Textdaten
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Autor: Dr. E. Heinrich Kisch
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Titel: Ueber Entziehungsdiät
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 383–386
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ueber Entziehungsdiät.

Von Professor Dr. E. Heinrich Kisch.


Wie das Ueberfüttern der Kinder in wohlhabenden Familien eine der häufigsten diätetischen Sünden ist, so nimmt auch ein sehr großer Theil der Erwachsenen weitaus mehr Nahrungsmittel zu sich, als die Verdauungsorgane bewältigen können und als zur Erhaltung des Körperbestandes nothwendig ist. Diese Ueberfüllung mit Nährstoffen, diese Ueberlastung des Magens und Darmes dauert so lange fort, bis endlich der Organismus sich den zu hoch gespannten Anforderungen nicht mehr gewachsen erweist. Es entstehen Störungen der Verdauung, der Magen empört sich, die Darmthätigkeit wird träge, das Blut stockt in seinem Kreislaufe, die Leber schwillt, die Nerven werden verstimmt, der Stoffwandel zeigt sich mannigfach verändert – kurz, man muß den Arzt holen lassen, und dieser verordnet in richtiger Erkenntniß, daß hier die Nahrungsaufnahme den Stoffverbrauch übertraf, eine Entziehungsdiät. Er entlastet die Verdauungsmaschine, er behebt die Blutüberfüllung, welche wichtige innere Organe gefährden kann, indem er dafür sorgt, daß die Menge aller zur Erhaltung des Stoffgleichgewichtes nothwendigen Nahrungsstoffe herabgemindert, also weniger Eiweiß, Fett, Zucker und Stärkemehl zugeführt wird, als bisher die Lebensgewohnheiten des Kranken mit sich brachten, ja, sogar weniger, als die Erhaltung des Stoffgleichgewichtes fordert.

Die einfachste allgemeine Entziehungsdiät besteht also darin, daß der Körper eine zur vollständigen Sättigung nicht genügende Menge leicht verdaulicher Nahrungsmittel erhält, und einer solchen Diät sollte sich jeder unterziehen, der in Speise und Trank zuviel des Guten geleistet hat und nun empfindet, daß Magen und Darm den Dienst versagen. In früherer Zeit hat man aus solcher Entziehungsdiät eine wahre Hungerkur gemacht, und die alten Aerzte ließen blutreiche, vollsaftige Lebemänner, Gichtbrüchige und Fettsüchtige ohne Erbarmen hungern. Die neueren physiologischen Untersuchungen haben aber das Schädliche solchen Vorgehens erwiesen und dargethan, daß bei der Entziehungsdiät alle Vorsicht geboten ist. Wenn die dem Körper zugeführten Nährstoffe längere Zeit hindurch auf das Nothwendigste beschränkt werden, so wird der Nachwuchs der rothen Blutkörperchen behindert und der Organismus in seinem Aufbaue gestört. Die Entziehungsdiät darf darum weder zu strenge genommen, noch zu lange ausgedehnt werden.

Weitaus häufiger, als der Arzt eine allgemeine Entziehungsdiät vorschreibt, sieht er sich veranlaßt, einen oder mehrere bestimmte, zur Ernährung nothwendige Stoffe in ihrer Zufuhr zu beschränken oder dem Organismus gänzlich zu versagen. Auf solche Weise können von den Nährstoffen das Wasser oder das Fett oder Zucker und Stärkemehl oder endlich die Eiweißstoffe entzogen werden.

Die Wasserentziehungsdiät besteht in der möglichsten Enthaltung vom Wassergenusse. Dadurch wird dem Organismus zunächst Wasser, mittelbar aber auch eine Reihe von festen Bestandtheilen genommen, so daß eine günstige Beeinflussung des Stoffwechsels bei Fettsucht, Gicht, Rheumatismus und anderen Erkrankungen erzielt werden kann. Schon aus sehr alter Zeit, bereits von Plinius dem Jüngeren, der um das Jahr 100 n. Chr. lebte, rührt die Verordnung her, daß fette Personen, welche mager werden wollen, während des Essens dürsten und nachher wenig trinken sollen. Und bekanntlich ist dieser Grundsatz, die Aufnahme von Flüssigkeiten, besonders von Wasser, auf ein möglichst geringes Maß herabzusetzen, in jüngster Zeit als modernstes Entfettungsmittel lebhaft verfochten, aber auch nicht minder lebhaft bekämpft worden.[1]

