Vom Reichsfürstenstande/Gesammtbezeichnungen der Grossen

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IX.

91Fassen wir nun aus den Erörterungen über die Erhebung in den Fürstenstand das wieder auf, was uns zunächst zu ihnen veranlasste, so fanden wir, dass seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts Personen, welche nach dem ältern Begriffe des Reichsfürstenstandes diesem unzweifelhaft von vornherein angehört hätten, jetzt einer besondern Erhebung [129] bedurften, um demselben zugezählt zu werden; es musste sich mindestens bereits im J. 1188, zur Zeit der Erhebung des Grafen von Hennegau, ein von dem früheren wesentlich verschiedener Begriff des Fürstenstandes ausgebildet haben.

Wollen wir es nun versuchen, davon ausgehend Zeit und Art der Aenderung des Begriffes genauer zu verfolgen, so dürfen wir nach dem ganzen Gange der deutschen Verfassungsgeschichte wohl von vornherein schliessen, dass wir hier nicht auf eine plötzliche Aenderung des früheren Herkommens, auf irgend eine Aeusserung gesetzgeberischer Thätigkeit stossen werden, sondern auf einen allmäligen Uebergang; wie der geschlossene Kreis der Wahlfürsten zur Zeit des Interregnum, so tritt uns ein enger abgegränzter Fürstenstand bei der Erhebung des Grafen von Hennegau sogleich in einer Weise vor Augen, als handle es sich um ein Verhältniss, welches von jeher so gewesen; vergebens suchen wir in den Annalen nach einer Thatsache, welche uns den Abschluss des alten, den Beginn des neuen Verhältnisses bezeichnen könnte. Scheint sich doch auch in den nächstfolgenden Dezennien der Kreis der Pares Franciae so unmerklich geschlossen zu haben, dass das, was keiner der Zeitgenossen beachtete, von der neuern Forschung nur mit Wahrscheinlichkeit an ein bestimmtes Ereigniss angeknüpft werden kann.

Wo es sich nun um die Feststellung eines solchen allmälig entstehenden Verhältnisses handelt, wird uns der am leichtesten schrittweise zu verfolgende 'Sprachgebrauch der Reichskanzlei bei Bezeichnung der Grossen das nächstliegende Hülfsmittel bieten; wie wir darnach vorzugsweise den ältern Zustand festzustellen suchten, so wird sich voraussichtlich in demselben der Uebergang zum neuen abspiegeln.

Fanden wir früher den Gebrauch, alle beim Kaiser anwesende Grosse bis zu den Reichsministerialen hin als Principes zu bezeichnen, so mussten wir daraus schliessen, dass überhaupt wenig Gewicht auf den Ausdruck Princeps gelegt wurde. Mit der scharfen Betonung desselben bei den Erhebungen, mit dem grossen Gewichte, das man jetzt in den Urkunden oft auf die Fürsten legt, welche der Kaiser schon 1187 als capitales Romani columpnas imperii videlicet illustres principes nostros bezeichnet[1], wäre ein solcher, Gebrauch schwerlich mehr vereinbar; und das oben[2] angeführte Beispiel vom J. 1177 ist wirklich das letzte, in welchem ich ihn bestimmt nachzuweisen wüsste. Eine sehr auffallende späte Ausnahme bietet allerdings noch die Urkunde über die Aechtung der Stadt Parma im J. 1220, wo es heisst: Principes vero imperii ab imperatore super hoc requisiti – fuerunt patriarcha Aquilejensis, cancellarius, prepositue camere, mariscalcus, seneschalcus, dapifer, dux Bavarie, marchio de Andechs, dux Spoletanus[3], also sogar Ministerialen den Reichsfürsten zugezählt sind; die Urkunde ist aber nicht von der Reichskanzlei ausgestellt, [130] sondern ein Notariatsinstrument, in welchen sich ähnliche Unregelmässigkeiten nicht selten finden.

92 Das Aufhören eines solchen Gebrauches, welcher eigentlich schon dem frühern Verhältnisse gegenüber als Unregelmässigkeit erscheinen muss, kann für unsere Frage nur geringe Bedeutung haben. Da wir aber bereits nach den bisherigen Untersuchungen einen Hauptunterschied zwischen dem ältern und dem neuern Fürstenstande darin fanden, dass diesem letztern Grafen als solche nicht mehr angehören, so ist es wichtig, dass um dieselbe Zeit in der Reichskanzlei auch der Gebrauch, Grafen als Fürsten zu bezeichnen, aufhört.

Aus den ersten Jahrzehnden der Regierung K. Friedrichs I. konnten wir zahlreiche Belege dafür bringen, dass die Grafen in Kaiserurkunden den Reichsfürsten zugezählt wurden. So noch 1177 in der feierlichen Beurkundung des Friedens mit Sicilien neben dem Reichskanzler die Grafen von Groitsch, Holland, Dietz und Dürn, von welchen der letztere sogar nur ausnahmsweise den Grafentitel führt.[4] Dann werden die Zeugnisse schon unbestimmter. Im J. 1179 urkundet der Kaiser ex consilio principum imperii nostri; dürfen wir hier den Ausdruck Principes auf die aufgeführten Zeugen beziehen, so sind die angesehensten davon der Markgraf von Vohburg, der Burggraf von Regensburg und andere Grafen[5], von denen wir keinen als zu den spätern Fürsten gehörig erweisen können. Im J. 1180 im Januar bestätigt der Kaiser dem Patriarchen von Aglei seine Besitzungen ad interventum fidelium nostrorum, unter denen Kanzler und Protonotar, der bairische Pfalzgraf und die Grafen von Wirtemberg und Veringen; am Ende heisst es dann testes horum sunt praefati principes, et fideles nostri videlicet comes H. de Dietse u. s. w.[6]; es ergibt sich daraus wenigstens eine Unsicherheit im Gebrauche der Ausdrücke.

Das letzte bestimmtere Beispiel, welches ich nachzuweisen vermag, findet sich in einem, allerdings nicht in der Form feierlicher Urkunden abgefassten Schreiben des Kaisers, in welchem er den Untergebenen des Bischofs von Basel mittheilt, dass auf dem Reichstage von Gelnhausen im April 1180 ein Urtheil für den Bischof gefunden sei a cunctis principibus clericis et laicis qui aderant; am Schlusse heisst es: Principes vero, qui in confirmacione predictarum sententiarum convenerunt hi sunt: nämlich eilf Erzbischöfe und Bischöfe, der Kanzler Gottfrid, der Herzog von Limburg, dann fünfzehn Grafen und mitten unter ihnen drei Markgrafen und der Pfalzgraf von Wittelsbach, endlich die Herren von Urslingen und Boland, et multi alii liberi et ministeriales[7]; Ausdruck und Rangordnung wären doch sehr ungeschickt, wenn man die Grafen hier nicht unter den Fürsten mitbegreifen wollte.

