Verlorenes deutsches Land

Textdaten
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Autor: F. G. Adolf Weiß
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Titel: Verlorenes deutsches Land
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 460–464
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Verlorenes deutsches Land.

Wohin sind die Zeiten, da deutsche Rede, deutsches Lied, deutsche Sage bis tief hinein nach Istrien und in’s Friaul klangen! Wohin – wird es nun aber bald heißen – sind die Zeiten, wo wir in den Tagen des seligen Bundes davon träumten, daß einst die Tricolore des einigen Deutschlands, von den Thürmen und Schloßbergzinnen Laibachs, von den Mauern Gradiskas, von den Palästen Triests, das uns doch immer der deutsche Port an der schimmernden Adria war, wehen würde! Aber auch als 1866 der großdeutsche Traum endgültig ausgeträumt war, hatten wir noch keine Ahnung davon, daß uns eines Tages jene uralten deutschen Länder – Krain, Görz etc. – ernsthaft von einem slavischen Völklein von ein und einviertel Millionen, das vom grünen Posruck und der rauschenden Drau bis zur Meeresküste seit zwölf Jahrhunderten ohne Geschichte, ohne eigene Cultur selbstzufrieden dahin vegetirte, streitig gemacht werden könnten, von einem Aggregat einzelner südslavischer Stämme, das erst seit gestern eine mühsam aus den Dialekten zusammengeflickte Sprache besitzt. Wie konnten wir glauben, daß in derselben Zeit, in der wir uns der Wiederaufrichtung des deutschen Reichs, der Wiedergewinnung von Straßburg und Metz und der neuen Glorie des deutschen Volkes erfreuten, uraltes deutsches Land, und noch dazu ein Theil der österreichischen Erblande, auf solche Weise in Frage gestellt werden könnte? Wir hatten so wenig an die eigentlich lächerlich klingende Möglichkeit gedacht, daß wir die jungen literarischen Bestrebungen des krainischen Südslaventhums mit einem gewissen sympathischen Interesse verfolgten. Und doch, es wird Wahrheit, was fanatische Schwärmer in den nationalen Clubs declamirten, was die Dämonen des Deutschenhasses den abgelegenen Schluchten des Terglou raunten; eine Hiobspost um die andere trifft aus dem alten Herzogthum Krain ein, daß dort das Deutschthum nahe daran ist, wie schon längst in Istrien, wie mit einem Schwamme hinweggewischt zu werden. Es ist eine böse Kunde, es ist die Botschaft von einer Reihe verlorener Schlachten und von dem Verlust tausendjährigen deutschen Besitzes!

Ein hochinteressantes Land, dieses Krain! Schon beim raschen Reisefluge auf dem ehernen Schienenwege gewinnt man einen Einblick in die eigenthümlichen Schönheiten dieses Landes der geheimnißvollen riesigen Kalkhöhlen, die dasselbe zu einem großen Theile gar unheimlich unterkellern; dieses Landes der urplötzlich im Boden verschwindenden Flüsse und Bäche, einer räthselhaften Grottenfauna und der packendsten Gegensätze in der Natur.

Wenn wir die Einfahrt in das Kronland mit einem Zuge der Südbahn bei dem Bahnknotenpunkt Steinbrück wählen, so begleiten uns aus dem lieblichen steierischen Unterlande die prächtigen, waldreichen und pittoresken Steiner Alpen, wie die Sulzbacher Alpen in Krain genannt werden. Mit einer üppigen, fast südlichen Vegetation ausgestattete Berglandschaftsbilder ziehen längs der gleich einem wilden Alpenkinde laut daher tollenden Save vorüber, bis sich vor den Blicken die weite Ebene des sumpf- und wasserreichen Laibacher Moors aufthut, welches durch seine Pfahlbautenfunde mehr als einmal die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich gelenkt hat. Der Mittelpunkt der Fläche, an deren nordöstlichem Rande schroff wie eine Mauer die Vorberge des Triglavstockes gigantisch emporsteigen, ist der mit festungsartigen Gebäuden gekrönte breite Schloßberg von Laibach, an dessen steile, grüne Abhänge sich die Landeshauptstadt lagert. Dieselbe zeigt in ihrer Anlage und Bauart ganz und gar den Charakter und Anblick einer alten deutschen Stadt. Sie steht auf dem Boden einer uralten Cultur; hier blühte in den ersten vier Jahrhunderten das römische Aemona, dessen Wasserleitung noch heute benutzt wird.