Als festgestellt kann man ansehen, daß eine möglichste Beschränkung des Wassergenusses in den Fällen nutzbringend ist, wo infolge der fettigen Veränderungen des Herzmuskels hochgradige Kreislaufsstörungen vorhanden sind und es für die Erhaltung des Lebens von Wichtigkeit erscheint, die in den Geweben aufgestauten Flüssigkeitsmegen zu vermindern. In der Regel wird hierbei die Menge der gestatteten Getränke in folgender Weise angesetzt: morgens und abends eine Tasse (150 Gramm) Kaffee, Thee, Milch oder dergl., mittags 3/8 Liter Wein und vielleicht noch, in kleinen Portionen über den ganzen Tag vertheilt, 1/4 bis 2/3 Liter Wasser.

Die strengste Form der Wasserentziehung bietet die sogenannte Schrothsche Diät. Diese Durstkur, welche sich einer großen Beliebtheit erfreut, wobei wir aber gleich bemerken wollen, daß oft genug die von ihr drohende Gefahr in keinem richtigen Verhältnisse zu dem zu erhoffenden Nutzen steht, hat folgenden Gang: der Patient genießt nach Bedürfniß und Appetit in den Morgenstunden wie im Laufe des Tages trockene, gut ausgebackene Semmel, mittags einen Brei aus Reis, Gries, Hirse. Zum Getränk dient in den ersten acht Tagen mit Zucker und etwas Citronensaft versetzter, nicht ganz dünner Haferschleim, nicht zuviel auf einmal und nur bei entschiedenem Durste. In der zweiten Woche trinkt man täglich nur einmal ein Weinglas voll Wein, den man mit einem halben [384] Glase Wasser und etwas Zucker gemischt und heiß gemacht hat. In der dritten Woche trinkt man täglich nur ein Glas reinen Weines, dann geht es noch einen Schritt weiter: man versucht einen Tag gar nichts zu trinken, genießt am folgenden Tage ein Glas warmen Wein und macht am dritten Tage einen sogenannten Trinktag, d. h. man trinkt zwei Stunden nach dem Mittagstisch mehrmals. Und in dieser Weise wird einige Wochen fortgefahren, so daß nach jedem Trinktage sofort wieder die trockene Diät beginnt.

Die geschilderte Trockenkost hat einen günstigen Einfluß auf manche Stoffwechselerkrankungen, allein die Untersuchungen über die Wirkung einer so weit gehenden Wasserentziehung beim Menschen haben gezeigt, daß hierdurch wesentliche Veränderungen im Blute sowie in der Zusammensetzung der Gewebe zustandekommen, welche lebenbedrohende Erscheinungen zur Folge haben.

Eine häufige Form von entziehender Diät ist ferner jene, bei welcher die Fette aus den Nahrungsmitteln mehr oder minder vollständig verbannt werden. Durch die verläßlichsten physiologischen Versuche der Gegenwart ist nachgewiesen, daß die häufigste und wichtigste Quelle des im Körper abgelagerten Fettes das mit der Nahrung aufgenommene Fett thierischen oder pflanzlichen Ursprunges ist und daß darum jeder zur Korpulenz Veranlagte wohlweislich vom Küchenzettel jegliches Fett streichen, kein fettes Fleisch, keine Butter, kein Schmalz, keine fetten Saucen etc. genießen soll. Eine auf diesem Grundsatze aufgebaute Kur ist seit nahezu dreißig Jahren unter dem Namen „Bantingkur“ bekannt, seitdem sie der englische Arzt Harvey dem dicken Banting empfahl, welcher nicht verfehlte, die hierdurch an seinem Fettpolster erzielten glänzenden Erfolge in einem drastisch geschriebenen „offenen Briefe“ der gesammten abmagerungsbedürftigen Menschheit zu verkünden.