Seit dem Jahre 1180 ist der Gebrauch, den Ausdruck Principes auch auf die Grafen zu beziehen, in den Kaiserurkunden nicht mehr [131] nachzuweisen; wir dürfen es nur noch als ausnahmsweise Ungenauigkeit betrachten, wenn z. B. 1228 unter den Zeugen mehrere Grafen angeführt sind und es trotzdem am Schlusse heisst: Acta sunt hec Nuremberc de consensu principum predictorum.[8]

In andern Kanzleien findet sich der alte Brauch vereinzelt wohl noch etwas später; so heisst es nach 1184 in bairischer Urkunde: in praesentia L. ducis Bavariae, ubi principes aderant comes D. de Wazzerburch et comes H. de Mittersele, S. comes de Niunburch, H. lantgravius de Rittenburch u. s. w.[9]; 1188 wird in einem Trienter Notariatsinstrumente der Graf von Orlamünde als Fürst bezeichnet[10]; noch 1198 schreibt der Graf von Dachsburg: nos et alii principes imperii.[11] Mit dem Ende des Jahrhunderts verliert sich aber nicht allein dieser Brauch gänzlich, sondern auch, wie die früher angeführten Beispiele zeigen, die andern Gebrauchsweisen der Ausdrücke Princeps und Principes, welche im Reiche ohne Beziehung auf den Reichsfürstenstand üblich waren; wir finden weder mehr, dass die kleinen lotharingischen Herren sich Fürsten nennen, noch dass ein Grosser von seinen Principes spricht; mit wenigen Ausnahmen finden wir im dreizehnten Jahrhunderte das Wort nur noch für die Reichsfürsten gebraucht.

93Liegt es in der Natur der Sache, dass bei einem solchen sich aller Voraussetzung nach langsam entwickelnden Verhältnisse und bei so ungenügenden Hülfsmitteln von einer genauen Zeitbestimmung kaum die Rede sein kann, so dürfte uns doch das bisher Gesagte berechtigen, zunächst das Jahr 1180 als den Zeitpunkt hinzustellen, an welchem sich der neue Begriff so weit festgestellt haben musste, dass es ihm gegenüber nicht mehr statthaft schien, im Kanzleistile die früher gebräuchlichen Bezeichnungen festzuhalten. Das bestätigt sich weiter bei Beachtung der in der Reichskanzlei üblichen Ausdrücke zur Bezeichnung der Gesammtheit der Grossen des Reichs.

In den Kaiserurkunden war häufig zu erwähnen, dass etwas auf Bitte oder Spruch, mit Rath oder Zustimmung oder doch in Anwesenheit der Grossen geschehen sei. Und zwar nicht bloss der Fürsten; denn vor dem Reiche konnten in den meisten Fällen auch der Edle und des Reiches Dienstmann Zeuge sein und Urtheil finden, wie die Rechtsbücher lehren und der Gebrauch in zahlreichen Stellen bestätigt, in welchen die zustimmenden oder anwesenden Grossen namentlich aufgeführt werden. Nahm nun, wie wir sahen, die Reichskanzlei früher keinen Anstoss, sogar namentlich aufgeführte Grosse bis zu den Reichsministerialen hinab, ja zuweilen selbst diese eingeschlossen, als Principes zu bezeichnen, so kann es natürlich noch weniger auffallen, wenn sie da, wo es nur galt, alle anwesende Grosse in einem Ausdrucke zusammenzufassen, selten Veranlassung nahm, durch den gewählten Ausdruck darauf hinzuweisen, dass nicht alle dem Fürstenstande angehörten. [132] Hie and da finden sich allerdings auch früher die genaueren Ausdrücke Principes et fideles oder Principes et nobiles[12]; aber sie sind als Ausnahme zu betrachten, während es gewöhnlich schlechtweg heisst: petitione, sententia, consilio, consensu principum.

Solche Stellen finden sich noch mehrfach in Urkunden aus den Jahren 1179 und 1180, und zwar in Fällen, wo erweislich oder doch mutmasslich nicht bloss Fürsten im spätern Sinne des Wortes darunter begriffen werden dürfen[13]; in der Verbriefung des kölnischen Herzogthumes in Westfalen vom J. 1180 finden wir die Ausdrücke ex principum querimonia et nobilium, communi principum et totius curiae assensu, daneben aber werden auch schlechtweg die principes genannt.[14] Ebenso heisst es noch in der Constitutio de incendiariis vom J. 1187 im Anfange allerdings genauer consilio principum et aliorum fidelium nostrorum, tam liberorum, quam ministerialium, in der Endformel dagegen schlechtweg in praesentia principum consilio et consensu eorum.[15] Wo später noch in solchen Fällen nur Principes schlechtweg genannt werden[16], werden wir gewöhnlich nachweisen oder mit aller Wahrscheinlichkeit schliessen können, dass auch wirklich nur Fürsten in der späteren Bedeutung darunter zu verstehen sind, werden nur selten genöthigt sein, eine Ungenauigkeit im Ausdrucke annehmen zu müssen.

Dagegen können wir als Regel hinstellen, dass man etwa seit dem J. 1180 in der Reichskanzlei die beim Kaiser anwesenden Grossen verschiedenen Ranges nicht mehr als Principes zusammenfasste; es werden vielmehr von nun an, was früher nur ausnahmsweise geschah, in solchen Fällen dem Worte Principes regelmässig eine oder mehrere Ausdrücke zur Bezeichnung der Grossen niederen Ranges hinzugefügt. Theils um dieses zu beweisen, theils um weitere Kennzeichen für die Abgränzung des Reichsfürstenstandes zu gewinnen, werden wir die Ausdrücke, deren sich die Reichskanzlei zur Bezeichnung der über den Reichsdienstmannen stehenden Grossen bediente, genauer ins Auge fassen müssen; einige wurden bereits in der früheren Periode angewandt, andere treten jetzt erst auf.