Die Stadt, die von der Laibach durchströmt wird, ist – davon erzählt auch die in ihrer ersten Anlage aus dem 13. Jahrhundert stammende Deutsch-Ordenskirche – eine echte Tochter deutscher Cultur. Wohl fühlen wir uns angeregt, den erstbesten Bürgersmann anzureden, aber – slavisch lautet die Antwort, illustrirt von einer höhnischen Grimasse; denn der Angeredete versteht zwar deutsch, aber er will es nicht verstehen: Es ist ein guter Zufall, wenn wir auf einen Deutschen stoßen. Es ist noch nicht lange her, da lag das Stadtregiment noch vorwiegend in deutschen Händen. Heut ist es ihnen freilich durch allerlei Künste und Praktiken entwunden. Das Deutschthum wird mehr und mehr mundtodt gemacht. Allmählich verschwinden die deutschen Schilder, deutsche Straßennamen weichen slavischen. Der übermüthige Slave kennt auch kein „Laibach“ mehr, nur ein „Ljubljana“. Kurzum, das uns aus der Geographie und durch seinen Congreß[1] so geläufige gute, alte deutsche Laibach, Jahrhunderte hindurch ein Centrum deutscher Cultur, die bis in’s Friaul hinein und bis in’s Herz von Istrien gebot und dort höchstens mit den Wälschen concurrirte, trägt nur noch äußerlich eine deutsche Maske, hinter der uns aber das Antlitz des Gernegroß unter den slavischen Stämmen entgegen grinst. Dem Deutschen ist Laibach ein fast verlorner Posten, dem Slovenen ist „Ljubljana“ die künftige Hauptstadt des „Königreichs Slovenien“, das nach seiner Phantasie eines Tages von der Südspitze Istriens bis vor die Thore des steierischen Graz und von der Grenze Kroatiens bis über den Isonzo hinaus und ganz Süd-Kärnten umfassend bis in’s Gailthal reichen soll.

Wir besteigen wieder den Zug. Er fährt uns, nachdem er uns auf dem 7200 Fuß langen und 12 Fuß hohen Damm über das Laibacher Moor getragen, dem die Cultur weite Ackerflächen abgerungen hat, in schroffem Uebergange wieder in die [462] fremdartige, wilde Schönheit der julischen Alpen hinein. Dann steigt er über die Hochebene von Loitsch in die Steinwüste des öden Karst. Wir gelangen in die geheimnißvolle Welt der Adelsberger Höhlen und des Zirknitzer Sees, wo der Karst zwar noch bewaldete Höhen zeigt, wo aber der wüstenartige Charakter der Landschaft sich dem Blicke aufdrängt, wo zahllose Wasserläufe spurlos im Boden verschwinden, um in unergründeten, lichtlosen, unterirdischen Tiefen unter und zwischen den Märchengebilden des Tropfsteins dahin zu rauschen.

Eine wie verbrannt aussehende, leichte Wellen bildende Bodenfläche dehnt sich aus, überstreut mit Millionen großer und kleiner, vom Sturmwind der Bora ausgefegter Steine, und begrenzt von malerischen weiß, braun und violett leuchtenden, größtentheils waldlosen Kalkbergwänden. Durchfährt man des Nachts diese Gegenden, so machen sie im bleichen Sternenschimmer den Eindruck einer Landschaft des Mondes mit ihrer seltsam geformten, erstorbenen Bergwelt. Das Leben giebt hier nur Gastrollen; es überrascht uns zuweilen der urplötzliche Anblick einer in üppiger Fruchtbarkeit und südlicher Vegetation prangenden, geräumigen Bodenmulde, gleich einer Oase der Wüste. Im Fluge vorüber, als wär’s nur eine Fata Morgana gewesen. Das ist der Karst mit seiner hungernden Bevölkerung, mit seinen stummen Fluren, mit seiner tropischen Hitze im Sommer und seiner sibirischen Kälte im Winter und mit seiner schrecklichen Bora, die über die öden Gefilde brausend allem Lebenden den Krieg bietet.

