Topographia Braunschweig Lüneburg: Vltzen

Topographia Germaniae
Vltzen (heute: Uelzen)
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Vogdsdahlum
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 196–198.
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Vltzen.

Diese zum Hertzogthumb Lüneburg gehörige Statt / 5. Meilen von Lüneburg / vnd 6. Meilen von der Fürstl. Residentz-Statt Zelle belegen / ist vor Alters Lawenwald genennet[1] worden / Massen dieser Nahme in denen alten Fürstlichen Gnaden- vnd Befreyungs- auch andern verhandenen Briefen befindlich / so wol am Rahthause daselbst / welches Anno 1347. gebawet / an der Nordseiten in Stein gebrant / annoch zu lesen ist. Sie führet über dem im Wapen einen blawen Löwen / zwischen dreyen grünenden Bäumen / im grünen Felde wandelnd / vnd ist solcher Nahme zweifels frey von dem nahe anligenden Walde ihr gegeben worden / wie dann die alten Teutschen gemeiniglich ihre Stätte nach den vorbey fliessenden Wassern / Wäldern / oder dergleichen genennet haben.

Wann vnd welcher gestalt Sie aber den Nahmen Vltzen bekommen / davon ist annoch keine eigentliche Gewißheit / So viel ist zwar auß etzlichen alten brieflichen Vrkunden / sub dato 1255. vnd 1338. zu ersehen / daß das Closter Oldenstatt / so nahe bey der Statt liget / damals OldenVlßen / diese Statt aber Lawenwald / oder sonsten NienVllessen sey genennet worden / Worauß zu schliessen / daß der Nahme Vllessen oder Vltzen / ihro von jetzt genantem Closter zugewachsen / welches gemächlich dabey seinen rechten Nahmen verlohren / vnd den Nahmen Oldenstatt wieder angenommen.

Zu welcher Zeit / vnd von weme Sie erbawet sey / findet man zu glaubwürdiger gnüge nicht verzeichnet. Durch der Voreltern Sage wird der Vrsprung denen Engel-Sachsen zugeschrieben / welche auß Engelland sollen dahin gefahren / der Orten gehandelt / vnd am Schnellenmarckt daselbst ihr Ablager vnd Stapel-Gerechtigkeit gehabt / auch ein Messing starck übergüldetes Schiff / zum Gedächtnuß / dahin verehret haben / so noch vor wenig Jahren auff dem grossen Chor / in der Pfarrkirchen daselbst / auffgehencket zu sehen gewesen.

In einem geschriebenen Zeit- vnd Geschichtbuche wird zwar gemeldet / ob solte die Statt von Keyser Otten / dem ersten Hertzogen zu Sachsen / Herrn zu Braunschweig vnd Lüneburg / so im zehenden Seculo nach Christi Geburt gelebet / erbawet seyn: werden aber dessen keine sattsame Zeugnussen angeführet.

Anno 1247. ist Sie von Hertzog Otten dem ersten Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg / sonst das Kind genant / gleich der Statt Lüneburg / mit Stattrecht begabet.

Anno 1270. am Tage Luciae, ist Sie von Hertzog Johanne zu Braunschweig vnd Lüneburg / mit newem Stattrechte / vnd mehrern privilegiis begnadigt. Welch vhraltes privilegium in seiner alten Sächsischen Sprache annoch jährlichs am gewöhnlichen Eydtage der versamleten

[T113]
[T114]

[197] Bürgerschafft / auff dem Rahthause daselbst vorgelesen wird.

Anno 1371. (vmb welche Zeit die Statt Lüneburg von Hertzog Magno mit der silbern Ketten abgetretten / vnd denen beeden Hertzogen zu Sachsen vnd Lüneburg / Wenceslao vnd Alberto gehuldiget) hat die Statt Vltzen sich Ihnen auch ergeben / da dann hochermelte beede Hertzogen / am Sontage Oculi vorbesagten Jahrs / ihro die Freyheit gegeben / sich deß Lüneburger Stattrechtens zu gebrauchen.

Anno 1396. ist Sie von Hertzog Heinrichen / Hertzog Magni Torquati Sohne / als derselbe / nebst vielen grossen Herren vnd Fürsten / auß Schweden von Hertzog Alberts / vnd hochermelter I. Fürstl. Gn. Fräwlein Schwester Beylager / wieder ins Land kommen / eingenommen worden / da dann I. Fürstl. Gn. auß dem Hudes- oder Gudesthore ein Schloß gemacht / hernechst aber der Statt / gegen Erlegung 2500. Marck / am Tage Crispini vnd Crispiani, wieder abgetretten. Selbiger Hertzog Heinrich ist Anno 1416. daselbst gestorben / vnd zu Braunschweig begraben.

