Vier Elemente, innig gesellt
In den Bildern, welche die Kunst nach lyrischen Ergüssen aus dem Seelen- und Familienleben unserer Dichter malt, sähen wir so oft als möglich am liebsten diese Dichter selbst mit zur Darstellung gebracht: wir fühlen uns geehrt, in unserer geliebtesten Männer vertraute Gesellschaft, wenn auch nur als stumme Gäste, mit eingeführt zu sein. In solcher Gesellschaft sind wir sofort daheim, der Dichter selbst ist uns ja kein fremder, und die Lieblinge seines Herzens hat er uns mit aller Lebenswahrheit in seinen Werken vorgestellt.
Wie passen diese Gedanken zu den Gestalten, die unser Künstler
[533]um die Punschbowle gruppirt hat, vor welcher kein Deutscher an etwas Anderes, als an Schiller’s Punschlied denken kann? – Suchen wir nicht auch in diesem Bilde sofort nach alten Bekannten, möchten wir nicht am liebsten den Dichter selbst unter ihnen sehen?
Dieser Wunsch wird ein ziemlich allgemeiner sein, und daß wir ihn gerade in der Hauptfigur nicht erfüllt sehen, ist vielleicht das Einzige, was uns in der außerdem so sehr gelungenen Composition stört. Das ganze Bild würde uns gemüthlicher anheimeln, wenn wir in dem jungen blühenden Mann des Vordergrundes den Schiller von Volkstädt bei Rudolstadt wieder erkennen könnten; die beiden lieblichen Mädchen würden sofort als die [534] Schwestern Lengefeld uns den Kreis von Vertrauten eröffnen, und wir würden nicht in Verlegenheit sein, auch für die übrigen vortrefflichen Personen die entsprechenden verwandtschaftlichen oder literargeschichtlichen Beziehungen zu finden.
Diese Bemerkung hält uns der Künstler, M. Adamo, ohne Zweifel zu Gute, da wir außerdem an dem wahrhaft Kaulbach’schen Geist seiner Composition, deren Original-Carton im Besitz des Herausgebers der Gartenlaube ist, unser herzliches Behagen gestehen. Wie reizend sind in der lebendigen Gruppe zwischen der mit ernster Kennermiene Prüfenden die Spender der „vier Elemente“ vertheilt! Wir stehen offenbar vor dem fertigen Punsch, über welchen die verschiedenen Gutachten ausgesprochen werden. Noch läßt augenscheinlich die gefüllte Terrine Manches zu wünschen, aber die Hülfe ist bei der Hand: mit des Wassers sprudelndem Schwall steht das erste der Mädchen bereit, das zweite trägt in gläserner Schale den Zucker, der die herbe brennende Kraft zähmt, und während der alte Herr der Citrone saftigen Stern so gewaltig preßt, daß darüber die Perücke auf seinem Haupte sich verschiebt, gießen die zwei Sachverständigen des Hintergrundes noch fernerweite Tropfen des Geistes hinein. Bleibt es fraglich, welchen Antheil am Vorgang der kleine Junge mit der Trompete nehmen soll, außer etwas Näscherei bei der Großmutter und der Gelegenheit für den Künstler, im Bilde alle Lebensalter vertreten zu lassen, – so erscheint uns dagegen das Mädchen, das zur Thür hereintritt, als eine höchst zweckmäßige Person. denn außer den Gläsern auf dem Teller in ihren Händen trägt sie ein sehr wichtiges Werkzeug für den Genuß des bereiteten Labsals, den Schöpflöffel, der gar stattlich ihr im Busentuche steckt.
Einen noch stockfremderen Geist, als er im Punsche haust, vermag selbst der Deutsche nicht auf seinen Familientisch zu stellen.
Thee, Zucker, Citrone, Rum – lauter Ausländer, und nur das unschuldige Wasser giebt die heimathliche Quelle dazu her. Und doch erfreut der Punsch unser Herz, wie – nun, wie die glühende Dichtung der Satuntala und die warme Weisheit der Brahmanen, und das ist auch ganz in der Ordnung so, denn mit ihnen rühmt er sich desselben Vaterlandes. Er ist ein Kind Indiens; die Gelehrten erzählen, daß die Malabaren ihn Panscha, d. i. Fünf, nennen, weil sie Wasser und Thee als zwei „Elemente“ zählen und ihn somit aus deren fünf bestehen lassen. Unser Dichter hat dieses „fünfte“ Element poetisch nicht zu verwerthen vermocht; es ergeht dem armen Thee wie dem Bier, wahre Poesie will nichts damit zu thun haben. Der Punsch schien dagegen zu vornehm für ein Lied zu sein, und es mußte ein Friedrich Schiller kommen, um es ihm würdig zu singen.