Wer aber auf einem andern Wege, mit einem Zuge der Rudolfsbahn von Kärnten her in’s Land Krain kommt, dem stellt es sich dar als eine ebenso gewaltige wie in wilder, lebensfroher Schönheit prangende Hochwacht der Alpenwelt. Die bestrickenden Reize waldreicher Berglandschaften, belebt von den leuchtenden Spiegeln der Weißenfelser Seen und den übermüthig daherspringenden, in ungebändigter Lust jauchzenden Zuflüssen der Wurzener Sava nehmen uns gefangen und geben uns nicht frei. Links blicken die zerrissenen, spukhaft gestalteten Gipfel der Karawankenkette herüber, die das Land gegen Kärnten abgrenzt, und rechts grüßen die gigantisch über einander gethürmten Quadern und Strebepfeiler, die jäh emporsteigenden Felsenstirnen der julischen Alpen – herunter in die schmalen Schluchten, in denen sich die Eisenstraße und die Landwege dahin winden. Wir vermögen die Blicke nicht loszureißen, von dem unsagbaren Zauber der wechselnden Landschaftsbilder, und ehe wir es uns versehen, haben wir Radmannsdorf erreicht, die Station, die den Zugang zu dem lieblichen Seebezirk von Veldes vermittelt.

Es ist noch nicht lange her, seit diese Perle der julischen Alpen für die Touristenwelt entdeckt worden ist. Eingelassen wie ein leuchtendes Juwel in die felsenstarrende Alpenwelt, von grünen Gestaden umkränzt, mitten in der dunkelblauen Fluth ein trauliches Eiland, dessen Kirchlein sich im klaren Wasser spiegelt, auf dem Gestade hingestreut zahlreiche Villen und Sommerfrischen, deren Terrassen die Woge netzt, und überall die düster-ehrwürdige Gegenwart der Felsengiganten, welche dunkle Schatten über die zitternde Wasserfläche werfen, während ihre weißen Häupter, in der feurigen Lohe des Abends zauberisch aufleuchtend, den rosigen Brand im See wiederspiegeln – das ist der See von Veldes mit seinen Reizen, die Perle des Landes Krain!

Freilich herrscht, wenn man von den Sommergästen absieht, das slavische Idiom so ausschließlich in der Umgebung des Sees, daß man ohne einige Kenntniß desselben es nicht wagen darf, Ausflüge in das Innere dieser überwältigenden Gebirgswelt zu unternehmen. Und wahrlich lohnt es sich, einzudringen in die geheimnißvollen Bergwildnisse und Felsenkessel an den Abhängen des Triglav (Terglou), des dreigespitzten, kühn in den Aether (3000 Meter) ragenden Königs der Krainer, der Julischen Alpen, auf dessen Felsenzinnen die entthronten altslavischen Gottheiten hausen und durch dessen düstere Waldschluchten die dunklen Fittige der Sage rauschen. Dringt man auch nur bis an die Ufer des Wocheiner Sees vor, so überschleicht einen doch im Verkehr mit den Bewohnern die Ahnung, daß in diesen Alpenwildnissen noch der ungebrochene, trotzige Geist eines von deutscher Cultur nie ganz bezwungenen, nur scheu vor ihr zurückgewichenen urslavischen Volksthums haust, und daß ein Wehen dieses Geistes durch ganz Krain, durch Görz bis vor die Thore von Triest, durch Istrien und durch manche Strecke von Untersteiermark bis in die Landstube von Graz geht. Wir fühlen aber auch, daß wir es bei dem Aufschwung des Slavismus in diesen Ländern weniger mit dem Emporringen einer in sich gefesteten, schaffensfrohen, ideenreichen, jungen Volkskraft, als mit dem starrnackigen, haßvollen Empören der Uncultur wider die deutsche Cultur zu thun haben, mit wilden Leidenschaften, deren sich das halbgebildete slovenische Streberthum bedient, um – das ist der Hauptzweck – sich bequem in all den Aemtern fest zu setzen, in denen bisher wackere und wohl unterrichtete deutsche Männer für des Landes Wohl gewirkt haben.

