Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae: S. Gallen

Topographia Germaniae
S. Gallen (heute: St. Gallen)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1642, S. 67–70.
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3. S. Gallen / Sangallum.

Es ligt S. Gallen im Obern Turgöw / zwischen zween Bergen / welche sie / der Länge nach / beyde berührt. Gegen auff- vnnd Nidergang der Sonnen hat sie eben Geländt / doch allenthalben herzu rauhe vnd enge Strassen / ist auch mit wilden Büheln vmbgeben / vnd hat gegen Mittag das Appenzeller Alpgebürg. Es wächst vmb die Statt nichts dann Graß / darumb gehet auß dieser Statt kein Pflug / kein Rebmann / noch Ackermann / so fahrt auch kein Hirt darauß / welches zwar seltzam / vnd nicht in vielen Stätten gefunden wird. Zu dem Bodensee hat sie ein geringe Teutsche Meil. Das Wasser Steinach treibt die Müllinen der Statt / vnd kompt in den Bodensee. Die Goldaych rinnt ob der Statt / vnd laufft zu Goldach / in den Bodensee. Die Sitter aber vnder der Statt / laufft vnder Bischoffszell in die Tur. Vnden an der Statt fleust ein Bach / so theils das Schwartzwasser / theils Yurhonn / oder Iren nennen / so dem Stattgraben sein Wasser gibt / vnnd vnder der Statt in die Steineych fällt. Hat gutes Wasser / vnnd der Lufft ist das gesund. Sanctus Gallus, ein Schott- oder Irländer / vnd S. Columbani [68] Discipel / hat am Bodensee Anno Christi 614. vnd folgende Jahr / biß auffs 30. geprediget / in welchem Jahr er ein Einsidel worden / vnd ihme ein Cell erbauet / so in einem gar wilden vnnd finstern Wald / an zweyen Bergen gelegen / deren der eine das Buch / der ander die Bernegk folgends seyn genandt worden / zwischen welchen obgedachter rauher Bach / die Steinaych genant / durch die Felsen herfür / biß an die Rinckmauren der Statt Sanct Gallen rauschet / daran der Zeit wol acht Müllinen seyn sollen. Vmbs Jahr 640. ist er zu Arbon am Bodensee im 95. Jahr seines Alters gestorben / vnnd in besagte seine Cell geführet worden / bey welcher / nach seinem Todt / etliche seiner Jünger / sampt andern Brüdern / sich versamblet / aber keinen besondern Orden oder Regel / biß auff S. Othmayrs deß ersten Abbts / Ankunfft / gehabt / von welchem / etwann bey 80. Jahren / nach S. Gallen Todt / S. Benedicten Regul da erstlich eingeführet worden ist. Vnd seyn selbige vnderschiedlicher Spraachen gewesen / daher die Berge bey der Statt / als Rotmont / Monzelen / oder mons coeli, jetzt Menzeln / also genannt worden. Vnd haben diese Zuchtschuler / Layenstandts / ihren Priester vnd Pfarrer gehabt / vnd ist S. Peters Kirch die älteste zu. S. Gallen. Gemeldter erster Abbt S. Othmar / ein Schwab / kam herfür Anno 720. ward deß Ehebruchs beschuldiget / vnd vor dem Bischoff zu Costantz verklagt / auff dem Schloß Podmen gefangen gehalten / hernach ins Elend verwiesen / vnd starb in demselben / in der Insel ob der Statt Stein / jetzt im Wörd geheissen / An. 759. Man entschuldigt ihn gleichwol / vnd sagt / es hette ihm der Bischoff zu Costentz vngütlich gethan / wie er dann A. 864. in der Heiligen Zahl gesetzet worden / nach dem er in seinem Leben den armen zu gut ein Spital vnd Bilgerhauß / gebawet hatte. Folgends hat der Abbt Gottsbertus allhie / so Anno 816. erwehlt worden / obgedachte Cell anders vnd bessers erbaut / so Anfangs S. Gallen / folgends S. Othmars Kirchen / vnnd das Kloster forthin nicht mehr S. Gallen Cell / sondern Sanct Gallen Münster genannt worden. Vnd mit vnnd bey diesem Kloster / hat sich die rechte alte Statt S. Gallen erhebt / ist hernach / vmbs Jahr Christi 954. auß einem Dorff zu einer Statt zu machen / mit Mawren vnnd Gräben / Thürnen vnd Thoren / zu vmbziehen / angefangen / vnd vngefährlich An. 980. vollendet worden. Anno 1418. verbrannt zwar diese Statt / biß ohngefehr vff 