Bei der Fettentziehungsdiät sind Butter, Rahm, Schmalz gänzlich zu meiden, ferner alle fetten Fleischsorten, so Schweinefleisch (mit Ansnahme mageren Schinkens), Gans, Ente, von Fischen der Lachs, die Lachsforelle, der Steinbutt; endlich müssen vom Speisezettel alle Pasteten und alles fette Backwerk verschwinden, unter den Früchten sind Kastanien, Nüsse, Mandeln verboten, unter den Getränken Chokolade und Kakao. So wirksam eine solche Fettentziehungsdiät ist, so darf sie doch nur auf kurze Zeit angewendet werden, weil sonst wesentliche Ernährungsstorungen eintreten können; das Fett ist eben zum Aufbau des Organismus mit von nöthen. Gewöhnlich wird die Fettentziehungsdiät mit der Entziehung noch anderer Nährstoffe verbunden, nämlich der Kohlenhydrate, d. h. des Stärkemehles und Zuckers, weil diese Stoffe zwar nicht selbst in Fett übergehen, wie früher angenommeu wurde, aber doch die Eigenschaft besitzen, das im Körper gebildete und abgelagerte Fett vor Zerstörung zu schützen. Darum wird fetten Personen verboten, Mehlspeisen zu genießen und Süßigkeiten zu naschen; ja diese Maßregel erscheint zuweilen für Fettsüchtige noch wichtiger und dringender als die Fettentziehung.

Wenn man der Nahrung die Kohlenhydrate entzieht, so verfolgt man vorzugsweise auch die Absicht, den Zuckergehalt des Blutes herabzusetzen. Diese Diät wird deshalb auch bei der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) angewendet, in der Form jedoch, daß es gestattet ist, Fette in größeren Mengen zu genießen. Der Zuckerkranke wird darum, wie wir dies in dem Aufsatz in Nr. 18 des Jahrgangs 1889 dargelegt haben, vorzugsweise auf Fleischkost gesetzt, weil die Wurzeln, Früchte und Körner der Pflanzen die zu vermeidenden Stärkemehlarten enthalten und mehr oder minder zuckerreich sind. Solchen Kranken wird selbst das dem Aermsten nothwendige tägliche Brot ganz entzogen oder sehr knapp zugemessen. Aber auch hier ist eine vollständige Verbannung sämmtlicher Zuckerbildner aus den Nahrungsmitteln nicht gut durchführbar, weil eben der Organismus dies nicht verträgt und einer bloßen animalischen Ernährung widerstrebt.

Den geraden Gegensatz zu dieser Diätform bietet die Vegetarianerdiät, welche alle Speisen thierischen Ursprunges meidet und nur die pflanzlichen Nahrungsmittel gestattet. Es läßt sich nicht leugnen, daß der Mensch auch als Vegetarianer leben kann, besonders wenn er sich nicht streng orthodox an ausschließliche Pflanzenkost hält, sondern von den thierischen Nährmitteln die nicht so verpönten Eier, die Milch, die Butter und den Käse sich gestattet. Aber um Vegetarianer zu sein, muß man vor allem einen guten Magen und leistungsfähigen Darm haben, denn eine ausschließlich pflanzliche Kost stellt an die Verdauungsorgane weit höhere Anforderungen als eine gemischte. Der für den Körperbestand wichtigste Nährstoff, das Eiweiß, ist zwar auch in den pflanzlichen Speisen enthalten, allein nicht in so leicht verdaulicher, den Säften rasch zugänglicher Form wie in der Nahrung thierischen Ursprunges.

Der menschliche Körper kann sein Eiweiß von einer Erbsenkost wie von einer Fleischkost beziehen, aber bei der ersteren ist die Ausnutzung des Nahrungsmittels durch den Darm eine weitaus unvollständigere und schwierigere; es wird eine ungleich größere Menge zugeführt werden müssen, ein gewaltiger Ballast wird mit herbeigeschafft, der viel Unnützes enthält. Um die für den Stoffwechsel nöthigen Substanzen, namentlich die Eiweißstoffe, aus einer Pflanzenkost, einer Ernährung durch Brot, Kartoffeln, Reis, Mais etc. zu gewinnen, bedarf es einer sehr großen Masse dieser Speisen und einer langen Zeit zur Bearbeitung. Die Pflanzenfresser unter den Thieren haben einen viel komplizierteren und längeren Darm als der Mensch und haben Muße zu ihrer Eßarbeit.