Und sollt’ es wirklich so schlimm stehen um das Deutschthum? Grüßen nicht überall im Lande Schlösser und Burgen mit deutschen Namen in die Thäler hernieder? Liegt nicht inmitten des Krainerlandes Auersperg, der Stammsitz eines erlauchten Geschlechts, das dem Kaiserstaate Staatsmänner und Feldherren und einen seiner edelsten deutschen Dichter, Anastasius Grün, gab? Wahrlich, überall tragen die Städte und Märkte seit ihrer Gründung vor vielen Jahrhunderten deutsche Namen: Laibach, Krainburg, Weixelburg, Treffen, Neustädtl, Stein, Neumarktl, Altenmarkt, Adelsberg, Wippach, Nassenfuß, St. Marein, Weißenfels, Wartenberg, Landstraß etc. Wie muthet uns dies so vertraut an! Selbst zahlreiche Dörfer und Gemarkungen tragen, soweit man sie nicht in den jüngsten Zeiten slovenisirt hat, noch vielfach deutsche Namen. Besuchen wir aber den einen oder andern dieser Orte mit den deutschen Namen, so kann es uns wohl passiven, daß wir nur mit Mühe eines deutsch sprechenden Bürgers, aber kaum noch eines deutschen Bauern habhaft werden; denn – o die schmerzliche Enttäuschung! – Ortschaften mit kerndeutschen Namen und historisch nachweisbaren deutschen Ursprungs sind durchweg von Stockslovenen bewohnt. Allerdings zeigen diese Stockslovenen vielfach und in manchen Städten und in vielen Dörfern durchaus deutschen Typus in Wuchs, Haarfarbe und Gesichtsausdruck, ja sie tragen sogar, freilich durch slovenische Orthographie entstellte, gute deutsche Namen, sie heißen Pfeifer, Huber, Maier, Schober, Payer, Eggert etc., aber sie können nicht mehr deutsch reden, und könnten sie es noch, so wollen sie es nicht, sie wollen ja gute Slovenen sein, aber sie sind – und das verleiht der Thatsache das Tieftraurige und Beschämende einer schweren nationalen Niederlage! – slavisirte Deutsche! Deutsche, die nicht von einem gleichwertigen Culturvolke, sondern von einem culturlosen Volke aufgesogen sind, das erst seit Kurzem einen gemeinsamen Namen trägt! Und das nicht etwa im fernen Osten, getrennt von Deutschland, sondern in einem alten deutschen Herzogthume, wo sie ein Jahrtausend die Herren waren, in einem Reiche mit deutscher Dynastie, deutscher Staatssprache, deutschem Mittelpunkte und deutsch verhandelndem Parlamente!

Nur eine einzige in sich geschlossene große Sprachinsel, in die aber die slavische Fluth bereits Lücken reißt, existirt noch im Südosten Krains: das Gottscheer Ländchen. Wie lange, wenn kein Retter ersteht, wird es dauern, und auch diese Säule „kann stürzen über Nacht“.[2] Was sagt denn nun die Statistik? Die letzte Zählung (December 1880) ergab in Krain unter 477,000 Bewohnern kaum 30,000 Deutsche und im gesammten Küstenlande [463] (Görz, Istrien, Triest) unter etwa 600,000 Bewohnern nur etwa 12,600 Deutsche. Das sind allerdings wahrhaft niederschmetternde Zahlen. Aber in diesen Ländern, wo so oft der Schein trügt, ist auch die Statistik keine unbestechliche Macht. Es hat nicht verschwiegen und vertuscht werden können, daß slavischer und italienischer Terrorismus in Krain und im Küstenlande auf der einen, und deutsche Mattherzigheit – und leider auch Gesinnungslosigkeit – auf der andern Seite die Resultate der Volkszählung massenhaft gefälscht haben. Wie viele deutsche Krämer und Handwerker, die vereinzelt unter Slovenen leben, wie viele Minoritäten in ehemals geschlossenen deutschen Bezirken, die aber jetzt der Slavisirung verfallen sind, zeichneten sich um des lieben Friedens willen als Slovenen ein!

So erzählte jüngst ein über die Dinge in Krain stets sehr wohl unterrichtetes österreichisches Blatt: In einem gut deutschen Dorfe von Gottschee wurden die Leute gefragt: „Welche Sprache sprecht Ihr?“

