Topographia Braunschweig Lüneburg: Brunckensen

Topographia Germaniae
Brunckensen (heute: Brunkensen)
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Closter Brunshausen
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 60–62.
Siehe auch:  Lippoldshöhle
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[60]
Brunckensen / sampt der Lippoldshöhl.

Das Gut Brunckensen ist ein Adelicher Ansitz / im Fürstenthumb Braunschweig Wolfenbüttel / welches die von Wrisberg / Anno 1393. von den beyden Gebrüdern / Herrn Heinrichen vnd Gebharden / Edlen Herren von Homburg / welche die Letzten deß Geschlechts gewesen / an sich gebracht.

[61] Es ligt dieses Gut in einer Grund/ ist vmbher / sonderlich nach Norden vnd Westen mit hohen Gebürgen vnd Wäldern vmbgeben.

Oberhalb dem Lippelsholl entspringt auß harten Steinen ein gut Forellenbach / die Glehne genant / treibet etzliche Mühlen / laufft durch das Dorff Brunckensen nacher Brunichausen / vnd bey Dehnsen in die Leine.

Dieser der von Wrisberg Adelicher Sitz vnd Kirche / seyn mit einem Wassergraben vmbgeben / worüber zwo Brücken gehen / vnd haben die von Wrisberg an die von ihren Vorfahren erbawete Kirche / Anno 1607. einen von grund auff gemaurten Thurn / mit Schieffersteinen gedeckte Spitzen / auch hernacher ein Pfarrhauß / piâ devotione auß ihren Mitteln new erbawen lassen.

In denen zu bemeltem Gut Brunckensen gehörigen Holzungen / befinden sich viele hohe sehr harte Steinfelsen / vnter denen eine / die Lippelshöhle genant / welche vor vielen hundert Jahren von einem Rauber vnd Mörder / mit Nahmen Lippold / wunderlich / vnd mit großer Arbeit ausgehawen / vnd zu einem vesten wunderbaren Raubnest gemacht worden: vnd hat sich dieser Ertzrauber / sampt seinen Dienern vnd Pferden / darin auffgehalten / weit vnd breit herumb gestreifft / was sie geraubet / sampt den Gefangenen / durch die vmbgebene Wildnussen / Gebürge vnd Holtzungen / zu dieser Höhle geführet / vnd soll also / durch angelegte Tortur / vnd begangene Mordthaten / viel Geld erzwungen / mit gefangenen Weibsbildern Kinder erzeuget / die Kinder aber vmbgebracht haben.

Diese Lippelshöhle ist ein überauß harter Steinfelß / ligt nach Mittags werts in einem beschlossenen Berge / oben mit grossen Büchen Bäumen bewurtzelt / vorne reicht diese Steinklippe herfür gegen Norden / vnd ist selbige Seite 80. Fuß breit / vnd 50. Fuß hoch / darin außgehawen befindlich die Küche / Gefängnuß / vnd ein langer niedriger Gang / welcher gehet biß an die Ecke deß von orient herfür gehenden Steinfelsen / worin der Rauber Lippold seine Stube vnd Cammer gehabt / die Küche hebet sich an von der rechten Hand deß Steinfelsen / ist an die runde 12. Fuß lang vnd breit / vnd neunthalb Fuß hoch / darin ein tieffer Brunn gewesen / welcher aber nach der Zeit zugeworffen worden / Auß der Küchen kompt man zur lincken Hand / durch einen niedrigen Gang / zu einem Loch/ da steiget man mit einer Leiter hinauff / zu einem außgehawenen Gewölbe/ welches 6. Fuß in die länge vnd breite / auch zehenthalb Fuß in die höhe hat / woselbsten der Räuber seine Gefangene angeschlossen gehabt / Ausserhalb deß bemelten Gewölbes hat gehangen eine eiserne Thür 6. Fuß hoch / vnd vierthalb Fuß breit / davon anjetzo noch ein eiserne Thürhacke verhanden.

In vorbemeltem Loch / vnter dem Gefängnuß / kriechet man in diesem Felsen / durch einen niedrigen finstern Gang / an die 70. Fuß lang / zu den beyden Gewölben / welche in die beyden Ecke oder Flanquen deß Steinfelsen / so gegen occident stehen / gehawen / woselbsten in der fordersten Klippen / welche außwerts 20. Fuß breit / der Lippold seine Stube / vnd in der andern / so hinter dieser hervor gehet / die Schlaffkammer gehabt / die Stube ist inwendig 16. Fuß lang / 14. breit / vnd 8. Fuß hoch / hat vorne gegen Westen eine Thür / vnd 2. Fenster / oder Schießlöcher / wovon die rudera noch zu sehen / daß dieselbe mit eysern Gittern / in Bley gegossen / auch mit Riegeln wol versehen gewesen / auß selbiger Stube kriechet man durch einen niedrigen Gang / von 14. Fussen / in die ander Ecke deß Steinfelsen / zu der Schlaffkammer / welche 8. Fuß lang / 6. Fuß breit / vnd 7. Fuß hoch ist / darin ist auch gegen Abend ein länglich Schießloch / auß welchen drey Löchern vnd Seiten deß Steinfelsen / bemelter Rauber seine gantze Höhle beschiessen / vnd in acht nehmen können. Ausserhalb bemelter Höhle vnd Steinfelsen/ hat der Lippold eine Mauer auffgeführet / vnd inwendig mit Balcken belegt gehabt / das die annoch im Felsen verhandene Löcher [62] außweisen / wie über dem annoch verhandenem gemauertem / aber mit Erden überschüttetem Keller / ein Pferdestall / vnd darüber noch drey Boden oder Wandelung / jede achthalb Fuß hoch gewesen / also / daß der Lippold auß seiner Stuben vnd Küchen vnten zum Keller vnd Pferdestall / wie auch oben zu den Gefangenen / vnd andern Böden kommen können.

Das vorder von Steinen vnd Kalck auffgemauert gewesene Gebäw / soll vor Jahren seyn weggerissen / auch die eyserne Hacken vnd Riegel / sampt dem Bley / herauß gebrochen / vnd weggenommen / daß also jetzo nicht mehr / als bemelte in den sehr harten Steinfelsen gehawene Gewölbe vnd Gänge noch zu sehen seyn.