Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Die Prinzessin im Wittgenstein
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Die Prinzessin im Wittgenstein.
Im Thale des Ruhlawassers, das dort auch der Erbstrom heißt, ohnweit dem Dorfe Farrnrode, hängt eine Felswand, die heißt der Wittgenstein, ein Name, der auch nach mythischer Frühe deutet; auf diesem Felsen stand einst ein Schloß, und in dem Schlosse wohnte eine Prinzessin, die ist nun in den Felsen gebannt, warum? weiß niemand so recht eigentlich zu sagen. Sie habe einen Ritter gegen den Willen ihres Vaters geliebt, der habe sie entführt, aber der Vater habe ihn eingeholt und erschlagen. Darob sei die Prinzessin alsbald vor Herzeleid Todes verblichen und dann haben beide sehr gespukt, bis der Ritter von Pöpelsträgern in den Ritterberg gebannt worden sei, und die Prinzessin in den Wittgenstein. Nun möchten beide immer gern zu einander, und können nie zusammenkommen. Die Prinzessin darf nur alle 7 Jahre einmal aus dem Felsen – sie hat schon oft Musikanten mit grünen Zweigen, oder andere Wanderer mit allerlei scheinbar werthlosen Dingen, als Knochen, Knotten, Waizenkörnern u. dgl. begabt, von denen den Thörigten, die alles wegwarfen, insgemein noch ein kleiner Rest in Schuhen, Kleidern oder Körben hängen blieb, daraus dann pures Gold wurde. Ein Farnroder Hirte sah bei seiner Heerde häufig eine fremde Kuh, die sehr schön war, die er nicht kannte und die niemandem in der Gemeinde gehörte, und Abends nie unter der Heerde war. Das fiel dem Hirten auf und einmal ging er jener Kuh nach, wie sie unter Erlen und Weiden am Bache sich verlor, und auf einmal trat sie in eine Kluftspalte des Wittgensteins. Jener ging [229] der Kuh nach, da trat ihm plötzlich die Prinzessin im Fels entgegen und fragte: Was willst Du? – Nur das Huthgeld für Eure Kuh, die täglich zu mir auf die Weide kommt! antwortete keck der Hirte. Da gab ihm die Prinzessin ein altes Silberstück, und sagte: Hier hast Du Deinen Lohn! Hättest Du nichts begehrt, würde Dir mehr gewährt. – Die Kuh kam niemals wieder zu jenes Hirten Weidetrift. Von der Erscheinung der Prinzessin aus dem Wittgenstein laufen viele Sagen um, wie sie Choradjuvanten, welche ihr im Vorbeigehen auf dem Wege von Farrnrode nach der Seelbach das Neujahr ansangen, mitten im Schnee Knochen finden ließ, von welchen einige mitgenommene sich in Glück bringende Goldstangen verwandelten, oder Musikanten, die ihr eine Nachtmusik brachten, durch einen Zwerg mit grünen Eichenbüschen belohnen ließ, ganz der Zug einer auch sonst oft wiederholenden Kiffhäusersage.