„Gottscheerisch.“

„Das ist keine Sprache, sprecht Ihr auch Slovenisch?“

Auf die bejahende Antwort wurden die deutschen Bauern des Ortes als Slovenen notirt. Das officielle statistische Werk „Die Völkerstämme der österreichisch-ungarischen Monarchie“ von Dr. Ad. Ficker berechnete im Jahre 1869 (das heißt in einer Zeit, in welcher die Terrorisirung der Deutschen in Krain bereits in vollster Blüthe stand, und die statistischen Angaben schon sehr stark im slavischen Sinne beeinflußt waren) die Deutschen Krains noch auf 32,600 und die des Küstenlandes auf 24,000. Daß im Verlaufe von elf Jahren gegen 14,000 Deutsche „aufgesogen“ worden sein sollten, das ist doch unglaublich. Landeskundige berechnen auch jetzt die Zahl der Deutschen in den genannten Ländern Südösterreichs auf etwa 70,000 Köpfe. Sie würden also hiernach in Krain sieben bis acht Procent repräsentiren. Unter allen Umständen handelt es sich dort nur um eine geringe deutsche Minderheit, und wir fragen wohl bang: So wäre das Wort von den „alten deutschen Reichs- und Bundesländern“ nur eine historische Sage? Wir antworten getrost mit Nein! Reden denn nicht die deutschen Namen der Städte Und Märkte, so vieler Dörfer und Gegenden, Berge und Flüsse von der uralten Geschichte des Deutschthums im Lande? Zwar behaupten die slovenischen Volksredner und Publicisten: die Slaven seien die „Ureinwohner“ des Landes und die Deutschen nur „Eindringlinge“. Sie vergessen aber, daß in den östlichen Alpenländern seit deren Romanisirung und seit den Stürmen der Völkerwanderung von Ureinwohnern überhaupt keine Rede sein kann, sondern nur von Einwanderern, und daß unter diesen gerade den Germanen der Vortritt gebührt.

Reste der Gothen und Vandalen besiedelten nämlich nach dem Ablaufen der Völkerhochfluth das Land und machten es sich auf den entvölkerten Trümmern der römischen Herrschaft bequem mit Beil und Pflug. Keine Chronik berichtet von ihrer stillen, friedlichen Thätigkeit in diesen dunklen Zeitläuften; aber mehrere, längst slovenisirte „Gothendorf“ legen beredtes Zeugniß ab. Die Gottscheer gelten ebenfalls als Ueberrest jener alten germanischen Völker. Ihre Sagen deuten auf eine Urheimath am Meere hin. Später besetzten die Langobarden das Land und Reste derselben blieben darin, als König Alboin über das uralte Tres Viis (Tarvis) mit seinem Volke in Italien einbrach. Freilich war diese älteste germanische Bevölkerung von Krain sicher nur eine spärliche und vermochte nicht an Widerstand zu denken, als sich um 600 die ungeheure slavische Völkerfluth, gedrängt von den Avaren, in das zum großen Theil unbewohnte Land zwischen den norischen Alpen und der Adria ergoß. Sie drang vor bis an die Meeresküste und sendete ihre Vorposten bis tief in das Innthal und in’s Friaul.

Schon in den nächsten Jahrhunderten aber begann hier im Südosten die deutsche Rückfluth. Diese Länder geriethen ohne besonderen Kampf rasch wieder unter deutsche Herrschaft (im 8. und 9. Jahrhundert). Die Winden wurden aus Ober- und Mittelsteiermark und aus dem nördlichen Kärnten durch die bajuvarischen (baierischen) Einwanderer allmählich, aber vollständig hinausgedrängt, und nur in Untersteiermark, Südkärnten und ganz besonders in Krain und dem Küstenlande blieb die slavische Masse sitzen. Neben ihr aber machte sich im Anschluß an die im Lande zerstreuten gothisch-vandalisch-langobardischcn Reste eine stetige baierische, fränkische und wohl auch schwäbische Einwanderung unter den Karolingern, Ottonen und Saliern geltend. Die Bischöfe von Salzburg, Bamberg und Freising und die unter dem Schirme der deutschen Könige und Herzoge in Karantanien (Kärnten, Krain, Steiermark) sich seßhaft machenden deutschen Herren und Ritter besiedelten das immer noch sehr dünn bevölkerte Krain mit zahlreichen deutschen Ansiedlern. Damals war es in diesen Gegenden im Gegensatze zum Heut gerade die Kirche – freilich eine noch sich deutsch fühlende Kirche –, die durch ihre Stifte und Klöster lebhaft germanisirend vorging und die mit deutscher Cultur das Land eroberte.

