgart, J. G. Cotta’sche Buchhandlung) eine Reihe poetischer Erzählungen enthält, welche sowohl durch ihre interessanten, den verschiedensten Zeiten und Welttheilen entnommenen Stoffe, als durch die meisterhafte Behandlung sich auch viele neue Freunde edlerer Poesie erwerben werden.

An diese Festgeschenke schließen sich gleich würdig an: Ludwig Soyaux’ „Renate“, eine Künstlergeschichte vom Rhein (Reudnitz bei Leipzig, A. H. Payne). Scene und Staffage unterstützen den Dichter in der Vollendung eines lebensvollen Familienbildes, das reich an ergreifenden Einzelnheiten ist und überall dem Volkston sein Recht läßt. Ferner:

H. Bruns’ „König Enzio“ (Bremen, J. Kühtmann); M. E. delle Grazie’s „Hermann“, deutsches Heldengedicht in zwölf Gesängen (2. Aufl., Wien, Karl Konegen); Anna Weidenmüller’s „Schildheiß“, eine deutsche Sage in sieben Gesängen (Kassel, A. Freyschmidt); und schließlich eine neue Bearbeitung des nächst dem Nibelungenliede größten deutschen Heldengedichtes, das, wie jenes, dem deutschen Volke noch immer fremd geblieben: „Gudrunlied“. In neuhochdeutschen Versen nachgedichtet von Dr. Richard Weitbrecht (Stuttgart, J. B. Metzler) soll in dieser Form endlich auch für die weitesten gebildeten Kreise unserer Nation ansprechend und fesselnd gemacht werden, und wir freuen uns, sagen zu können, daß dem Verfasser dies gelungen ist.

Auf dem üppigsten Felde poetischer Production, dem des lyrischen Gedichts, ist die Auswahl schwerer, als auf jedem anderen, nicht nur weil die Menge des Gebotenen eine so große, sondern weil auch der Geschmack der Menschen so verschieden ist. Untrüglich kann hier nur die Empfehlung neuer Auflagen bewährter Dichter sein. Wir nennen hier vor Allen die unseren Lesern zunächst stehenden Lyriker der „Gartenlaube“, von welchen soeben erschienen:

Albert Traeger’s „Gedichte“ in der 16. vermehrten Auflage;

Emil Rittershaus’ „Neue Gedichte“ in 4. Auflage; dazu eine Sammlung: „Am Rhein und beim Wein“.

Ernst Scherenberg, „Gedichte“ und „Neue Gedichte“ in 2. Auflage.

Rudolf von Gottschall, „Friedens- und Kriegsgedichte“ („Janus“) in 2. Auflage.

Auch an die Poesie lieber Todten, R. Prutz’ „Buch der Liebe“ (5. Auflage) und L. Schefer’s „Letzte Klänge“, „Für Haus und Herz“, darf hier wohl erinnert werden. Eine neue Bereicherung desselben Verlags sind die sehr geschmackvoll ausgestatteten „Heimchen“, Gedichte von A. Ohorn.

Ebenso erfreut uns eine dritte vermehrte Auflage von Paul Heyse’s Gedichten (Berlin, W. Hertz [Besser’sche Buchhandlung]). Sollten diese von Rechtswegen auch keiner Empfehlung mehr bedürfen, so sind doch seltsamer Weise selbst die Verehrer Heyse’s so daran gewöhnt, in diesem Dichter ausschließlich den Novellisten zu bewundern, daß sie dem Lyriker kaum Beachtung schenken. Und doch sind Heyse’s lyrische Gedichte aus dem echten Golde der Poesie geprägt! Möchte sich diese Erkenntniß mehr und mehr auch in jenen Kreisen verbreiten, in welchen man leider nur zu leicht geneigt ist, glänzendes Truggold für echtes zu nehmen.

