Umgarnt
[451] Umgarnt. (Zu dem Bilde S. 424 und 425.) Die Septembersonne des Jahres 1800 scheint über dem hübschen altväterischen Garten eines patrizischen Landhauses und streut ihre Lichter durch das Blattwerk auf die junge Gesellschaft, die den zum Nachmittagskaffee hergerichteten Tisch umgiebt. Noch ist Siestastunde, die Eltern haben sich ins Haus zu einem Schläfchen zurückgezogen, an Besuch denkt man eigentlich noch nicht. Kommt aber doch einer, von seinem ungeduldigen Herzen gezogen, absichtlich gerade zu der Zeit, wo die reizende Haustochter mit ihren Freundinnen allein im Garten ist, ei, so wird er eben nach Möglichkeit verwendet und muß sich noch glücklich schätzen für die Gunst, den bunten Strang halten zu dürfen, den ihm die Schöne leicht über die Finger streift. So sitzt er denn nun Aug’ in Auge mit ihr und betrachtet unverwandt ihr reizendes Gesicht, das strahlende Augenpaar und das halb neckende, halb verheißungsvolle Lächeln, mit welchem sie ihn nun schon geraume Zeit abwechselnd peinigt und beseligt. Er ist blind gegen alles Uebrige, sieht nicht den teilnehmenden Blick der älteren Freundin, welche das lose Getändel im Herzen mißbilligt, und nicht das anmutige Spiel der beiden anderen mit dem kleinen, nach Zucker lüsternen Sperling. Denn er ist völlig umgarnt, der gute Junge, und so schwach das Fädchen aussieht, das ihn hält – er wird lange brauchen, bis er fertig bringt, es zu zerreißen! … Bn.