Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die Wasserminnen

Das Gottesfeld Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Gespenstige Jäger und Sockreiter
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173.
Die Wasserminnen.

Die Stadt Schleusingen hat von uralten Zeiten her zum Wahrzeichen eine Wasserminne, ein Wesen, welches man im heidnischen klassischen Alterthume eine Sirene nannte; dieses Zeichen kann man auf dem Schilde des dortigen Rathhauses im frischen Farbenschmucke der Erneuung täglich prangen sehen. Ein reicher Graf soll, als er in dieser Gegend jagte, ein weißes Reh aufgejagt und unablässig verfolgt haben, das in eine Grotte sich flüchtete, und wie er auch hier nachfolgen wollte, wäre ihm über drei Quellen eine herrliche Wasserfeine erschienen, die ihm vertraut habe, jenes Reh sei ihre verzauberte Tochter, [37] die er erlösen könne. Dieses Erlösungswerk habe der Graf auch glücklich vollbracht, das Reh sei das schönste Fräulein geworden, welches er gefreit, und den Namen von der Brunnstätt angenommen habe. Er sei der Gründer der Stadt Schleusingen geworden, habe auch zuerst das Schloß daselbst zu bauen begonnen, und zwar über dem Quellbrunn, darin die Wasserminne noch immer wohnen soll. Man hat später diese Sage mit allerlei neuromantischem Beiwerk verbrämt und sie verwässert. Jedenfalls blieb aus sehr alter Zeit die Ueberlieferung von einer Brunnenstätte, und einer deren Grotte vielleicht bewohnen den Alrune oder Idise haften, an welche die Sage von der Todtenlache anklingt. So heißt nämlich ein ziemlich umfangreiches Wasserbecken ohne sichtbaren Zufluß im Schleusethale, das mit mehreren nachbarlichen Brunnen und Bergquellen in unterirdischer Verbindung stehen soll, und von welchem die bekannte Nixensage in bester Form im Munde des Volkes lebt. Ein Nixlein kam aus jener Lache auf die nahe Hudel- oder Ruderburg, einem Wirthshause, zum Tanze, trieb Kurzweile mit einem hübschen Burschen, tanzte fleißig mit ihm, verliebte sich in ihn, und machte ihn in sich, in das Nixlein, verliebt. Darüber kam die Verspätung und in deren Gefolge das Abschiedherzeleid, und die Furcht vor dem zürnenden Wassergeiste im tiefen Schooße der Todtenlache. Wenn deren Wasser am nächsten Morgen hell und grün sei, so sei es gut; wäre es aber roth, so habe das Nixchen seine irdische Liebe mit dem Tode gebüßt. Am andern Morgen ging der Friedel nach dem kleinen See – der war blutroth, und da zog ihn die mächtige Liebe ihr nach und hinein zum tiefen Grunde. In einer alten Schrift wird von diesem Wasser berichtet: [38] „Alte Leute haben erzählt, daß kurz vor dem dreißigjährigen Kriege und besonders vor dem Croatischen Einfall in Schleusingen Wassermenschen aus der Lache hervorgegangen und unterschiedlich gesehen worden sind.“