Titel- und Ordenhandel
[699] Titel- und Ordenhandel. Die erträglichsten Geschäfte, seit Adam’s und Eva’s Zeiten, werden mit der Eitelkeit der Menschen gemacht, und keine Eitelkeit ist so schlimm, ja gefährlich, als die der Männer. Das weibliche Geschlecht, auf welchem der Vorwurf der Eitelkeit vorzugsweise lastet, tummelt sie auf dem Gebiet der Mode aus und schädigt damit nur den häuslichen Geldbeutel und oft noch mehr den guten Geschmack. Die weibliche Eitelkeit haftet am Aeußern, will wenigstens im Dienst der Schönheit stehen und frißt selten in die Tiefe bis zum Kern des Charakters hinein; auch hängt sie so innig mit den Blüthenjahren des Weibes zusammen, daß sie in der Regel mit diesen leise vergeht. Die männliche Eitelkeit dagegen sitzt gleich von Haus aus tiefer und wirkt um so gefährlicher, je ernster der Beruf des von ihr angegangenen [700] Menschen ist. Wir meinen damit natürlich nicht die Aeußerungen jugendlicher Putzsucht, die dem andern Geschlecht gefallen will, denn das ist eben auch nur weibliche Eitelkeit, die mit der Zeit verschwindet; wir meinen vor Allem die aus dem faulen Boden eines ungesunden Ehrgeizes herauswachsende Sucht nach Titeln und Orden. –
Wer zählt die Charaktere, welche diese ebenso häßliche als lächerliche Krankheit gerade dem deutschen Volke schon gekostet hat! Wer wägt die Summe von Manneswürde ab, die unter diesem Leiden schon zu Grunde gegangen ist! Und dagegen hilft keine Höhe der Wissenschaft und Bildung; im Gegentheil! Hier feiert das „Je gelehrter, desto verkehrter!“ seine stärksten Triumphe. Ja, nicht einmal die große nationale Erhebung der jüngsten Zeit hat dieser Seuche Einhalt gethan; – abermals im Gegentheil! Es ist eine neue staatsbürgerliche Tugend hoffähig geworden: der einst vom hochseligen deutschen Bund mit Zuchthaus bestrafte deutsche Patriotismus wird jetzt mit Titeln und Orden belohnt! Demgemäß hat sich auch, wie dem Volke gegenüber ein Reclame-Patriotismus, den fürstlichen Kreisen gegenüber ein Hof-Patriotismus ausgebildet, dessen gute Geschäfte im Staatskalender prangen und in den Knopflöchern glänzen.
Unter den Titeln macht neuerdings, neben dem stets begehrten „Hofrath“, das meiste Glück der „Doctor“. Da nun höchsteigenthümlicherweise gerade der philosophische Doctortitel so praktisch verwendbar ist, während das Studium der Philosophie für das unpraktischste der Welt gilt, so ist ein Jedem bequemer Weg zur Erlangung dieses Titels ein längst gefühltes Bedürfniß gewesen.
Diesem endlich abzuhelfen, ist ein Herr „Dr. med. Helmsen, Arzt und Docent. med.“ in Berlin, „Hegelplatz 1, I.“, öffentlich erbötig, und durch briefliche Mittheilungen derartiger Doctoranden haben wir auch das Nähere kennen gelernt. Einem derselben schreibt Herr Dr. Helmsen: – - „Sie können durch meine Vermittelung das Doctordiplom in absentia, und zwar von einer Universität ersten Ranges erwerben. Erste Bedingung: Einsendung eines kurzen Lebenslaufs (curriculum vitae) und sechs Thaler Consultationshonorar, wofür ich jedem Bewerber nähere Mittheilungen machen und die Promotion übernehmen werde.“
Aus dem Briefe an einen Anderen erfahren wir Folgendes: „Die Promotion geschieht bei der Universität Philadelphia, der berühmtesten Nordamerikas, und beträgt als Gesammthonorar hundertsechszig Thaler. Der Betrag ist pränumerando einzusenden und garantire ich, daß Sie sechs Wochen nach Empfang Ihrer Rimesse das Diplom in lateinischer Sprache von dem Decan, Secretarius und sechs Mitgliedern der Facultät unterschrieben bekommen.“
So ist denn auch für diejenigen armen Leute, welche viel Geld und wenig gelernt haben, der Weg zu dem ebenso langen als schönen Titel „Doctor der Philosophie und Magister der freien Künste“ aufgeschlossen. Ob zum Schaden der Wissenschaft? Schwerlich! Zweifeln doch sehr verdiente Gelehrte alles Ernstes daran, daß heutzutage durch die Doctorpromotionen die Wissenschaften gefördert würden.
Weit zurück an Großartigkeit und Erträglichkeit steht diese Speculation hinter dem Ordenshandelsgeschäft eines Mannes, der uns gestatten möge, daß wir. lieber gleich seine Karte hier abdrucken lassen. Sie lautet:
Unser Gewährsmann, ein „großer Industrieller“, welcher sich, der Ankündigung folgend, an den Herrn Director wandte, erhielt in dieser wichtigen Sache so gründliche Auskunft, daß wir es für unsere Pflicht halten, dem bezüglichen Publicum zum Nutzen alles Wesentliche derselben hier buchstäblich mitzutheilen.