Nicht zu den alten, aber zu den beachtenswerthen Gaben der Dicht kunst gehören: „Bunte Blätter. Dichtungen aus Heimath und Fremde von Albert Kleinschmidt. (Bensheim, Lehrmittelanstalt J. Ehrhard u. Comp.) Der sehr begabte Verfasser (geborener Gothaer, jetzt Seminarlehrer zu Bensheim an der Bergstraße) zeigt sich, wie sein Geistesverwandter Hermann Lingg von ihm rühmt, eifrig bemüht, dem Gebiete der Lyrik neuen Stoff zuzuführen und sich correctester Form zu befleißigen. Je schwerer es heute einem Anfänger gemacht wird, desto mehr ist es einem so braven Ringer zu wünschen, daß er im Strom der lyrischen Erscheinungen mit obenauf komme. Wer nur ein Stück von jeder der vier Abtheilungen dieser Gedichte (Völkerleben, Zonenbilder, Im Wechsel der Tage, Liebesklänge) gelesen, wird das Buch behalten, und schon das Lied „Meiner Mutter“ muß dem Dichter die Herzen gewinnen.

Zu den jüngsten Dichterinnen der „Gartenlaube“ gehört Sophie von Khuenberg (in Graz), deren kleine, geschmackvoll gedruckte Sammlung „Frost und Flammen“ (Leipzig, A. G. Liebeskind) so reich an zarten, sinnigen Blüthen echter Poesie ist, daß sie als Weihnachtsgabe ihren Platz zieren wird.

Doppelt zu beachten, um ihres Werths und des Schicksals willen, dem der Verfasser erlag, sind die „Gedichte von Heinrich Leuthold“ (Frauenfeld, J. Huber), jenem genialen Schweizer, welcher nach einem harten, ruhelosen Leben mit unnachtetem Geist im Irrenhause Burghölzli bei Zürich am 1. Juli 1879, im zweiundfünfzigsten Jahre, gestorben ist. Die trefflich ausgestattete 3. Auflage enthält auch das Bildniß und eine Lebensdarstellung des Dichters aus der Feder Jacob Baechtold’s in Zürich, die wir als ein schönes Denkmal für das Grab des armen Dichters anerkennen müssen. Die Gedichte sind eine würdige Weihnachtsgabe.

Heinrich Vierordt’s „Lieder und Balladen“ erhielten eine Fortsetzung „Neue Balladen“ (Heidelberg, C. Winter’sche Universitätsbuchhandlung). Der junge süddeutsche Dichter versteht es, wirksame Stoffe aus dem Völker- und Fürstenleben zu wählen und bewährt Kraft und Wärme für entsprechende Darstellung. Die neuen Balladen schließen mit der trefflichen Dichtung „Der Traum von Miramar“, welche die Eigenthümlichkeiten seiner Schaffensweise nach allen Seiten darthut. Freunden der Balladenpoesie ist damit eine Festfreude zu bereiten.

Auch auf dem Gebiete des Romans, der Novelle und Erzählung wird von Autoren und Verlegern für die Weihnachts- und Neujahrszeit fleißig gearbeitet, und es liegt uns auch von diesen des Preiswürdigen Vieles vor. Wir behalten uns vor, in unserer nächsten Nummer darüber kurz zu berichten. Fr. Hfm.     


IV.

Zum Schluß möchten wir die Aufmerksamkeit unserer Leser auf die jenigen Erzeugnisse des Buchhandels lenken, die praktische Ziele verfolgen: auf die populär-wissenschaftliche Literatur und Werke, welche zu allerlei nüblichen Beschäftigungen anleiten sollen.