17. Häuser / wurde aber zierlicher hernach erbawt / vnnd seyn deßwegen folgendts die Nacht- vnnd Windwächter da angestellt worden. Das Kloster ligt in der Statt / hat aber seyn eygen Thor / vnnd absonderliche vollkommene Jurisdiction; sonsten wenig eingeschlossener Häuser / vnnd neben denselben zween Gärten: Die andern Plätz seyn der Statt / auch Tag vnnd Nacht offen / vnd vngesperrt. Vnd stehen in der Frawen Abbtissin deß Fürstlichen Frey-Adelichen Weltlichen Stiffts zu Lindaw Rettung / dero Stiffts Freyheit- vnnd Herrlichkeiten / wider die Lindauische gründliche Außführung / etc. am 63. blat / folgende Wort. D. H. fol. 864. gestehet selbst / das Closter S. Gallen habe nicht minder / als Costantz / vnd Chur / die hohe Regalia, sub medii temporis Impp. erlangt; wie kan Er dann / mit fug / vber selbiges Gottshauß / der Statt / welche / vor Alters / dem Closter zugehört / einige Superiorität zueygnen? Vnd bald hernach wird daselbst also gesagt: Nicht allein hat die Statt S. Gallen kein Superiorität / vber selbiges Fürstlich-Gottshauß / sondern so gar die Stattmaur / in dessen Einfang / ist dieses Closters eigen: wie es dann auch ein absonderlich Statthor hat / dessen sich Ihr Fürstl. Gn. sampt den Ihrigen / ohne Einred der Statt / bedienen können. Neben dem / hat / ausser der Statt / gemeldtes Gottshauß / ein absonderliches Hochgericht / vnd omnimodam jurisdictionem territorialem. Da es D. H. beliebt / mag Er dahin raisen / vnd selbst nachfragen / ob einen in deß Gottshauß Einfang betrettenen Maleficanten / oder Vbelthäter / der Herr Praelat beyzufahen / vnd zu straffen hab? Biß hieher diese Schrifft: Das Münster ist ein gemeine / vnd offene Kirch der Statt / vnd Burgerschafft / die auch gemeine Schlüssel darzu haben / vnd ihre Wacht auff dem Münsterthurn halten; haben auch gemeine Verwaltung vber das Heyligthumb. Das Kloster hat nichts in der Statt / ohn ein angedingt / vnd verbriefft [69] Lehen / welches nicht deß Abbts / noch Klosters / sondern deß Käysers ist / vnd aber die Aebbte / von den Käysern / zu empfahen / vnd ferner zu leyhen gewohnt seynd: Wie auch ein Spitalmeister deß Spitals der Statt alle Höff im Turgäw / Rheinthal / Tockenburg vnnd Appenzell gelegen (deren ein grosse Zahl ist) mit sampt etlichen Tragern / von jedem angehenden Abbt bißher emfangen / vnd darnach von seiner Hand zu leyhen / Brauch vnnd Recht hat. Es ist zwar die Statt Anfangs dem Abbt gehörig gewesen / vnd da sie schon hernach ein Reichs-Statt worden / doch mit vielen Burgerlichen Pflichten dem Kloster zuständig blieben / von welchen sie sich aber mit Gelt / vnd andern ehrlichen Mitteln / befreyt gemacht. Es hilfft der Abbt / mit sampt ihr / zu gleicher Zahl / das Gericht besetzen / darfür man auß deß Abbts Landschafften appellirt: Doch hat der Abbt den Obmann. Diese Richter schweren weder dem Abbt / noch der Statt / sondern allein GOtt. Der Abbt hat im Bezirck deß Klosters Gebott vnd Verbott / vnd / ausser der Statt / die absonderlich Hochgericht: hergegen die Statt auch ein Hochgericht / vnd die macht / die ihrige zu straffen hat / welche Hohe-Gericht sie vom Reich empfangen: Wie dann auch die Reichs Vogtey An. 1401. der Statt einverleibt worden / vnd hat ihr Bähr oder Wappen das Halßbandt An. 1475. vom Käyser Friderico IV. bekommen. So einer in das Kloster (so bey 17. oder 18. vnd nicht mehr Convents-Herren hat /) vnd desselben Freyheit / fleucht / vnd sein Handel vnredlich vnd Malefitzisch / so ist ihn der Abbt schuldig / auff der Statt anfordern / herauß zu geben / doch stehet es zu Erkandnuß 12. Männer / deren der Abbt 6. mit seinem Hoffmeister / als Obmann / vnnd die Statt auch 6. setzen. Mit den Klosterleuthen / vnnd Appenzellern hat die Statt den Verstandt / daß kein Theil den andern verhefften / oder / einiger Ansprachen halber / verbieten / oder verpfänden / sondern jeder den andern suchen vnd ansprechen solle / da er gesessen / vnd wohnhafft ist. Sie hat 3. Burgermeister / so vmb einander regieren. Im kleinen Rath sitzen 24. vnnd im grössern 90. Personen / so auß den 6. Zünfften / vnd der freyen Gesellschafft von Notenstein / erwehlet wird. Ist gar Volckreich / hat einen stattlichen Leinwand-Handel / vnnd vieler Spraachen kündige Kauffleuth / (die sehr weit handlen) auch schöne wolgezogene Weiber: Zween Jahr-Märckt / den einen nach dem Auffarts-Tag; den andern nach S. Gallen-Tag / auch grosse Wochenmärckt / vnd ein schöne Metzig oder Fleisch-Bänck / aber nicht sonders grosse Wirtshäuser. Die Nürnberger seyn / vermög eines Vertrags de Anno 1387. zu S. Gallen / vnd die S. Galler zu Nürenberg Zoll frey. Es ist die Statt der Reformirten oder Eydgnossischen Religion zugethan / vnnd hat zu derselben Exercitio die Kirchen zu S. Laurentzen / vnd S. Mangen. Es haben zwar Anno 1529. die von S. Gallen / auß dem obgedachten Münster / vnd allen Capellen daherumb / alle Bilder abgethan / vnd derselben etliche Fuder auff Kärren / vnd Wägen für die Statt geführt vnd verbrennt / auch alle Grabstein ab dem Kirchhoff gethan: Sie haben sich aber hernach mit dem Abbt Diethelm vertragen / vnnd ihme für alle Ansprach 10000. Gülden geben / vnd ward jedem Theil sein Religion auff dem seinen vorbehalten. Vnd hat der Abbt im Kloster die Altär / vnd Bilder / wieder vffgerichtet. Anno Christi 1451. hat der Abbt mit Zürich / Lucern / Schweitz / vnd Glaris / sich in Bündnuß / Burg- vnnd Landrecht / auff ewig / begeben / wiewol er die Lehen vom Käyser hat / vnnd ihme Eydspflicht thut; Vnd Anno 1521. sampt dem Schloß vnd Graffschafft Toggenburg / vnd der Abbtey S. Johanns im Thurthal / (so Benedictiner Ordens / vnnd ob diesem Closter hinder dem hohen vnnd rauhen Scalberg / die Tur entspringt) auff 6. zu Roß / vnnd 30. zu Fuß / angelegt worden / gibt aber der Zeit nichts mehr / wiewol er auff die Reichs-Täg beschrieben wird; welches auch gegen der Statt geschicht / so vff 57. zu Fuß angeschlagen / die aber nur ein Recepisse / auff die Käyserliche Außschreiben / gibt. Dann sie deß Abbts Exempel gefolget / vnd sich Anno 1454. auch in ewige Bündnuß mit den sechs Orten / Zürich / Bern / Lucern / Schweitz / Zug vnnd Glaris / eingelassen. Vnd solle diese Statt S. Gallen gegen Erlegung / einer grossen Summ Gelds / vom Käyser Sigismundo, An. 1417. der ReichsStätt Steuer [70] seyn erledigt worden. Sihe Stumpf. lib. 5. c. 8. Nunmehr ist Sie in dem Schweitzerischen Bund / vnnd gibt weiter nichts zum Reich. Das vornehme Geschlecht der Herren Schobinger allhie / hat seinen Namen von dem nicht weit von der Statt / in deß Herrn Abbts Gebiet gelegnen Castell Schowingen; wie Goldastus berichtet. Es hat viel gelehrte Leuth vor Zeiten allhie gehabt / darunder Nodkerus, Radopertus, Tutilo, Hartmannus, Eccardus, Hermannus Contractus, Geroldus vnd andere / gewesen / wie dann noch deß Klosters herrliche Bibliothec wol zu sehen ist. Auß der Statt seyn neben andern Gelehrten / vnnd den vornehmen Varenbülerischen / Schobingerischen / Zoligkoferischen / etc. Geschlechten / auch herkommen Hieronymus Schurpff / vnd Joachimus Vadianus / oder von Watt. Die Aebbte allhie seyn vor Zeiten gar mächtig gewesen / also / daß / einmals / einer auß ihnen zu Straßburg mit tausendt Pferdten eingeritten ist. Er hat ein schöne Land- vnd Mannschafft in Ober vnnd Nider Turgäw. In der Graffschafft Tockenburg hat er das Halßgericht / vnd etliche Schlösser / mit Rent / Gülten / vnd Gerichten / aber die Mannschafft nicht dem Abbt gewärtig / sondern hat ein wenig Landrecht mit den 2. Orthen Schweitz vnd Glaris. Es gehören dem Abbt auch die 2. Stättlein Liechtensteig vnd Wyl.

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