Namentlich in das 12. und 13. Jahrhundert fällt der Höhepunkt dieses schönen Culturkampfes, als dessen älteste Denkmäler so viele „Deutschdorf“, „Deutschgereut“, „Hartmannsdorf“, „Grafendorf“, „Grafenacker“ – heute sämmtlich slavisirt – gelten dürfen. Seine schönsten Errungenschaften aber waren die vielen deutschen Städte und Märkte, durchwegs deutsche Gründungen, die vor Jahrhunderten auch thätsächlich geschlossene kerndeutsche Gemeinwesen repräsentirten, in denen die Slaven nur eine untergeordnete Rolle als Dienstboten spielten. Wie schon angedeutet, gab es auch eine starke deutsche Bauernschaft im Lande. Der Adel endlich gehörte ausnahmslos, wie noch heute, dem deutschen Stamme an. Die Geschichte Krains war eine rein deutsche.

Eine Statistik gab es in jenen Zeiten allerdings noch nicht, und es läßt sich daher nicht ziffermäßig feststellen, ob die Deutschen in der Majorität waren oder nur über eine starke Minorität verfügten. Aber bei einem Blick auf die Ueberfülle deutscher Ortsnamen darf man sich wohl nicht scheuen, das erstere anzunehmen. Jedenfalls ist es dem Slaventhume in Krain niemals bis in unsere Tage herab eingefallen, eine nationale Rolle spielen zu wollen, wie eine solche doch in hohem Grade die Czechen und Kroaten gespielt haben. Und wäre der Jesuit nicht gekommen, so hätte vielleicht nie ein Zwist das friedliche Neben- und Durcheinanderleben von Deutschen und Winden und den Proceß einer allmählichen Germanisirung des weichen und bildsamen windischen Volkselementes unterbrochen. Da war es die blutige Gegenreformation unter Herzog Ferdinand (dem nachmaligen Kaiser Ferdinand II.) am Ende des 16. und am Anfange des 17. Jahrhunderts, welche den ersten Hauptschlag gegen das besitzende und gebildete deutsche Bürgerthum Krains führte. Ungezählte Schaaren von evangelischen deutschen Bürgern, die sich nicht „bekehren“ lassen wollten, wurden gezwungen, das Land zu verlassen; ihre Besitzungen wurden den katholischen Winden überliefert. Aehnlich dürfte der Glaubenseifer unter den Bauern aufgeräumt haben. So wurde ein großer, vielleicht der größte Theil der deutschen Intelligenz gewaltsam aus dem Lande getrieben. Die Geschichte dieser traurigen Reaction ist eben noch ungeschrieben.

Von dieser Zeit an datirt die langsam fortschreitende Slavisirung der Deutschen in Krain, ein Proceß, der durch die unter jesuitischem Einflusse vor sich gehende Entwerthung der deutschen Cultur gefördert wurde. Den Deutschen ging nach und nach jede moralische Widerstandskraft und schließlich auch das deutsche Bewußtsein verloren. Man darf daher getrost sagen, daß sich die windische, oder modern ausgedrückt, die „slovenische“ Nation mit deutschem Blute – im wirklichen wie im übertragenen geistigen Sinne – aufgepäppelt hat und daß ein großer Theil derselben durchaus deutschen Ursprungs ist. Auch in der Sprache läßt sich dies nachweisen, denn neben vielen italienischen Worten ist eine Fülle von Bezeichnungen der alltäglichsten Gegenstände und Begriffe im Slovenischen unverkennbar deutscher Herkunft; oft sind besagte Worte nahezu unverändert aufgenommen worden. Trotz alledem war noch vor einem Jahrhundert das deutsche Element im Lande viel stärker, als heute, und in den meisten Städten das Deutsche die Umgangssprache. Das Windische galt, gerade so wie einst das Czechische und Magyarische, als Sprache der Bauern und Dienstboten. In jüngster Zeit wird aber die Ausmerzung des Deutschen mit einem beispiellosen Fanatismus betrieben, und leider gewähren die gegenwärtigen politischen Verhältnisse diesen Bestrebungen allen möglichen Rückhalt.