Wir denken zunächst an die populäre Naturwissenschaft. Sie weist eine stattliche Reihe von Werken auf, die nach den einzelnen Disciplinen und dem Alter der Leser in besondere Classen zerfallen. Schon für das Kindesalter weiß sie zu sorgen und liefert ihm jene unzerreißbaren Bücher, in denen es von Thieren und Pflanzen aller Art wimmelt. Für diese Weihnacht ist in diesem Genre in C. Hänselmann’s Verlag in Stuttgart die „Naturgeschichte“ erschienen, die auf 20 unzerreißbaren Foliotafeln dem Kinde 300 Thierarten vorführt. Ein Naturforscher muß über diese Thierbilder lachen, ein Künstler würde vor ihnen davonlaufen, aber der Pädagoge wird sie unbedingt als zweckmäßig loben. Die Thierbilder sind nämlich ihren Originalen in der Natur nur ähnlich und ihre charakteristischen Merkmale stark übertrieben, wir sehen sozusagen Thierschablonen. Aber gerade dadurch erreicht das Bilderbuch seinen Zweck, dem Kinde prägen sich bei dem Anblicke dieser Bilder die grellsten Farben ein: es merkt sich für immer, daß dieser Vogel einen rothen, jener einen blauen Kopf hat, und damit ist der Zweck des Buches erfüllt, die „unzerreißbaren“ Tafeln werden doch zerrissen, bevor das Knabenalter erreicht wird.

In diesem muß die Natur mit schärferem Auge beobachtet werden, jetzt muß dafür gesorgt werden, daß kein falscher Begriff, keine Unwahrheit sich dem Gedächtnisse einprägt. Das beste Unterrichtsmittel bleibt allerdings die Natur selbst, und der Knabe wandert hinaus, um Pflanzen zu sammeln und Schmetterlinge zu fangen. Da heißt es aber, diesen Trieb durch gute Hülfsmittel zu unterstützen, und nun treten an Stelle der „Bilderbücher“ gute Bilderatlanten, nun ist es an der Zeit, dem jungen Pflanzensammler ein Buch wie „Botanischer Bilderatlas“ von Karl Hoffmann (Verlag von Julius Hoffmann in Stuttgart) oder dem Schmetterlingsjäger das „Buch der Schmetterlinge und Raupen“ von Dr. H. Rockstroh (Halle, Herm. Gesenius) in die Hand zu geben. Als Leitfaden zur Naturbeobachtung und Führer auf Ausflügen und Sammelexcursionen leistet auch vorzügliche Dienste das reich ausgestattete zweibändige Werk „Deutschlands Thierwelt nach ihren Standorten eingetheilt“ von Prof. Dr. Gustav Jäger (Verlag von Gebr. Kröner, Stuttgart). Bis in das Jünglingsalter werden alsdann diese Bücher eine unerschöpfliche Quelle der Belehrung für die Beschenkten bleiben, und mit ihrer Hülfe werden die kleinen Naturfreunde etwas sehr Wichtiges lernen, die in Feld und Flur gefundenen Pflanzen und Insecten ohne Hülfe des Lehrers zu classificiren, sie werden auf ihrem Lieblingsgebiete frühzeitig zu dem, was im Leben so ungemein wichtig ist, zu selbstständigen Arbeitern.

Und wenn noch einige Jahre vergehen, so wird der Freund des Pflanzenreiches freudig nach der ihm dargebotenen Reihe von Vorträgen aus dem Gebiete der Botanik von Dr. Ferdinand Cohn greifen, die [832] unter dem Titel „Die Pflanze“ (J. U. Kern's Verlag in Breslau) erschienen sind. Er wird dem berühmten Forscher, der so geistvoll plaudern und populär schildern kann, auf ihm früher unbekannte geistige Höhen folgen und das Leben und Wirken seiner stillen Lieblinge in ihrer großartigen Bedeutung im Haushalte der Natur und im steten Gange der menschlichen Civilisation kennen lernen.

Ihn werden auch in späteren Jahren die poetischen und doch sachverständigen Schilderungen aus der Naturgeschichte und Geographie der Baumwelt fesseln, die Hermann Jäger unter dem Titel „Deutsche Bäume und Wälder“ (Leipzig, Karl Scholtze) verfaßte, und die das beste populäre Bild des deutschen Waldes geben.