Im übrigen hat diese Statt in den letzten Teutschen Kriegen / von Anno 1625. biß 1646. viele Beschwerden / die der Krieg nach sich führet / außstehen müssen / vnd ist von den kriegenden Theilen offtmals berühret / jedennoch durch Göttliche Beschirmung vor gäntzlichem Verderb behütet vnd erhalten worden.

Anno 1646. am 17. Sontage nach der H. Dreyfaltigkeit / war der 20. Monatstag Septembris, Abends nach 6. Vhren / hat diese weyland wolerbawete Statt / mittels eines Einwohners Fahrlässigkeit / in Dörr- vnd Zubereitung deß Flachses / so endlich vnversehens entzündet worden / eine so vhrplötzliche überauß schnelle Fewersbrunst ergriffen / vnd durch Vngestümigkeit deß Windes dergestalt überwältiget / daß in derselbigen Nacht / vnd noch vor angebrochenem Tage / der allergröste vnd beste Theil der Statt erbärmlich eingeäschert.

Es ist gleichwol / nebenst der Kirchen zu S. Marien / vnd dem Rahthause / noch ein theil Wohnhäuser bestehen blieben / vnd hat die Bürgerschafft die abgebranten ebenmässig allgemachsam wieder erbawet / vnd auffgerichtet / zu welchem Behueff auch die damals vnd jetzige hochlöbliche regierende Landesfürstliche Obrigkeit / der abgebranten Bürgerschafft nicht allein auff 4. Jahre den Schatz / die Kriegs Anlagen / Einquartirungen / vnd andere Bürgerliche Vnpflichten gnädig erlassen / sondern auch eine ansehnliche Beysteur mitgetheilet. Wie dann nicht weniger hohe vnd vornehme Personen / auch viel andere fromme mitleidende Hertzen in diesem Fürstenthumb Braunschweig Lüneburg ihre Mildigkeit erwiesen haben.

Seithero ist diese gute Statt (ohn daß noch viele Lücken vnd ledige Brandstätten darein verhanden) nach Nohtturfft wieder auffgebawet / auch die anlässige Hoffnung / daß wegen deß Orts guten Gelegenheit / die übrigen Stellen mit der Zeit vnd Göttlicher Verleihung ersetzet vnd ergäntzet werden möchten.

Die Bürger vnd Einwohner seyn nahrhafft / arbeitsam vnd fleissig / erhalten sich guten theils vom Ackerbaw / welcher daselbst fast getrieben wird / vnd das gewisseste einträgt / theils treiben das Brauwerck / andere führen ihren Kauffhandel mit Korn / weiß Linnewand / dessen daselbst häuffig gewebet / abgebleichet / vnd ausserhalb Landes verkauffet wird / Pechling / Garn / Wolle / Honig / Wachs / Flachs / vnd dergleichen / oder treiben sonst ihre Handwercke vnd Nahrung.

Sonsten ist Vltzen vor seinem Vnfall / Krieg vnd Brandschaden / ein recht fein handthierig- vnd wolvermögliche Statt gewesen. Die gegend da herumb ist sehr lustig / der Bodem geschlacht / vnd fruchtbar / Acker / Garten / Heyde / Weyde / Wiesenwachs / Holtzung / Fische / seynd zu zimlicher gnüge vnd Notturfft / nebst guter gesunder Lufft dabey verhanden.

Es hat drey StattThore / als nemblich (1.) das Gudes oder Hudes- (2.) das Lüneburger- vnd (3.) das Vllrßen Thor / so von denen gerade darauff gerichteten drey weiten Hauptgassen / welche gleich auff dem [198] Marckte creutzweise zusammen schiessen / den Nahmen haben.

Der Fluß / so nahe bey der Stattmauren an einer seiten vorüber laufft / vnd auff der andern seiten die Stattmaure / vnd den zwyfachen Wall gleichsam mit einem doppelten Arm vmbfasset / bekompt daselbst erstlich seinen Nahmen / vnd wird biß hinter Lüneburg (da er die Aue / oder / wie vor Alters / Lünau heisset) die Elmenau oder Eltenau genennet / von 11. Strömen / so oberhalb der Statt zusammen fliessen / daselbst viel schöne Auen vnd Wiesen machen / bey grossem Regenwasser aber leichtlich überlauffen / vnd Schaden thun / entspringet bey Bockeln / im Fürstl. Lüneburgischen Ampt Giffhorn / vnd gibt allerhand gute Fische.

In der Statt hat es zwey Kirchen / vnd zwey andere Geistliche Gebäw / als nemblich die Pfarrkirche zu S. Marien / (2.) die Kirche vnd das Hauß zum grossen Heiligen Geist genant / vor dem Lüneburger Thor belegen / (3.) der kleine Heil. Geist / oder das Hauß S. Anthonii et Elisabethae, worin noch etzliche breßhaffte alte Frawenspersonen ihren Auffenthalt haben.


  1. Vorlage: gennet