Die deutsche Sprache, einst die herrschende, wird kaum noch geduldet. Was die deutsche Cultur in Krain während vieler Jahrhunderte ohne Gewaltthat und ohne die ausgesprochene Absicht, die Slaven ihrer Nationalität zu berauben (die Vorkämpfer der Reformation in Krain: Truber, Hans von Ungnad, Vergerius [464] und Andere sorgten sogar für slavische Bibeln und Andachtsbücher, das heißt für die ersten Druckwerke in windischer Sprache!), in fleißiger, ehrlicher Arbeit geschaffen, das versuchen die slovenischen „Retter und Befreier“ des Landes unter Führung deutscher Adeligen (unter Anderem des Grafen Hohenwart) und deutscher Beamten binnen wenigen Jahren entweder mit Gewalt auszulöschen, umzustürzen oder mit einem slavischen Stempel umzufälschen. Man slovenisirt die deutschen Schulen; man hat es bereits durch Auslieferung des Lehrerseminars in Laibach deutschen Lehrern unmöglich gemacht, sich im Lande auszubilden. Bald wird keine höhere Schule mit deutscher Unterrichtssprache im Lande mehr existiren. Und dies Alles unternimmt eine Zwergnation, die nicht einmal hinreichend Lehrbücher in ihrer Sprache besitzt, die über keine Geschichte, keine eigene Cultur verfügt und deren heimische nationale Literatur gerade ein schmächtiges Büchlein füllt, wider die Angehörigen eines Culturvolkes von mehr als 50 Millionen, wider die Väter des Landes! Um die Deutschen in Böhmen und Mähren, in Ober- und Mittelsteiermark und Kärnten ist uns nicht bange; sie werden sich erwehren; aber im Lande Krain droht der deutschen Minderheit die Auslöschung gerade so, wie sie schon in Istrien vor langen Zeiten – unbeachtet von Deutschland – erfolgt ist. Wir haben dort, ehe wir es auch nur ahnten, eine Reihe von Schlachten verloren, und bald, wenn nicht ein totaler Umschwung erfolgt, hat das Deutschthum jedes moralische Anrecht auf das alte deutsche Reichsland Krain eingebüßt, und die tausendjährige deutsche Geschichte des Landes wird zur Sage geworden sein!

F. G. Adolf Weiß.     


  1. Der Laibacher Congreß wurde im Januar 1821 eröffnet und dauerte bis zum Mai. An demselben nahmen die Kaiser von Oesterreich und von Rußland, der König beider Sicilien und der Herzog von Modena theil.
  2. Der Retter ist in der That für die Deutschen in Krain erschienen, der österreichische Schulverein, dessen verdienstvolles Wirken hier besonders anerkannt werden muß. Auf der in den Pfingstfeiertagen zu Graz stattgefundenen Hauptversammlung desselben erstattete Dr. Otto Steinwerder aus Kärnten u. A. auch Bericht über den Stand des Deutschthums in Krain. Aus demselben geht hervor, daß in Laibach eifrig für das Deutschthum gewirkt wird. Außer der evangelischen Schule, welche der Schulverein unterstützt, ist dort ohne Zuthun des Letzteren eine deutsche Schule im Entstehen und wird von ihm ein Kindergarten errichtet. Lebhaft betheiligt sich der Schulverein an der Erhaltung der deutschen Sprachinsel Gottschee durch Bücher, Schulrequisiten, Lehrmittel, Gehaltszulagen für Nothlehrer etc. Auch werden die Bau-Unterstützungen fortgesetzt. In diesem Gebiete erhält der Schulverein eine Volksschule in Maierle und eine Schule für Drechslerei und Schnitzerei in Gottschee, um für den mehr und mehr zurückgehenden Hausirhandel dem Ländchen einen Ersatz durch Hausindustrie zu schaffen. Ein Gottscheer, Herr Stampfl in Prag, welcher schon vor zwei Jahren ein Capital von 100,000 Gulden für Söhne seiner Heimath zu Stipendien gewidmet und dadurch den Nachwuchs von deutschen Priestern und Lehrern gesichert hat, hat den Schulverein, durch eine neue Spende von 20,000 Gulden in den Stand gesetzt, besagte Holzindustrieschule in einem eigenen Hause unterzubringem „In der That, wenn wir sagen könnten,“ bemerkte hierzu der Berichterstatter, „wir haben viele solcher Männer wie Stampfl in Oesterreich, so könnten wir zufrieden sein.“ Vielleicht veranlaßt dies hier Gesagte doch die deutschgesinnten Millionäre in Oesterreich, ihren Beutel etwas weiter für den so segensreich wirkenden deutschen Schulverein aufzuthun, der für das laufende Jahr einer Summe von mindestens 300,000 Gulden bedarf.