Für den anderen wird inzwischen die Zeit gekommen sein, wo er fleißig in dem zweibändigen illustrirten Werke von Adolf und Karl Müller in „Thiere der Heimath“ (Vertag von Theodor Fischer, Kassel) blättert und mit den genauen Kennern unserer heimischen Thierwelt einen geistigen Bund bis in die spätesten Jahre seines Lebens schließt. Brehm’sIllustrirtes Thierleben“, von dem die zweite colorirte Auflage vor Kurzem erschienen ist, wird alsdann seinen Gesichtskreis erweitern und ihn mit der Thierwelt fremder Zonen vertraut machen. Und wessen Geist gereift ist und Lust empfindet, die neueren Bahnen der Wissenschaft einzuschlagen, der findet in dem glänzend ausgestatteten Prachtwerke „Die Säugethiere“ von Prof. Dr. Carl Vogt (Bruckmann, München), welches der vorzügliche Kenner der Thiercharaktere Fr. Specht illustrirt hat; wichtige Aufschlüsse über die Thierarten und ihren Ursprung. Der frische Geist der modernen Forschung belebt hier das Ganze, und es unterliegt keinem Zweifel, daß „Die Säugethiere“ zu den originellsten und interessantesten Werken gehören, welche in der Gegenwart über Zoologie geschrieben wurden.

Werke, die zu nützlichen Beschäftigungen anleiten sollen, sind jetzt, wo überall von der Hebung des Kunstgewerbes die Rede ist und wo der Handfertigkeits-Unterricht der Jugend Mode geworden, wie Pilze nach einem warmen Regen aus der Erde geschossen. Als Weihnachtsgeschenke eignen sich vorzüglich die mannigfaltigen Vorlagen für Frauenarbeiten und Anleitungen zu denselben.

Als ein Werk, welches uns in die Vielseitigkeit der Arbeiten der modernen Frauenhand blicken läßt, möchten wir zunächst „Das Kunstgewerbe in Frauenhand. Blätter zur Beförderung einer guten Geschmacksrichtung in der Frauenarbeit in Schule und Haus“ von C. von Braunmühl (Ernst Heitmann in Leipzig) empfehlend erwähnen. Die Damen werden in demselben über alle jene neuen Arbeiten belehrt, die Nutzen bringen und in der Mode sind: abgesehen von der Krenzstichstickerei und der Holbeintechnik lernen sie aus demselben Tischplatten in einer Imitation von Intarsia herstellen, auf Porcellan malen und feine Servirplatten mit eleganter Aetzarbeit schmücken. Ja, das Buch steht auf der Höhe der Zeit, unsere Frauen wollen, sofern sie dazu Zeit haben, an der Hebung des Kunstgewerbes mitwirken, und wenn es unsere Frauen einmal wollen, so bleibt uns wohl nichts Anderes übrig, als die Werke ihrer schönen Hände zu bewundern.

Der solide deutsche Buchhandel ist liebenswürdig und galant genug, den Damen diese Arbeit zu erleichtern und er warf eine Kartätschenladung von Vorlagen für Porcellanmalerei auf den heurigen Weihnachtsmarkt. An irdischen Rosen, Nelken, Veilchen und anderen Blumen, an allerlei Insecten, von dem buntesten Schmetterling bis zu der unscheinbarsten Motte, ist in diesen Vorlagen kein Mangel vorhanden. Sie alle eignen sich vorzüglich, um die Vasen, Kannen, Tassen und Teller mit den reizendsten Symbolen der vier Jahreszeiten zu bemalen. Unsere Damen können getrost die rohen Porcellanwaaren aus den Fabriken beziehen und, nachdem sie dieselben mit dem nöthigen Farbenschmuck versehen, wiederum in die Fabrik zum Einbrennen senden. Wir haben dagegen nichts einzuwenden, ein Teller, mit einem solchen Schmuck versehen, wird entschieden besser behandelt werden, als das Product eines uns unbekannten Fabrikkünstlers.