94 Zu erstern gehört der Ausdruck Principes et fideles, der umfassendste von allen, da er niemanden ausschliesst. Wir wiesen ihn bereits um den Anfang des zwölften Jahrhunderts in Kaiserurkunden nach[17] und finden ihn wieder zur Zeit K. Friedrichs I.; so 1170: in praesentia principum et multorum aliorum fidelium nostrorum[18]; ähnlich 1177 und 1180[19]; von da ab dann auffallend häufiger.[20]

[133] Auch der Ausdruck Principes et nobiles, welcher der alten Scheidung der Zeugenklassen in den Kaiserurkunden entspricht, war schon früher mehrfach nachzuweisen[21] und wird auch ferner, obwohl nicht gerade häufig, in derselben Weise gebraucht.[22] Dagegen scheint der entsprechende Ausdruck Principes et liberi nicht üblich gewesen zu sein; wir finden überhaupt den Ausdruck Liberi statt des anscheinend früher in den Kaiserurkunden ganz gleichbedeutenden Nobiles nur selten mehr gebraucht.

95Ein bisher noch nicht beachteter Ausdruck, Principes et curia, reicht ebenfalls bis in die Zeiten des ältern Fürstenstandes zurück. So heisst es 1136: iudicio principum et curie nostre; 1140: communi principum nostrorum et generalis curiae nostrae, quae Leodii celebrabatur, consilio; 1153: ab innumeris principibus et tota curia Coloniae iudicatum est[23]; in ähnlicher Weise wird der Ausdruck denn auch später sehr häufig gebraucht.[24] Die Bedeutung des Wortes Curia in dieser Verbindung scheint eine verschiedene zu sein. In manchen Stellen, so in der angeführten vom J. 1140, ist darunter unzweifelhaft die Gesammtheit der auf einem Hoftage Anwesenden, aus welcher die Fürsten ehrenhalber noch besonders hervorgehoben werden, zu verstehen, also insbesondere Edelherren und Reichsdienstmannen; der Ausdruck ist dann kaum weniger umfassend, als der entsprechende Principes et fideles. Heisst es aber etwa 1181: per curiae nostrae sententiam consensu principum approbatam oder 1179: in nostra presentia et curie nostre, principumque et aliorum nobilium[25], so wird die Bedeutung eine andere sein müssen; wir haben entweder an den stehenden Reichshofrath, oder an das für den einzelnen Fall bestellte Reichsgericht zu denken. Auf beide werden wir zurückkommen; für den nächsten Zweck ist es nicht nöthig, den Ausdruck weiter zu verfolgen, da er in keinem Falle eine den Fürsten untergeordnete und von ihnen geschiedene Klasse von Grossen bezeichnet; schon der mehrfach vorkommende Ausdruck Principes et nobiles curiae[26] deutet darauf hin, dass er Mitglieder verschiedener Stände umfasst. Auf dieselbe Linie werden die in ähnlichen Wendungen zuweilen gebrauchten Ausdrücke Principes et prudentes[27] und Principes et sapientes[28] zu stellen sein, wobei in den meisten Fällen an den Reichshofrath zu denken sein wird; wesshalb man es für angemessen hielt, gerade diesen neben den Fürsten ausdrücklich zu erwähnen, werden wir später erörtern.

[134] 96      Die bisher erwähnten Bezeichnungen der Grossen, insofern sie entweder ohne Zusammenhang mit den Standesverhältnissen sind, oder diese doch nicht anders gliedern, als schon früher der Fall war, können unserm Zwecke höchstens in so weit dienen, als wir aus ihrem während der Regierung K. Friedrichs I. häufiger werdenden Gebrauche ersehen, dass man mehr und mehr das Bedürfniss fühlte, die Grossen nicht mehr schlechtweg als Fürsten zu bezeichnen.

Beachtenswerther dürften nun aber andere Ausdrücke sein, welche der deutschen Reichskanzlei früher fremd erst von der Zeit ab gebraucht werden, in welche nach den früheren Erörterungen Aenderungen im Begriffe des Fürstenstandes fallen müssen. Wir gaben früher die Ausdrücke an, mit welchen einzelne Fürsten die Grossen ihres Landes bezeichneten[29]; die meisten derselben, wie Principes, Proceres, Primates, Optimates konnten wir auch als Bezeichnungen der Reichsfürsten nachweisen.[30] Die am häufigsten vorkommenden aber, Magnates und Barones, fanden wir für die Reichsfürsten nicht gebraucht; und vielleicht war es gerade desshalb, wesshalb man dieselben jetzt in der Reichskanzlei besonders geeignet hielt, um die den Fürsten nächststehenden weltlichen Grossen zu bezeichnen.

Den Ausdruck Principes et magnates finden wir vereinzelt schon in einer Urkunde vom J. 1168, in welcher der Kaiser sagt, dass seine Kurie ein Urtheil gesprochen habe praesentibus principibus et magnatibus regni nostri.[31] Er tritt wieder auf im J. 1180: consilio et petitione principum et magnatum[32], und wird von da ab nicht selten in den Kaiserurkunden gefunden.[33] Der Ausdruck wurde von der Reichskanzlei insbesondere auch gebraucht, um die Grossen fremder Königreiche zu bezeichnen; so spricht der Kaiser 1224 vom rege Ungarie ac suis magnatibus und von den magnates regnorum Francie et Anglie[34]; ebenso gebrauchte sie barones, während sie den Ausdruck principes den Reichsfürsten vorbehielt.

97 Der Ausdruck Principes et barones war allerdings auch früher der Reichskanzlei nicht ganz fremd. Aber sie bediente sich desselben zunächst nur in Italien und Burgund. Im J. 1133 nennt K. Lothar zu Rom comites et alios barones Italiae[35]; 1137 zu Aquino werden eine Reihe Zeugen aufgeführt, mit deutschen Erzbischöfen beginnend und schliessend: comes Adulphus et alii multi barones Romani imperii[36]; 1159 zu Bologna sagt K. Friedrich: omnium Teutonicorum et Longobardorum episcoporum et laicorum principum et baronum et vavassorum.[37] Auch die Investitur K. Lothars mit dem mathildischen Erbe [135] durch den Papst im J. 1133 geschieht in praesentia principum et baronum.[38] Vergleichen wir damit, was früher über den gleichzeitigen, ebenfalls nur in Italien auftretenden Gebrauch des Wortes Proceres bemerkt wurde[39], so dürfte es allerdings wahrscheinlich sein, dass beide Ausdrücke absichtlich gewählt wurden, weil man die italienischen Grossen nicht als Fürsten bezeichnen wollte. Und auch für einen entsprechenden Gebrauch des Wortes Magnates in Italien finde ich aus früherer Zeit wenigstens ein Beispiel, wenn 1159 der Pfalzgraf Otto sagt, er habe als kaiserlicher Legat im Kloster Farfa zu Gerichte gesessen evocatis ad nostram praesentiam comitibus, capitaneis et aliis partium ipsorum magnatibus.[40]

