Textdaten
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Autor: C. St.
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Titel: Thymol
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aus: Die Gartenlaube, Heft 31, S. 528
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[528] Thymol. Auf den Thymian bringt mich eine Entdeckung der neueren Chemie. Ich möchte nur wissen, wie unsere Ur-Hausmütter herausgebracht haben, daß dieses würzige Pflänzchen ihnen so kräftig beistehen könnte, schädliche Gerüche zu vertreiben und alles, was man zu des Lebens Nothdurft und Nahrung gebraucht, vor schnellem Verderben zu schützen. Die Wissenschaft unserer Zeit hat den Scharfblick jener alten Hausmütter, die den Thymian zuerst in ihren Hausgarten aufnahmen und als vorzüglichstes Wurst- und Speisegewürz gepflegt haben, glänzend gerechtfertigt. Unsere Chemiker und Physiologen sind seit Jahren emsig bemüht, Stoffe auszumitteln, welche, wie Plutarch sich einmal ausdrückt, gleichsam die davongegangene Seele der organischen Körper ersetzen und sie, obgleich leblos, vor Verwesung schützen können. Wir wissen, daß diese Schutzstoffe, das „göttliche“ Salz Homer’s allzeit voran, vielmehr den Zweck haben, jenen mikroskopischen Thier- und Pflanzenwesen, welche Gährung und Fäulniß im todten und Krankheiten im lebenden Körper erregen, das Dasein zu verleiden, ja diese geschäftigen Diener des Zerstörer Schiwa geradezu zu vergiften. Die starken Mineralgifte sind nicht zu verwenden, wo es sich um Erhaltung von Nahrungsmitteln handelt; man würde mit ihnen wie jener Wächter der Fabel fahren, der die Fliege auf der Stirn des Schlafenden mit einem großen Steinschlage tödtete, und man hat deshalb vorzüglich nach weniger scharfen organischen Giften gesucht, die den kleinen Wesen, aber nicht dem Menschen tödtlich sind. Nachdem die Carbolsäure unsere Kriegslazarethe vor dem gefürchteten Hospitalbrande bewahrt und in der Wundenheilung wie für die Desinfection der Aborte ihre hohe Wirksamkeit bewiesen, erntete die Entdeckung des Professor Kolbe in Leipzig, daß die aus der Carbolsäure leicht darstellbare Salicylsäure dieselben guten Eigenschaften äußere, ohne so übelriechend und scharfgiftig zu sein, wie erstere, einen wohlverdienten Beifall. Nach neueren Untersuchungen, die L. Lewin im vergangenen Jahre angestellt und in Virchow’s „Archiv für pathologische Anatomie“ veröffentlicht hat, ist aber ein im Arom des Thymians enthaltener Stoff, das Thymol oder der Thymian-Kampher noch viel wirksamer als die genannten, sofern ein Theil Thymol eine größere gährungshemmende Wirkung ausübte, als vier Theile Carbol- oder Salicylsäure. Diese gährungs- und fäulnißwidrige Kraft des Thymols ist bereits im Jahre 1868 von dem Chemiker Paquet bemerkt worden, ohne daß vergleichende Untersuchungen damals angestellt wurden. Das Thymol hat den Vorzug, wohlriechend zu sein, während die Salicylsäure geruchlos, die Carbolsäure übelriechend ist. Allerdings scheint sie etwas stärker auf den Organismus einzuwirken, als die zweitgenannte, denn man kann durch starke Gaben auch größere Thiere tödten und bemerkt dann, wie der amerikanische Naturforscher Valverde zuerst beobachtete, daß ihre Cadaver selbst in der Tropensonne nur sehr langsam verwesen, aber in kleinen Mengen ist das Thymol vollkommen unschädlich. Sein gewürzhafter Geschmack wird es vorzugsweise zur Erhaltung der Fleischwaaren empfehlen, während die geschmacklose Salicylsäure für die Haltbarmachung der Getränke und des Eingemachten eine bedeutende Wichtigkeit erlangen dürfte. Die Heilmittellehre knüpft außerdem an beide vielfache, zum Theil bereits völlig bewährte Hoffnungen.
C. St.