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Titel: Theodor Döring
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 600
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[600] Theodor Döring. Berliner Blätter bringen die Trauerkunde, daß der Altmeister deutscher Schauspielkunst, Theodor Döring, am 17. August in Berlin gestorben ist. Wir haben bereits in zwei illustrirten Artikeln unseres Blattes (Nr. 29, 1863 und Nr. 34, 1874) theils dem genialen Künstler eine eingehende Biographie gewidmet, theils einige Anekdoten mitgetheilt aus dem reichen Schatz, der sich an seine theatralische Laufbahn knüpft, so bleibt uns jetzt nur übrig, der tiefen Trauer Ausdruck zu geben, die uns und das ganze deutsche Volk bei diesem schmerzlichen Verluste durchdringt. Mit seltener Rüstigkeit und ungeschwächtem Humor hatte der Fünfundsiebenzigjährige noch in der letzten Saison seine schöpferische Kraft der Berliner Hofbühne gewidmet. Drei Jahre erst sind verflossen, seitdem das fünfzigjährige Künstlerjubiläum des Verstorbenen in Deutschland, besonders in Berlin und Leipzig festlich begangen wurde (am 25. Januar 1875). Da mußte er in diesem Sommer Heilung eines Magenleidens in Hamburg suchen; aber er kehrte kränker zurück und starb bald darauf in Berlin.

Was das ursprüngliche Talent theatralischer Darstellung betrifft, braucht Döring keinen Vergleich mit den gepriesensten Künstlern zu scheuen. Die Kunst der Nachahmung war ihm angeboren; selbst ohne die Mittel der Schminke und der scenischen Illusionen vermochte er Persönlichkeiten in dem Ausdruck ihres Mienenspieles wie ihres ganzen Wesens mit fast photographischer Treue wiederzugeben; er war ein Meister darin, die Organe und Sprachweisen der Menschen nachzuahmen. In dieser Selbstentäußerung und Verwandlungsfähigkeit liegt aber das Hauptgeheimniß der dramatischen Kunst. Mit einem genialen, oft kaustischen Humor ausgestattet, war Döring wie wenige berufen, die Humoristen des großen britischen Dichters auf der deutschen Bühne einzubürgern; sein unübertrefflicher Falstaff und sein meisterhafter Malvolio bezeichnen die Höhepunkte dessen, was er auf diesem Gebiete geleistet hat. Er zeichnete ferne Gestalten mit solcher Schärfe, daß sie für die Bühne typisch wurden: sein Elias Krumm, sein Commissionsrath Frisch, sein Banquier Müller waren solche unvergeßliche Gebilde des ergötzlichsten Humors, denen gegenüber den andern Künstlern nichts übrig blieb, als die Nachahmung und die Copie; doch auch sein Franz Moor, sein Nathan, sein Shylock und Mephisto waren interessante Charaktere, mit der markigen Energie eines hervorragenden Genius gezeichnet; man mochte hier und dort mit der Auffassung des Künstlers rechten, aber man mußte zugeben, daß seine Schöpfungen aus Einem Guß und jederzeit von tonangebender Bedeutung für die Bühne waren.

Immer mehr lichtet sich die alte Garde des Berliner Hofschauspiels; mit Döring hat dasselbe seine letzte Berühmtheit verloren. Er gehörte noch jener alten Schule an, welche durch geniale Instincte und Eingebungen zu wirken verstand und auch außer der Bühne sich populär zu machen wußte, ihre Kunst nicht wie einen Stern vornehm unter dem Ueberrock verbarg, sondern in allen heiteren Kreisen ihre mimischen und pantomimischen Feuerwerke zum Besten gab. Alles Langweilige, theaterakademisch Zurechtgeschneiderte war diesem noch in hohen Jahren frischen und ursprünglichen Kunstgenie zuwider. Das Berliner Publicum vor Allem wird die Erinnerung an seine hervorragenden Leistungen sowohl, wie an seine joviale, oft sarkastische, stets gutmüthige Persönlichkeit treu bewahren, die deutsche Kunstgeschichte aber ihm einen bleibenden Platz in dem Pantheon gönnen, in welchem die Unsterblichen aus dem Gefolge der Thalia und Melpomene eine Stätte finden.

Indem wir dem ausgezeichneten Künstler und Menschen an seiner Gruft ein wehmütiges Lebewohl nachrufen, verbuchen wir damit den Wunsch, daß das Genie deutscher dramatischer Schauspielkunst nicht mit den Meistern aussterben, sondern sich stets erneuern möge in jüngeren Kräften zur Freude des kommenden Geschlechtes.