Weniger bestimmt ergibt sich eine den Principes untergeordnete Bedeutung aus Stellen, wo das Wort gebraucht wurde, um bei Zusammenkünften deutscher und französischer Grossen beide zu bezeichnen; so 1162 zu Bisanz: cum – baronibus et universis utriusque regni principibus; 1170 zu Toul: ubi ex utraque parte habuimus magnam baronum copiam.[41] Um so bestimmter dagegen aus zwei 1157 zu Bisanz und Arbois ausgestellten Kaiserurkunden; in jener heisst es: ut nulla persona – dux, marchio, comes, baro vel vasallus; in dieser: universorum tam principum quam baronum supplici rogatu.[42]

Alle diese Beispiele gehören in die wälschen Reichslande; eine Kaiserurkunde für Weingarten von 1155, in welcher Barones erwähnt werden, ist als unecht zu beseitigen[43]; nur vereinzelt finde ich den Ausdruck auch in einer in Deutschland und zwar zu Köln ausgestellten Kaiserurkunde vom J. 1165, in welcher als Principes et barones der Herzog von Sachsen, der Landgraf, die Grafen von Holland, Kleve, Molbach, Ravensberg und Jülich, dann eine Reihe geistlicher Fürsten aufgezählt werden.[44] Wollen wir hier das Wort etwa gleichbedeutend mit Nobiles, oder doch weniger bedeutend, als Principes fassen, so würden wir schon in dieser Stelle eine Spur finden, dass man anfing, auch mächtigere Grafen nicht mehr unbedingt den Fürsten zuzuzählen, Ich habe aber doch Bedenken getragen, bei betreffenden Erörterungen auf diese Stelle hinzuweisen, da die Urkunde nicht in gewöhnlicher Form, und vielleicht, da der Inhalt den Bischof von Kammerich und den Grafen von Hennegau betrifft, von einem an wälschen Kanzleistil gewöhnten Schreiber aufgesetzt ist; auch dürfte es schwer zu erweisen sein, dass man hier Barones in ähnlicher Bedeutung fassen wollte, wie Nobiles, nicht etwa als gleichbedeutend mit Principes, wie es doch in der angeführten Stelle von 1162 offenbar der Fall zu sein scheint.

In der deutschen Reichskanzlei scheint der Ausdruck Principes et barones auch gegen Ende des zwölften Jahrhunderts noch nicht heimisch geworden zu sein. Wir finden ihn 1186 in einer zu Novara ausgestellten [136] Kaiserurkunde[45]; 1198 bezeichnen sich dann die Wähler Otto’s als Principes et barones Alemanniae[46]; im dreizehnten Jahrhunderte ist er dann auch in den in Deutschland ausgestellten Kaiserurkunden nicht selten.[47]

98 Den Ausdruck Proceres wiesen wir früher für das zwölfte Jahrhundert und für Italien in ähnlicher Bedeutung, wie Barones nach[48]; auch in Deutschland fanden wir Principes et Proceres vereinzelt bereits in einem kaiserlichen Schreiben vom J. 1152.[49] Hie und da finden wir ihn in Urkunden des dreizehnten Jahrhunderts wieder; so viel ich sehe, zuerst 1225, wo der Kaiser zu Borgo S. Donino die Lombarden ächtet: de communi deliberatione ac sententia eorumdem principum nostrorum et aliorum Romani imperii procerum in eadem curia residentium, judicum quoque curie nostre ac plurium sapientum.[50] Bald nachher fand es denn auch in der deutschen Reichskanzlei Eingang.[51]

Vereinzelte, in ähnlicher Bedeutung gebrauchte Ausdrücke, wie 1181 Principes et tota provincia, 1183 Principes et milites, 1189 Principes et pares sui[52] haben wir nicht weiter zu beachten, als dass sie uns eine Bestätigung mehr liefern, wie sehr man es in jener Zeit vermied, das Wort Principes in früherer Weise ohne irgend einen Zusatz ungenau zu gebrauchen.

99 Da nun in allen aufgeführten Ausdrücken die Principes immer die erste Stelle einnehmen, so dürfen wir, wie es für Fideles und Nobiles schon nach frühern Erörterungen nicht zu bezweifeln ist, wohl auch für Magnates, Barones und Proceres annehmen, dass sie eine den Fürsten untergeordnete Klasse von Grossen bezeichnen, nicht etwa hier, wie wohl in früherer Zeit geschah[53], mehrere gleichbedeutende Ausdrücke zur Bezeichnung des einen Fürstenstandes gebraucht wurden.

Da wir in den bisher angeführten Beispielen immer nur das eine oder das andere jener Wörter mit Principes verbunden fanden, so liesse sich schliessen, dass sie unter sich in ihrer Bedeutung etwa so zusammenfielen, wie in ältern Kaiserurkunden Nobiles und Liberi. Wir finden nun aber oft auch eine Mehrzahl jener Bezeichnungen hinzugefügt, und dann lässt sich allerdings wenigstens bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts eine bestimmte Rangordnung nachweisen.

Als Richtpunkt für die Untersuchung nehmen wir am passendsten das Wort Nobiles, welches wir schon für ältere Zeit als Bezeichnung der zwischen Fürsten und Ministerialen stehenden Klasse weltlicher Grossen nachwiesen.

In einer den Nobiles untergeordneten oder, wenn man will, umfassendern Bedeutung erscheint begreiflicherweise Fideles, welches überhaupt [137] als umfassendster Ausdruck durchweg den letzten Platz einnimmt, z. B. 1209: principes, comites, barones, nobiles et alii imperii fideles, 1223: principes, magnates et fideles, 1235: principes, nobiles et fideles.[54] Heisst es 1217: de principum, baronum atque nobilium, fidelium atque ministerialium consilio, so ist das eine vereinzelte Ausnahme.[55]

Eine ähnliche untergeordnete Stellung nimmt aber wenigstens später auch das Wort Proceres ein, welches in älterer Zeit dem Worte Principes ganz gleich stand[56], z. B. 1290: principes, comites, nobiles, barones nec non proceres regni, oder 1293: principes, comites, barones, nobiles multique curie nostre proceres.[57]

Dagegen stehen über den Nobiles zunächst die Magnates. So sagt schon um 1187 der Erzbischof von Magdeburg: Imperator – sollempni curia nobis ceterisque imperii principibus – magnatibus quoque et universis nobilibus proposuit.[58] So 1206: omnes principes et multi alii magnates et nobiles[59], und sonst in ähnlicher Verbindung.[60] Aber 1255 findet sich auch die Stellung comites, nobiles et magnates.[61]