Wenn die Vegetarianer behaupten, daß ihre Ernährungsart vollständig genüge, um ihr Körpergewicht auf einer beträchtlichen Höhe zu erhalten, ja daß sie dadei sogar recht kräftig und schwer werden, so muß dem gegenüber betont werden, daß die Gewichtszunahme, welche bei ausschließlich pflanzlicher Kost stattfindet, auf Vermehrung des Wassergehaltes des Körpers, nicht aber auf Ansatz von Fleisch oder Fett beruht.

Allerdings ist zuweilen auch diese Fleischentziehungsdiät für einige Zeit angezeigt, und es kann manchem von Nutzen sein, auf ein paar Wochen Vegetarianer zu werden. Namentlich Personen, welche einen üppigen Tisch lieben und dabei eine sitzende Lebensweise führen, welche gewohnt sind, sehr nahrhafte und dabei leicht verdauliche Fleischspeisen zu genießen, können hierdurch ihre Verdauungsorgane [385] derart erschlaffen, daß für diese ein ungewohnter kräftiger Reiz nur nützlich ist. Der vegetarianische Küchenzettel mit der geringen Auswahl von Gängen, mit den einfach zubereiteten Mehlspeisen, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Gemüsen und Obst thut hier sehr wohl, und nach einiger Zeit kehrt dann der so auf Fastenkost gesetzte Feinschmecker wieder gebessert zu seinen gewohnten Fleischtöpfen zurück. Jener Küchenzettel hat zwar nicht viel Verlockendes für sich, aber immerhin läßt sich mit ihm einige Wochen, wohlgemerkt nicht allzulange, auskommen, und das aus reinem ungebeutelten Weizenmehl bereitete Schrotbrot (Grahambrot), das eine große Rolle unter diesen Tafelgenüssen spielt, wird oft in die frühere Speiseordnung hinübergenommen.

Ein Vegetarianer genießt zum Frühstück Schrotmehlsuppe oder Kakao oder auch Milch, dann Weizenschrotbrot mit Obst, Obstmus, auch mit Butter oder Honig. Das Mittagessen bietet Obstsuppe, Gemüse, Hülsenfrüchte, Rüben, Spargel, Kohl, Kartoffeln, Reis, Graupen, Milch- und Mehlspeisen, Obst und Schrotbrot. Zur Abendmahlzeit kommt wieder Brot mit Obst auf die Tafel und, wenn es nicht gar zu strenge hergeht, Käse, Butter, Eierspeise. Entsprechend dem Zwecke einfacher, naturgemäßer Lebensweise ist Wein und Bier verboten und als Getränk nur reines Wasser, Himbeerwasser oder Milch gestattet. Auf solche Weise erzielen vollsaftige, an Trägheit des Blutumlaufes und Schwäche der Darmthätigkeit leidende Personen oft recht günstige Erfolge, nur darf man nicht mit der übertriebenen und ungerechtfertigten Behauptung kommen, die Vegetarianerdiät sei für den Menschen die einzig richtige und in der Enthaltung von Fleischkost beruhe das Heil der gesammten Menschheit.

Schließlich sei noch der Eiweißentziehungsdiät gedacht. Denn auch das Eiweiß, so bedeutungsvoll die Rolle desselben für den Haushalt des Körpers ist, kann unter Umständen dem Organismus mit Vortheil entzogen werden. Bis zu einem gewissen Maße findet dies bei Fiebernden statt. Von der früheren Anschauung, daß man dem Fieberkranken jegliche Nahrung verweigern müsse, um nicht Oel ins Feuer zu gießen und durch Zufuhr von Nahrungsstoffen die erhöhte Körpertemperatur noch mehr zu steigern, von dieser Anschauung ist man gegenwärtig abgekommen; aber aus mehreren, der genaueren Erkenntniß vom Wesen des Fiebers entnommenen Gründeu ist man bestrebt, dem Fiebernden das Eiweiß nur in geringer Menge und in sehr leicht verdaulicher Form zu reichen und die Kost so einzurichten, daß in derselben die stickstofflosen Nahrungsstoffe die stickstoffhaltigen überwiegen. Neben dem Wasser, dem für Fieberkranke unentbehrlichsten Nahrungsmittel, zu dessen Genusse ja schon der vermehrte Durst treibt, bilden Abkochungen, welche vorzugsweise Stärkemehl, Zucker und Leimstoffe enthalten, die zweckmäßigsten Bestandtheile in der Ernährung Fiebernder. Mehlsuppen aus Weizenmehl, Gerstenmehl, Hafermehl, Gries, Reismehl, mit Kochsalz oder Zucker versetzt, Fleischbrühen, namentlich die leimreiche aus Kalbsfüßen und etwas Kalbfleisch bereitete Brühe, leimhaltige Gelées, Milch mit Wasser verdünnt, Bouillon mit Ei sind solche Gerichte, die, mit der nöthigen Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Verdauungsorgane und des Standes der allgemeinen Körperkräfte, dem Fiebernden gereicht werden und den Zweck erfüllen, eine Diät zu bieten, in welcher das Eiweiß nicht zu reichlich enthalten ist.

