Ueber Kindergesellschaften
[52] Ueber Kindergesellschaften. Aus Berlin laufen Klagen ein betreffs der überhandnehmenden Unsitte der großartigen Kindergesellschaften, die schon ganz nach dem Maß der Gesellschaften der Erwachsenen zugeschnitten sind. Es geht dabei der Reiz verloren, welcher der harmlos fröhlichen Zusammenkunft der Kleinen sonst eigen zu sein pflegt und der eine gewisse Bedürfnißlosigkeit oder wenigstens die Zufriedenheit mit einer einfachen Bewirthung voraussetzt. Jetzt geht es in der Regel nicht ab ohne mehrere Gänge, ganz wie bei den großen Herren und Damen, und die junge Welt leert das Glas Bowle mit derselben Grazie wie jene. Die Reichen wollen auch hierin zeigen, welchen Luxus ihre Mittel ihnen erlauben, und die Andern besitzen den falschen Ehrgeiz, es ihnen gleichzuthun. Auch mit den gegenseitigen Beschenkungen wird jetzt ein solcher Luxus betrieben.
Und was sind die Folgen dieser schon die Kindheit in ihr Bereich ziehenden gesellschaftlichen Mißstände? Die Unbefangenheit des zarteren Lebensalters geht verloren; unausbleiblich sind die Verhandlungen der Eltern über die Kosten der Kinderfeste und Geburtstagsgeschenke, auch die Klagen der minder Begüterten. Die Kinder lernen allzufrüh den Unterschied der Vermögensverhältnisse kennen; die einen werden stolz und übermüthig, die andern neidisch und verbittert, und bald beginnt wie Ironie des Dichters Vers zu klingen:
„Spiele, liebliche Jugend! Noch ist Arkadien um Dich –“
Das Arkadien verschwindet aus den Spielen der Jugend, sobald die Geldfrage eine Rolle spielt.
Auch gegen die üblichen Kinderbälle läßt sich viel einwenden: hier liegt ebenfalls eine Nachahmung der Erwachsenen zu Grunde – und darunter leidet der originelle Reiz des kindlichen Lebensalters, das sich von jeder Aefferei freihalten muß. Lieber etwas lärmendes Spiel voll Heiterkeit und Lebenslust und dazu eine belegte Butterschnitte und ein Glas leichtes Bier, als das verzierte Wesen bei einem pomphaften Souper, welches nur der Küche und dem Geldbeutel der Gastgeber Ehre machen soll. †