Die erste Antwort auf den Antrag ist folgende Verwahrung:
„Es ist selbstverständlich, daß betreffende Offerte, Tittel und Orden betreffend, auch Consulat, nicht für all’ und Jeden ist, sondern für eine oder einige auserlesene Persönlichkeit an einem Platz. – Muß daher anheim geben, mir zu sagen, wünschen Sie für Sich, und wie ist Stellung, Familien- und Vermögensverhältnisse etc. etc.? – – Nachschrift. Ueber meine Solidität kann hierorts unschwer Auskunft erlangt werden, unter andern bei dem Königl. Sächs. Notar und Rechtsanwalt Dr. Stein II., Seestr. 9.“
Der zweite Brief lautet wie folgt:
„Hochgeehrter Herr! Auf Ihre werthe Zuschrift erwidere ich Ihnen im Auftrage meines Geschäftsfreundes und Gönners des Herrn Grafen v. W., erbliches Mitglied des österreichischen Herrenhauses und Verwandter Sr. Majestät des Königs von Spanien, daß die betreffenden Orden und Tittel von den Staaten Spanien, Portugal, Tunis und Republik Honturas zu den unten beigesetzten Preisen für Taxen, Kosten und Honorare zu erlangen sind, und zwar:
1) | Ritterkreuz 2500 Thaler, Commandeur 5000 Thaler, Großkreuz mit dem Prädicat Excellenz 12,000 Thaler. |
2) | Baron, Graf, Marquis, Grand von Spanien 7000 Thaler bis 20,000 Thaler. |
3) | Consulat, wo von den genannten vier Staaten noch nicht bestehend, 5000 Thaler. |
Ich bin zu Beantwortung weiterer Fragen erbötig und bemerke, daß hierorts unschwer Auskunft über mich zu erlangen ist, unter anderen auch bei dem Königl. Sächs. Notar und Rechtsanwalt Herrn Dr. Stein II., Seestr. 9, hier. Der ich die Ehre habe etc.“
Der dritte Brief verräth von selbst, daß unser Gewährsmann aus der verlockenden Liste sich den Isabellen-Orden auserkoren; er belehrt uns folgendermaßen:
„Aus Ihrer werthen Zuschrift vom 23. dieses Monats ersah ich die feste Absicht, das Commandeur-Kreuz des königlich spanischen Isabellen- oder Karl des Dritten-Ordens zu erwerben und ersuche Sie, laut Ihrem Wunsch, mir genau Ihre Vornamen Stand, Würden und Titel, welche Sie beziehentlich dort führen, mir anzugeben und mir eine kurze Angabe über Ihren Lebenslauf und Geschäfts- (auch Commun etc.) Thätigkeit zu machen. Hiernach wird das Gesuch für Sie in spanischer Sprache von uns abgefaßt und unterzeichnet und von dem Herrn Grafen an spanischer betreffender Stelle eingereicht und empfohlen. Nach zwei Monaten circa dürfte dann das Dekorations-Diplom in Ihren Händen sein.
Da Herr Graf sofort bei Einreichung des Ansuchens die Taxen etc. baar belegen resp. dafür caviren muß, so müßten Sie die Güte haben, die Gesammtkosten von fünftausend Thaler hier in Dresden bei den königlich sächsischen Herrn Notar und Rechtsanwalt Dr. Stein II., Seestraße 9, zu deponiren, mit der Bestimmung: daß diese Summe, nachdem Ihnen durch den Herrn Notar Dr. Stein II. das Diplom über die Verleihung des betreffenden königlich spanischen Commandeur-Kreuzes von dem Königlich Spanischen Hausministerium resp. Marschalls- und Ordensamte zugefertigt worden, diese Summe, (welche in Werthpappieren bestehen kann, deren Zinsen Ihnen bis zum Empfang des Diploms eigenthümlich verbleiben) uns ausgehändigt werde. –
Zu Ihrer Sicherheit steht es Ihnen auch frei, s. Z. durch einen Advokaten in Madrid bei dem Königlich Spanischen Hausministerium respective Marschalls- und Ordensamte anfragen zu lassen, unter welchem Datum Ihnen das Commandeur-Kreuz etc. von den Allerhöchsten Behörden verliehen worden sei. Nur muß, um den Herrn Grafen durch eine solche Anfrage nicht zu compromittiren, dieselbe genau in dem Sinne gehalten sein, wie ich in den blau unterstrichenen Worten angedeutet habe. – Ich sagte oben nach zwei Monaten, und habe auch die Erfahrung dafür, bemerke aber ausdrücklich, daß auch drei Monate bis zu dem Zeitpunkte verlaufen können, wo Sie die Ernennung (Diplom) in den Händen haben. – Ihren gefälligen Dispositionen entgegen sehend, etc.“
Da der Betreffende hiernach sich nicht weiter vernehmen ließ, so erhielt er folgenden gelinden Tritt:
„Ich bestätige den Inhalt meiner Zuschrift vom 29. pass. und bitte um freundliche Rückäußerung. Hochachtungsvoll und ergebenst
Der weitere Verlauf des Geschäfts ist uns ebenso unbekannt als einerlei; wir hatten ja hinsichtlich dieses Geschäfts nur zu zeigen, wie es gemacht wird. Wir wünschen ihm so viel Segen, als es verdient – ja, wir stehen nicht an, ein solches Verdienst sehr hoch anzuschlagen, wenn es diesem Ordensschwindel gelänge, das „starke“ Geschlecht dieser Tage von der Ordenssucht zu curiren.