Topographia Braunschweig Lüneburg: Harburg Schloß vnd Statt
Zu welcher Zeit dieses Fürstl. Lüneburgische Schloß / oder von wem es angefangen sey zu bawen / davon will sich keine Nachricht finden.
Es ist auff solchem Schlosse ein altes viereckigtes Gebäw / von dicken Mawren / vier Stock in die höhe / mit einem tieffen Keller sehr starck erbawet.
Als im Jahr Christi 1527. Hertzog Otto zu Braunschweig vnd Lüneburg / die Fürstl. Regierung seinem Herrn Brudern / Hertzog Ernsten abgetretten / vnd sich nacher Harburg zur Ruhe begeben / hat Er das Sparrwerck / so auff vorbemeldetem Gebäwe gestanden / wegen deß daran stossenden starcken Windes / herunter heben / vnd es mit einem flachen Kupffertach belegen lassen. Sr. Fürstl. Gn. Sohn aber / Hertzog Otto / der Berühmte genant / hat die übrige Gebäw vnd Fürstliche Gemächer / wie auch eine schöne gewölbete / mit Marmolsteinen vnd Alabaster gezierte Capelle / darinnen etzliche Fürstliche Personen / Lebensgrösse abgebildet stehen / vnd vnter solchen Gebäwen einen grossen Keller / deßgleichen in die Ecken deß Platzes / zur Zierde / zweene Thürne / in welcher einem eine schöne hohe vnd breite Schnecke oder Windelstiege / von gehawenen Steinen / welche auff die newe Zimmer leitet / dann ferner ein langes Thorgewölbe / vnd Gemächer darauff erbawen / Wall vnd Graben ins vierkantige vmbher verfertigen / vnd vmb den Wall eine starcke Maur / von gehauenen harten Feldsteinen / auß dem Graben auffführen vnd setzen / die übrigen Gebäw auff dem Schloß aber / als das Querhauß / vnd den Kornboden / hat S. Fürstl. Gn. Sohn / Hertzog Wilhelm hochsel. Gedächtnuß / der Letzte dieser Harburgischen Linie / erbawen lassen. Außwendig vmb den Schloßgraben soll vor diesem eine Maur von gehauenen Steinen gestanden seyn / massen dasselbe die noch vor kurtzen Jahren gesehene rudera angezeiget haben. Vor etzlichen hundert Jahren / wie die Befestigungskunst noch nicht zu jetziger Vollkommenheit gerahten / ist dieses Schloß / angesehen es im Moraß gelegen / vnd nur ein langer geringer Damm dazu gangen / für eine gute Festung gehalten worden / vnd hat man bey Verbesserung derselben / vnd Verfertigung jetziger angelegten Wercke / 9. vnd 10. Fuß tieff in der Erden vnterschiedliche stücke von Gewehr / Huffeisen vnd andern Sachen funden / Nunmehr hat anfänglich Hertzog Friederich zu Braunschweig Lüneburg / hochsel. Gedächtnuß / vnd nach S. Fürstl. Gn. tödtlichen Hintritt / dero Nachfolger an der Regierung / Herr Christian Ludwig / Hertzog zu Braunschweig vnd Lüneburg / nach jetziger Fortifications-Manier / mit einem Royalwercke / daran fünff Bassirnen oder Bolwercke / dieses Schloß vmbgeben / wie auch ein herrliches portail vnd Gewölbe / sampt einer newen Brücken / daran erbawen lassen / daneben man anjetzo eine grosse vnd kleine Steinschleusse in dem anfliessenden Canal zu erbawen / imgleichen einen bedeckten Weg / mit einem Graben vmb die Festung zu führen / vnd also so wol dieselbe / als die anligende Statt zur Gewerbschafft vnd Schifffahrt bequem zu machen / im Werck begriffen ist.
Die daran gelegene Statt / auch Harburg genant / hat schon / laut habender Privilegien / vor etzlichen hundert Jahren von den Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg die Freyheit vnd Gerechtigkeit eines Weichbildes erlanget / sich aber in langer Zeit wenig gemehret oder zugenommen / biß zu vor hochbemeldetes Hertzog Wilhelmen hochsel. Gedächtnuß Regierung / derselbe hat diese Statt je mehr vnd mehr erweitert / die gantze / so genante Neustatt / auch hernacher im Jahr 1637. vnd folgendes einen Platz / der Scheyesers genant / mit hinein gebracht / eine grosse Gasse angeordnet / vnd bepflastern lassen / welche auch nunmehr an beyden seiten mit Wohnhäusern bebawet / daneben haben S. Fürstl. [103] Gn. hochsel. vmb die Statt zur Geestwerts Retrenchementen / mit einem kleinen Graben auffwerffen vnd verfertigen / auch newe Thore vnd Brücken erbawen lassen. Anno 1650. ist der Ort / wo sonst die Ziegelscheur gestanden / auch zu einer Gasse außgestecket vnd angeordnet / vnd den Bürgern / so wegen deß Vestungsbawes ihre Wohnhäuser wegnehmen müssen / zu wieder Auffrichtung derselben angewiesen: Massen auch daselbst ein newes Kauffhauß / sampt einem Kranen erbawet / vnd zur Anfahrt der Schiffe vnd Ever / ein newes Revier außgegraben wird.
Die Pfarrkirche in dieser Statt ist vorhin nahe an der Vestung gestanden / daselbsten aber weggenommen / vnd auff jetztbenanten newen Platz / viel grösser vnd besser / als sie vorhin gewesen / von newem wieder erbawet / vnd mit einer langen Spitze gezieret: Nebenst derselben ist noch ein Filial in der Statt / welches ein kleines Kirchlein / so Anno 1645. auff der Newstatt erbawet / vnd inwendig schön gezieret.
Es hat diese Statt von vndencklichen Jahren her die Gerechtigkeit der Fahrt über die Elbe / nacher Hamburg / welche Statt etwan eine gute Meil weges über das Wasser davon gelegen / gehabt / derer es sich annoch gebraucht / zu welchem ende allda eine gute Anzahl grosser vnd kleiner Fehrschiffe / Ever genant / verhanden / mit welchen nicht allein das Viehe / sondern auch die von Nürnberg / Franckfurt / Erffurt / Leipzig / Hildesheim / vnd andern Orten daselbst ankommende Wahren / auch Leute / so nach Hamburg zu thun haben / täglich übergebracht werden.
Der Hafen daselbst / die Lotze genant / ist so tieff / das Kuggen vnd Schiffe auß Holland vnd Frießland kommende / hinein fahren vnd anlegen / Steine vnd Kalch / wie auch Victualien vnd andere Wahren dahin bringen / vnd verkauffen können. Wiewol nunmehr zu Anfahrt der Schiffe / ein newer Graben vnd Schleusen / wie vor gedacht / gemachet worden.
Sonsten / ob wol dieses Schloß vnd Statt bey gewehrtem Kriege offtmals nicht in geringer Gefahr gewesen / so ist es dennoch durch Gottes sonderbare Gnade von frembder Besatzung / Außplünderung vnd dergleichen entfreyet geblieben.
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