Verein zum Schutz der Kinder vor Ausnutzung und Mißhandlung

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Titel: Verein zum Schutz der Kinder vor Ausnutzung und Mißhandlung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 514
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[514] Verein zum Schutz der Kinder vor Ausnutzung und Misshandlung. In den Tageszeitungen muß leider häufig genug von Fällen berichtet werden, in denen die eigenen Eltern ihre Kinder in barbarischer Weise mißhandeln oder ihre geringe Kraft zu Diensten als Straßenverkäufer oder Handlanger bei Haus- oder Werkstättenarbeiten in einer Weise ausnutzen, dass die armen Wesen körperlich und geistig darüber zu Grunde gehen oder unheilbaren sittlichen Schaden davontragen.

Um diesen Uebelständen, welchen in sehr vielen Fällen auf gesetzlichem Wege kaum gesteuert werden kann, einen Damm entgegenzusetzen, haben bereits im Jahre 1896 Frauen wie Frau Dr. jur. Kempin und Frau Zoeller-Lionheart in Berlin ein energisches Eingreifen, nach dem Vorbilde des Tierschutzvereins, von privater Seite einzuleiten versucht. Allein die vereinten Bemühungen der beiden Frauen scheiterten au der Gleichgültigkeit der Frauen ihres Kreises.

Da schlug, wie ein zündender Funken, ein durch alle Zeitungen verbreiteter Aufruf der Frau von Oertzen auf Dobrow in viele mit der leidenden kleinen Menschheit mitempfindende Herzen. Es meldeten sich zu der neuen angestrebten Schutzvereinigung hilfsbereite Mitglieder aus allen Teilen Deutschlands, und am 3. November 1897 konstituierte sich unter dem Vorsitz der Anwältin Frau Dr. jur. Kempin der Berliner Lokalverein.

Die schwere, unheilbare Nervenerkrankung dieser Dame brachte aber leider sofort eine Stockung in die Bestrebungen des jungen Zweigvereins. Der Hauptverein, der seinen Sitz nach Berlin verlegen wollte, hemmte außerdem eine Zeitlang ein geplantes energisches Vorgehen.

Dennoch ist es dem Lokalverein, der den Namen des „Vereins der westlichen Berliner Vororte zum Schutz der Kinder vor Ausnutzung und Mißhandlung“ angenommen hat, in verhältnismäßig kurzer Zeit gelungen, erstens seine Mitgliederzahl schnell zu vermehren, dann fünf mißratene Kinder in öffentliche oder Privatanstalten zu besserer Ueberwachung und Erziehung unterzubringen. Ferner sucht der Verein durch Zuschriften die Aufmerksamkeit der Aerzte, Armenärzte, Volksschullehrer, Geistlichen, Krankenpflegerinnen und Barmherzigen Schwestern auf seine Bestrebungen zu lenken und durch ihre Mithilfe das nötige Material für ihre Schutzthätigkeit zu gewinnen.

Der Verein hat aus seinem kleinen Sammelschatz in Charlottenburg einen Knabenhort gegründet, in dem Schüler jeder Konfession und jeden Alters während der nicht schulpflichtigen Nachmittags- und Abendstunden einen gesunden Aufenthalt und sachgemäße Ueberwachung und Anleitung zu Handarbeiten oder körperlichen Uebungen finden, wo man geistig und körperlich sie auszubilden bestrebt ist und ihnen eine kleine Erfrischung darreicht. Man hofft, dadurch dem demoralisierenden Herumtreiben auf den Straßen bei den unbeaufsichtigten oder mißleiteten Kindern entgegenwirken zu können, die ein so großes Kontingent zum Rowdytum als Heranwachsende später stellen.

Der Verein der westlichen Vororte nimmt durch jedes seiner Vorstandsmitglieder Anmeldungen zum Beitritt und schriftliche Berichte über Fälle von Kindermißhandlung etc. an, prüft sie taktvoll auf ihren Wert hin und stellt sich, zum weiteren Verfolg jeden einzelnen Falles, mit den maßgebenden Behörden in Verbindung. Der Verein als Ganzes beabsichtigt schließlich, nach dem Vorbild von Amerika und England auf die gesetzlichen Bestimmungen durch Petitionen bei dem Reichstag einzuwirken, damit den unglücklichen Schutzlosen das werde, was sie besser behüten kann als jede Privathilfe – der mächtige Schutz der Landesgesetze.