In der jüngsten Zeit hat man die Eiweißentziehungsdiät auch bei solchen Stoffwechselerkrankungen empfohlen, bei denen man eine übermäßige Ansammlung von Eiweißstoffen in den Säften annehmen zu müssen glaubte, so bei der Krebskrankheit. Man giebt solchen Kranken eine an Stickstoff und phosphorsauren Salzen arme Kost. Bei der Eiweißentziehungsdiät werden alle Fleischspeisen gemieden, ebenso Fische, Krebse, Austern und Muscheln, Eier, Käse und Hülsenfrüchte, ferner Bier und schwere Weine, [386] Hingegen werden für den Tisch solcher Kranken vorwiegend folgende Speisen in verschiedenster Zubereitung verwerthet: frische Gemüse, namentlich Spinat, Kohl, gelbe Wurzeln, ferner Kartoffeln, Reis, Mais, Sago, Buchweizen, Obst, Zucker, Butter, Fett. Bei einigem Kochverständniß läßt sich aus diesen Dingen ein gar nicht übler Küchenzettel zusammenstellen, umsomehr, als zum Getränk Thee, Milch, Chokolade, leichter Rhein- und Moselwein, Limonade und Champagner gestattet sind.

Ein Forscher auf diesem Gebiet, Professor Beneke, hat für Krebskranke die Eiweißentziehungsdiät durch folgende Speiseordnung empfohlen: als Frühstück ein kräftiger Aufguß schwarzen Thees mit Zucker und Milchrahm oder auch eine Tasse Kakao oder Chokolade, wenig Brot mit sehr viel Butter, dazu einige Kartoffeln in der Schale gequellt mit Butter; als zweites Frühstück frisches oder gekochtes Obst, einige englische Biskuits oder wenig Brot mit Butter, ein Glas Wein. Zur Mittagsmahlzeit Fruchtsuppe, Weinsuppe mit Sago, Kartoffelsuppe, nicht mehr als 50 Gramm Fleisch (in frischem Zustand gewogen), Kartoffeln, einfach abgekocht oder in Form von Brei oder Klößen, alle Arten von Wurzelgemüsen, gekochtes Obst, Aepfel oder Pflaumen mit Reis, Reis mit Rum. Salate, Fruchteis, leichte Mosel- und Rheinweine. Nachmittags schwarzen Theeaufguß mit Zucker und Milchrahm, wenig Brot mit Butter, oder frische Früchte und einige Biskuits. Abends eine Suppe wie mittags, Reis mit Obst, Quellkartoffeln mit Butter, Kartoffelsalat. Geringe Menge Sardinen, Anchovis, frische Häringe, Buchweizengrütze mit Wein und Zucker. Leichter Wein.

Gar mannigfaltig gestaltet sich demnach, wie wir eben erörterten, die Entziehungsdiät. Sie muß, dem Einzelfalle entsprechend, mit sorgfältiger Erwägung der Lebensweise und Ernährungsverhältnisse geregelt werden und bietet dann, wenn wissenschaftliche Erkenntniß des Arztes mit vernünftiger Selbstbeherrschung des Kranken Hand in Hand geht. ein machtvolles Mittel zur Verhütung und Bekämpfung krankhafter Zustände, einen Triumph der Küche über die Apotheke.


  1. Siehe darüber meinen Aufsatz „Die Fettleibigkeit und ihre Folgen“, „Gartenlaube“ 1885, Seite 262.