Von den vielen „Vorlagen für Aquarell- und Porcellanmalerei“ sind etliche, die wir gesehen haben, so formvollendet, aber auch so sündhaft theuer, daß wir sie an dieser Stelle nicht erwähnen wollen. Recht geschmackvoll und billiger sind die von Julius Höppner herausgegebenen und in der Arnoldischen Buchhandlung in Leipzig erschlenenen Vorlagen, die wir zur „gefälligen Beachtung“ mit gutem Gewissen empfehlen können.

Dasselbe können wir auch von den „Muster altdeutscher Alphabete und moderner Monogramme“ für Kreuzsticharbeiten sagen, die von Frau Dr. M. Beeg-Aufseß und Frl. J. v. Salzberg herausgegeben wurden (Leipzig, Ernst Heitmann), obwohl wir uns mit einigen Blättern, auf denen die Buchstaben aus dem Arabeskengewilder nicht herauszuerkennen sind, nicht einverstanden erklären mögen; denn ein Buchstabe, den man nicht lesen kann, dürfte auch auf dem Taschentuch oder der Serviette seinen Beruf verfehlt haben. Bei richtiger Auswahl bietet jedoch das Werk viel Schönes und Empfehlenswerthes.

Die „Muster alter und moderner Stickereien“ (Ernst Heitmann, Leipzig), an welchen mehrere Meisterinnen und Meister gearbeitet haben, sind dagegen so hübsch in ihrer Zusammenstellung, daß ihr Besitz überall Befriedigung und Freude erregen wird. Zu bemerken ist noch, daß die in früheren Jahren rühmlichst anerkannten „Muster stilvoller Handarbeiten“ von E. Bach (R. v. Waldheim, Wien.) in ihrer neuesten Auflage ein sehr elegantes und überall willkommenes Geschenk bilden.

Ehre den Künstlern! Aber dabei müssen wir die praktischen Geschäftsleute nicht vergessen, die auf dem Wege der vervielfältigenden Kunst die Werke der Meister der großen Masse zugängig machen. Da hat A. Kramer, bekannt durch sein „Handbuch für weibliche Arbeit“, eine neue Erfindung gemacht, die wohl berufen zu sein scheint, eine Revolution in der Stickmusterfabrikation zu veranlassen. Unsere Leserinnen kennen die Gummi-Abziehbilder, mit denen die liebe Jugend Fensterscheiben, Lampenschirme und Tassen oft sehr gegen den Willen der Eltern zu schmücken pflegt. Die neue Erfindung, „Kramer’s Abziehstickmuster“ (E. Twietmeyer, Leipzig) beruht auf ähnlichem Princip. Es sind dies auf Papier gedruckte, bunte Kreuzstichmuster, welche auf Leinwand (oder sonst ein Gewebe) gelegt, mit Wasser befeuchtet und dann sofort abgezogen werden. Die Farben, mit welchen die Stickmuster gedruckt wurden, haften nun fest auf der Leinwand. Die Muster bieten also dieselben Vorlagen, wie die bekannten gleich auf Zeug vorgedruckten Muster, haben jedoch den Vorzug, daß man bei ihrer Verwendung den Stoff nach Geschmack und Bedürfniß wählen kann. Da der Verleger sich redlich Mühe gab, hervorragende künstlerische Kräfte für die Zeichnung der einzelnen Muster heranzuziehen, so wird sich diese praktische Erfindung sicher überall Bahn brechen.

Wir glauben im Vorstehenden genügende Winke für die Anschaffung praktischer und nützlicher Bücher gegeben zu haben, wir sind überzeugt, daß Niemand behaupten wird, für die oben erwähnten anerkannten und neuesten Erzeugnisse des Buchhandels unnützer Weise Geld ausgegeben zu haben. –i.