Da wir auch die Barones den Nobiles vorgesetzt finden[62], während sie andererseits nie neben den Magnates genannt werden, so scheinen danach beide Ausdrücke gleichbedeutend zu sein und eine über den Nobiles stehende Klasse von Grossen zu bezeichnen. Letzteres scheint aber doch für Barones besonders später sich kaum mehr festhalten zu lassen, da die Stellung der Barones und Nobiles wechselt; schon 1216 heisst es: per sententiam principum et subsecutionem tam nobilium quam baronum atque ministerialium et omnium, qui tunc aderant, judicatum est[63]; so finden wir 1269, 1290 die Edeln vor, 1293 wieder nach den Baronen genannt.[64]

Auf Grund des Gesagten lässt sich etwa nothdürftig die Rangordnung: Magnates, Barones, Nobiles begründen; um schärfere Standesunterschiede kann es sich dabei aber nicht handeln; ergibt sich das schon aus dem schwankenden der Stellung, so wird sich auch in spätern Untersuchungen nichts darbieten, was auf einen von den Edeln geschiedenen Stand der Barone oder Magnaten schliessen liesse; darauf deutet zugleich, dass, wie wir sahen, auch jeder einzelne dieser Ausdrücke für genügend gehalten wurde, um die auf die Fürsten folgende Klasse weltlicher Grossen zu bezeichnen.

100Diese Verhältnisse stellen sich nun freilich anders, wenn die Comites als besondere Klasse der weltlichen Grossen aufgeführt werden. Bei den Schriftstellern findet sich das oft; so sagt Konrad von Pfäfers zu 1208: omnis ordo perturbatus principum, comitum et baronum.[65] Doch geschieht es auch in Kaiserurkunden; so 1190: [138] Palatino comite Rheni et aliis principibus, comitibus, nobilibus et ministerialibus; 1207: quilibet princeps laicus sive comes vel alius nobilis; 1209: principes, comites, barones, nobiles et alii imperii fideles[66]; 1210: largitione principum, dono comitum vel baronum et aliorum oblatione fidelium[67]; 1223: in praesentia principum, comitum, baronum et aliorum fidelium[68]; dann oft in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts[69], wo sich überhaupt diese Bezeichnungen häufen.

Aus den angeführten, wie aus den mir sonst bekannt gewordenen Stellen, ergibt sich zunächst, dass dort das Wort Comites nie in derselben Weise, wie die früher angeführten Ausdrücke, allein dem Worte Principes zugesetzt wurde, um so die Gesammtheit der weltlichen Grossen zu bezeichnen, sondern es folgen dann immer noch ein oder mehrere andere Ausdrücke. Es ergibt sich weiter für die Comites eine ganz feste Stellung; wo sie überhaupt vorkommen, folgen sie unmittelbar auf die Principes und gehen den Barones und Nobiles immer voran; heisst es 1239: principes, barones, comites et alii nobiles[70], so ist das eine ganz vereinzelte Unregelmässigkeit.

101 Fragen wir nun nach dem Verhältnisse der Grafen zu den übrigen Klassen, so könnte es nach den angeführten Stellen scheinen, als hätten sie jetzt einen eigenen Stand zwischen den Fürsten einerseits, und den Edeln oder Baronen andererseits gebildet; statt der alten Zweitheilung der über den Dienstmannen stehenden weltlichen Grossen in Fürsten und Edle, hätten wir dann jetzt eine Dreitheilung in Fürsten, Grafen und Edle; und da die Grafen die unterste Stufe des ältern Fürstenstandes bildeten, würde die ganze Aenderung darin bestanden haben, dass dieser sich in zwei Klassen, die der neuern Fürsten und die der Grafen geschieden hätte.

Die Unhaltbarkeit dieser Auffassung dürfte sich schon von vornherein daraus ergeben, dass Fälle, wo neben andern Klassen auch Comites aufgeführt werden, besonders in früherer Zeit nur ausnahmsweise vorkommen, während wir doch aus den namentlichen Aufführungen der Zeugen in den kaiserlichen Urkunden ersehen, dass sehr gewöhnlich ein grosser Theil, wenn nicht die Mehrzahl der anwesenden Grossen aus Grafen bestand. Sie müssen daher in den meisten Fällen entweder unter den Principes oder unter den Nobiles und den verwandten Ausdrücken mitverstanden sein.

Dass die Grafen im allgemeinen nicht mehr zu den Fürsten zählten, haben wir bereits früher erwiesen; Stellen, wie die obenangeführten, in welchen neben den Fürsten die Grafen besonders genannt werden, was zur Zeit des alten Verhältnisses nie geschah, können uns das nur bestätigen; spätere Erörterungen werden uns weitere Belege bringen. War es in den ersten Dezennien des dreizehnten Jahrhunderts ungewöhnlich, [139] die Zeugen der Kaiserurkunden in bestimmte Klassen zu ordnen, so zeigt uns ein vereinzelter Fall, wie man Grafen neben den Baronen zwar hervorhob, sie aber mit denselben zu einer Klasse zusammenfasste, es heisst 1226: presentibus – principibus venerabilibus in Christo S. Augustensi et H. Eistetensi episcopis, L. quoque illustri duce Bawarie; preterea comitibus et baronibus: H. de Dilingen, C. de Wirtenberc comitibus; F. de Truhendingen, H. de Niphen, A. de Wange, E. de Aichheim baronibus; ministerialibus quoque imperialis aule u. s. w.[71]

Die Grafen müssen demnach, wo sie nicht besonders genannt sind, unter den Edeln einbegriffen sein; sie müssen, wenn ihnen auch ihr Titel einen Ehrenvorzug geben mochte, doch wesentlich mit den Magnaten, Baronen oder Edeln einem und demselben Stande angehört haben.

Für eine solche Standesgleichheit des einfachen Edeln und des Grafen finden wir auch andere unzweideutige Beweise. So ist Nobiles oder Nobilis vir die gewöhnlichste Bezeichnung für den Grafen sowohl wie für den einfachen Edeln[72], und nicht selten werden, worauf wir zurückkommen, in den Kaiserurkunden die Grafen mit den übrigen Edeln unter der Gesammtbezeichnung Nobiles von den Principes geschieden.

102Einen Prüfstein für die Richtigkeit der gewonnenen Resultate müssen uns die gesetzlichen Strafbestimmungen bieten.

In den sächsischen Rechtsbüchern finden wir den alten Ansatz wieder, dass der Fürst dem Könige hundert, jeder andere zehn Pfund wette.[73] Diese Angabe über das Gewette gibt nun für unsere Frage so wenig einen Anhalt, als die andere des sächsischen Landrechtes, wonach Fürsten, freie Herren und schöffenbare Leute in Busse und Wehrgeld gleich seien, nur dass man Fürsten und freien Herren in Golde zahle.[74]

Das Görlitzer Landrecht[75] lässt beim Wehrgelde eine vielleicht ganz willkürliche Steigerung eintreten, indem es das Wehrgeld des Bauern auf zehn, des Ritters auf hundert, des freien Herren auf tausend, des Fürsten auf zehntausend, des Königs auf hunderttausend Mark angibt. Für die Frage, wer jetzt zu den Fürsten gehöre, wer nicht, gibt das keinen Anhalt; wohl aber dürfte sich in Uebereinstimmung mit dem oben erörterten daraus schliessen lassen, dass es zwischen dem Princeps und dem Nobilis, dem Fürsten und dem freien Herren, keinen weitern Stand gab, Grafen, Magnaten, Barone also, insofern wir sie unter den Fürsten nicht mitbegreifen dürfen, zu den freien Herren zählen.

Aehnliches ergibt sich aus dem schwäbischen Landrechte. Lässt dieses den Fürsten hundert, den freien Herren fünfzig, den Mittelfreien zwanzig, alle andern zehn Pfund wetten[76], so hält es sich im höchsten und niedrigsten Gewette an den alten Satz, welchen es im Sachsenspiegel [140] vorfand, zeigt aber eine Abweichung darin, dass es Zwischenstufen kennt; um so grösseres Gewicht müssen wir darauf legen, wenn sich eine solche zwischen Fürsten und freien Herren nicht zeigt. Wenn das schwäbische Lehnrecht dieselben Sätze für den Fürsten, den Nichtfürsten, der mit Fahnen, und den, der nicht mit Fahnen belehnt ist, aufstellt[77], so würden wir Folgerungen daraus erst ziehen dürfen, wenn wir die Bedeutung des Fahnlehens bereits erörtert hätten.

Eine ganz unzweideutige Bestätigung der gewonnenen Resultate, wie wir sie in den Rechtsbüchern vergebens suchen, bieten nun aber die Gesetze K. Heinrichs vom J. 1234, in welchen es heisst: Quod si princeps facere neglexerit et de hoc convictus fuerit, ut exigit iuris ordo, domino regi centum libras auri in pondere Karoli persolvet. Comes vero vel alius nobilis iudicium habens, si non iudicaverit secundum provinciarum consuetudinem, domino regi, sicut predictum est, centum marcas argenti componat. Item si quis alium leserit vel guerram ei moverit absque precedente querimonia, si princeps extiterit, centum marcas auri regie camere presentabit; si vero comes vel nobilis vel alia persona extiterit, centum marcas argenti componat[78]. Wir finden hier einerseits den Grafen sehr bestimmt vom Fürsten geschieden, andererseits aber dem Edeln gleichgestellt; nicht die Zahl der Stände hat sich dem zwölften Jahrhunderte gegenüber vermehrt, wohl aber der Fürstenstand anders abgegränzt.

103 Auch die für Italien erlassenen Strafbestimmungen deuten auf Aenderungen. Sagt 1194 der Legat des Kaisers bezüglich der Verletzung eines vor ihm beschworenen Friedens: Civitas vel locus solvat nobis – libras centum imperiales pro poena –; idem statuo de marchione Montisferrati et eius terra atque hominibus[79], so ist anscheinend der Marchio jetzt zum Range der Civitas emporgestiegen, während er doch 1158 nur die Hälfte zahlte[80]; da aber auch der Locus auf derselben Stufe steht, Abstufungen überhaupt nicht erwähnt sind, so ist die Stelle für unsere Zwecke ohne Bedeutung. Wo eine solche Abstufung eintritt, ergibt sich vielmehr eine entgegengesetzte Abweichung vom früheren Verhältnisse. Im J. 1220 gebietet K. Friedrich: communitatum cuilibet sub pena mille marcharum, marchionibus, comitibus, baronibus sub pena ducentarum marcharum, militibus centum et aliis inferioribus quinquaginta[81]. Hier muss beim Vergleiche mit jenen zu Ronkalia 1158 erlassenen Bestimmungen auffallen, dass Markgrafen und Grafen einen fünffach geringeren Satz haben, als die Stadtgemeinde, entsprechend dem Satze der Capitanei und Majores Valvasores im J. 1158, während damals Herzoge, Markgrafen und Grafen auf den halben Satz der Stadt gestellt waren. Dieses [141] Verhältniss finden wir nun allerdings wieder in Strafbestimmungen K. Heinrichs VII. vom J. 1313: sub pena centum librarum auri pro qualibet civitate, et quinquaginta librarum auri pro quolibet castro, villa, marchione, duce, comite, barone et quolibet nobili et viginti librarum auri pro qualibet alia singulari persona; in andern Urkunden wird wesentlich übereinstimmend festgesetzt eine mulcta centum librarum auri pro qualibet communitate, quinquaginta pro quolibet marchione et comite et viginti quinque pro qualibet singulari persona.[82] Werden hier die Edeln nicht besonders genannt, so ergibt sich aus jenen Stellen, und das dürfte hier das entscheidende sein, dass Markgrafen und Grafen, welche im zwölften Jahrhunderte zu den Fürsten gezählt wurden, wenn die Kanzlei auch hie und da zögerte, ihnen den Fürstentitel zu geben[83], welche jedenfalls noch 1158 als eine vor den Kapitanen bevorzugte Klasse erscheinen, jetzt den Baronen und Edeln ganz gleichgestellt werden. Es müssten also entweder die letztern inzwischen auch zu Fürsten geworden sein, was mit den bisherigen Erörterungen nicht in Einklang zu bringen wäre und bei der Untersuchung der Stellung einzelner Grossen sich aufs bestimmteste widerlegen wird; oder aber, worauf schon frühere Erörterungen hindeuteten[84], es hat im dreizehnten Jahrhunderte in Italien einen Stand weltlicher Fürsten überhaupt nicht mehr gegeben, die mächtigsten italischen Grossen standen nur den deutschen Edeln gleich.

Es erscheinen vielmehr in obigen Stellen, wie sonst, in Italien die Stadtgemeinden an der Stelle, welche in Deutschland die Fürsten einzunehmen hätten; mit dem Begriffe des deutschen Fürstenstandes würde eine Stellung hinter den Städten, wie wir sie bei den italienischen Markgrafen durchweg finden, schwer zu vereinen sein. Auch das wäre zu beachten, dass die Reichskanzlei, wie in den angeführten Stellen, es auch sonst vermeidet, bei Aufzählungen von Grossen, welche nur Italien betreffen, Principes zu erwähnen. So schreibt z. B. K. Friedrich im J. 1213: universis imperii fidelibus, archiepiscopis, potestatibus sive consulibus atque communibus civitatum et aliorum locorum nec non marchionibus, comitibus, nobilibus, baronibus atque omnibus per totam Lombardiam atque marchiam Veronensem et Tusciam et Romaniam constitutis[85]; auffallender dürfte es noch sein, wenn 1220 eine Reihe von deutschen und italienischen Zeugen als: principes imperii et prelati et nobiles Ytalie bezeichnet wird.[86] Und würde sich auch in ähnlichen Verbindungen der Ausdruck Principes Italie nachweisen lassen, so würde dadurch das bisher bemerkte sein Gewicht noch nicht verlieren; denn geistliche italienische Reichsfürsten wären damit immer vereinbar; nur wo es sich lediglich um weltliche italienische Grosse handelt, möchte der Ausdruck kaum nachzuweisen sein.

[142] 104 Als Resultat der bisherigen Erörterungen werden wir etwa festhalten dürfen, dass auch nach der um das J. 1180 eingetretenen geänderten Abgränzung des Reichsfürstenstandes die weltlichen Grossen bis zu den Reichsdienstmannen herab wie früher nur zwei Stände bildeten, den der Principes und den der Nobiles. In letzterm werden die Grafen oft besonders hervorgehoben; auch Magnaten und Barone werden oft als höhere Abstufung des Standes vor dem Edeln genannt, doch so, dass ohne gegen den Sprachgebrauch der Reichskanzlei zu verstossen, auch der ganze Stand durch jeden dieser beiden Ausdrücke bezeichnet werden kann; die deutschen Rechtsbücher bezeichnen ihn als den der freien Herren. Dürfte dieser letzte Ausdruck als der Muttersprache angehörend, für den Gebrauch im allgemeinen den Vorzug verdienen, so dürfte für unsere besonderen Zwecke der Ausdruck Magnaten der angemessenste erscheinen. Wir haben uns vorzugsweise nur mit der Gränze zu befassen, welche den Stand der freien Herren nach obenhin von den Fürsten scheidet, also mit den angesehensten Gliedern des Standes; dazu dürften sich die Ausdrücke freie Herren, Edle, selbst Barone weniger eignen, da wir zu sehr gewohnt sind, sie in einer beschränkteren, die Grafen und andere mächtige Grosse nicht umfassenden Bedeutung zu gebrauchen. Dagegen nehmen wir das Wort Magnaten um so lieber auf, als es, früher in der Reichskanzlei nicht üblich, von dieser gerade aufgenommen scheint, als der Fürstenstand sich enger schloss, und man nun nach etwas vornehmeren Bezeichnungen suchte, um die Edeln, welche früher dem Fürstenstande angehörten, auszuzeichnen. So nennen sich die Grossen, welche über die Wahl Philipps an den Papst schreiben: Germaniarum principes et magnates[87]; es sind keine einfache Edle unter ihnen, nicht einmal Grafen; nach unsern spätern Untersuchungen werden sich alle als Fürsten erweisen, bis auf den Markgrafen von Ronsberg und vielleicht den von Mähren, auf welche sich demnach der Ausdruck Magnaten beziehen muss. Es dürfte also dem alten Sprachgebrauche ganz angemessen sein, wenn wir uns dieses Ausdruckes bedienen, um die uns zunächst beschäftigenden, den Fürsten am nächsten stehenden Glieder des Standes der freien Herren zu bezeichnen, insbesondere auch solche, welche nach den früheren Standesverhältnissen den Fürsten zugezählt worden wären.

105 Während der Ausdruck Fürsten Geistliche und Weltliche umfasst, bezieht sich Magnaten und die verwandten Ausdrücke nur auf die letztern und es könnte auffallen, dass wir unter den oft so gehäuften Ausdrücken zur Bezeichnung der Reichsgrossen keinen für Geistliche, welche nicht Fürsten waren, finden. Spätere Erörterungen werden uns zeigen, dass es in früherer Zeit, abgesehen etwa von den Reichspröbsten, keine mit Kaiser und Reich in unmittelbarer Verbindung stehende Geistliche gab, welche nicht Fürsten waren, also auch nur selten Anlass geboten [143] war, solche neben den andern Grossen zu erwähnen. Bezeichnete man sie später als Prälaten, so werden wir diesen Ausdruck auch für die ältere Zeit zur Bezeichnung der angesehenern geistlichen Würdenträger im Reiche, welche nicht Fürsten waren, gebrauchen dürfen. In früherer Zeit finden wir ihn vereinzelt auch wohl auf weltliche Vornehme ausgedehnt; im J. 1111 urkundet der Kaiser assensu H. venerabilis Ratisponensis episcopi, F. advocati, O. comitis, – Mathonis et aliorum praelatorum eiusdem loci.[88] Später bezeichnet er durchweg Geistliche; an manchen Kirchen eine geschlossene Zahl der dem Bischofe nächststehenden Würdenträger; so gehören 1204 zu Münster vom Domkapitel nur Probst, Dechant, Cantor und Custos zu den praelatis ecclesiae.[89] Dem genau entsprechend werden von den Zeugen einer Kaiserurkunde von 1186 der Reichskanzler, der Domprobst und Domdechant von Speier, drei Pröbste, der Custos und der Scholasticus als: hii de prelatis zusammengefasst und von der durch die Worte: ceterorum quoque canonicorum testes habentur, eingeleiteten Reihe der übrigen Domherren geschieden.[90] In derselben Weise, zur Bezeichnung nichtfürstlicher, aber doch den Fürsten nächststehender geistlicher Würdenträger, scheint das Wort gebraucht in einem Rechtsspruche K. Rudolfs vom J. 1282, wo es heisst: aliquis princeps ecclesiasticus vel prelatus, und dann noch mehrmals der Ausdruck: princeps aut prelatus wiederholt wird.[91] Dieselbe Bedeutung werden wir unterlegen dürfen, wenn es 1220 heisst: Principes imperii et prelati et nobiles Ytalie.[92] Mag das genügen, den Gebrauch des Wortes in diesem Sinne zu rechtfertigen, so dürfen wir demselben, wo es uns in der Reichskanzlei vorkommt, doch keineswegs überall diese Bedeutung zusprechen. Verbrieft K. Friedrich 1213 dem Papste: Omnia vero spiritualia vobis et aliis ecclesiarum prelatis relinquimus libere disponenda[93], so fallen alle geistlichen Würdenträger ohne Unterschied ihrer weltlichen Stellung unter den Ausdruck. Ebenso erscheinen in einer Stelle vom J. 1327: omnes principes ecclesiasticos et saeculares et alios praelatos inferiores, nec non comites et barones aliosque nobiles[94], die geistlichen Fürsten nur als eine höhere Klasse von Prälaten bezeichnet. Ganz abweichend heisst es dann wieder 1216 im Verzichte auf das Spolienrecht: veterem illam consuetudinem detestantes, quam antecessores nostri – in cathedrales exercuerunt ecclesias et abbatias, que manu regia porriguntur, quod videlicet decedentibus episcopis et prelatis earum u. s. w.[95], wo die Fürstäbte im Gegensatze zu den Fürstbischöfen als Prälaten bezeichnet werden.

Anmerkungen der Vorlage

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  1. Ughelli 2, 172.
  2. Vgl. § 34 n. 8.
  3. Huillard 2, 48.
  4. M. G. 4, 159.
  5. C. d. Mor. 1, 302.
  6. Ughelli 5, 72.
  7. M. G. 4. 164.
  8. Guden 2, 56.
  9. M. B. 2, 357.
  10. C. Wangian. 81.
  11. Baluz. epp. Inn. 1, 689.
  12. Vgl. § 33. 37.
  13. 1179: C. d. Mor. 1, 302. 1180: M. B. 29, 435. 439. M. G. 4, 164.
  14. M. G. 4, 163.
  15. M. G. 4, 183.
  16. z. B. 1195. 1226. 1230: M. G. 4, 186. 258. 266. 1228: Guden 2, 56.
  17. Vgl. § 33.
  18. Herrgott 2, 188.
  19. M. G. 4, 159. M. B. 29, 433.
  20. 1182: Notizenbl. 1, 149. 1184. 93. 94: Lacombl. 1, n. 491. 539. 543. 1187: M. G. 4, 183. 1192: Martene coll. 4, 454. 1194: Quix 39. 1195: Or. Guelf. 3, 602. 1196: Miraeus 1, 289. Ludew. rel. 11, 592 u. s. w.
  21. Vgl. § 37.
  22. 1182: M. B. 29, 446. 1183. 95 u. s. w.: M. G. 4, 166. 179. 195. 233. 366. 1221: Lacombl. 2, n. 92.
  23. M. B. 22. 170. Miraeus 1, 688. Or. Guelf. 3, 430.
  24. 1170. 71. 79: Scheidt 561. Miraeus 1, 188. Lacombl. 1, n. 468. 1181. 82. 83. 85. 89: Or. Guelf. 3, 526. Ughelli 5, 600. 1, 1442. Zeerleder 1, 127. M. B. 6, 500. 1190: Trouillat 1, 420. 1207: M. Patr. 1, 1138. 1214. 15. 16: M. G. 4, 225. M. B. 30, 36. 31, 493.
  25. Or. Guelf. 3, 526. Lacombl. 1, n. 468.
  26. 1182. 88: M. B. 29, 446. M. G. 4, 179.
  27. 1151. 79. 84. 88: C. Wibald. ep. 306. Ludw. rel. 10, 148. Ungedr. Lünig 18, 33
  28. 1159. 70: Lindenbrog 1, 163. M. G. 4, 141.
  29. Vgl. § 16. 17.
  30. Vgl. § 24–27.
  31. M. G. 4, 140.
  32. Lappenberg 225.
  33. 1191. 98. 1218-50 u. s. w.: M.G. 4, 194. 201. 229. 569. 291. 305. 366 u. s. w. 1214. 15. 16: Huillard 1, 293. M. B. 11, 185. C. d. Mor. 2, 88. Quix 110. 1223: Herrgott 2, 229.
  34. Huillard 2, 412.
  35. M. G. 4, 81.
  36. Quix 76.
  37. M. G. 4, 115.
  38. Lünig c. d. It. 2, 706.
  39. Vgl. § 24.
  40. Margarin 2, 179.
  41. M. G. 4, 131. 141.
  42. Perard 239. Dunod 1, 94.
  43. Wirtemb. UB. 2, 88.
  44. Ungedr.
  45. Notizenbl. 2, 370.
  46. M. G. 4, 204.
  47. 1216. 24: M. G. 4, 228. 254. 1220: Huillard 1, 842.
  48. Vgl. § 24.
  49. M. G. 4, 90.
  50. Huillard 2, 645.
  51. 1231. 35: Huillard 3, 446. 4, 888.
  52. Or. Guelf. 3, 526. M. G. 4, 173. Schöpflin 1, 292.
  53. Vgl. § 37.
  54. M. G. 4, 218. 252. 313.
  55. Huillard 1, 505.
  56. Vgl. § 24.
  57. M. G. 4, 455. 460.
  58. Ludew. rel. 2, 446.
  59. M. G. 4, 211.
  60. z. B. 1269. 76: M. G. 4, 382. 406.
  61. Sudendorf 1, 110.
  62. 1209. 18: M. G. 4, 218. 230. 1217: Huillard 1, 505. 1195: Ann. Argent ap. Böhmer f. 3, 89.
  63. M. G. 4, 227.
  64. M.G. 4, 382. 455. 460.
  65. M. G. 2, 168.
  66. M. G. 4, 187. 214. 218.
  67. Lünig 18, 510.
  68. Huillard 2, 294.
  69. z.B. 1255-93: Sudendorf 1, 110. M. G. 4, 382. 406. 455. 460.
  70. M. B. 30, 237.
  71. Huillard 2, 889.
  72. Zahlreiche Beispiele Vitr. ill. 2, 856, welche sich aus jeder Urkundensammlung vermehren lassen.
  73. Vgl. § 38. n. 3. 4.
  74. Ss. Ldr. 3, 45 § 1.
  75. Ed. Homeyer 41 § 4.
  76. Sw. Ldr. 138.
  77. Sw. Lhr. 126.
  78. M. G. 4, 301.
  79. M. G. 4, 197.
  80. Vgl. § 38 n. 14.
  81. M. G. 4, 239.
  82. Acta Henr. 2, 201. Lünig c. d. It. 2, 554. 558.
  83. Vgl. § 27. 97.
  84. Vgl. § 85.
  85. Huillard 1, 249.
  86. M. G. 4, 240.
  87. M. G. 4, 201.
  88. Ried 1, 172.
  89. C. d. Westf. 3, 15.
  90. Wirtemb. UB. 2, 544.
  91. Lacombl. 2, n. 772.
  92. M. G. 4, 240.
  93. M. G. 4, 224.
  94. Henneb. UB. 1, 110.
  95. M. G. 4, 227.