Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Der heilige Bonifacius in Ohrdruf

Asolverod Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
(Zweiter Band) Die Jungfrau des Heidentempels
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[286]
150.
Der heilige Bonifacius in Ohrdruf.

Da Winfried-Bonifacius auf seinen Bekehrungszügen mehr denn einmal in Thüringen verweilte, so kam er nach Gründung der Bergkapellen auf dem Altenstein und auf dem Altenberge von letzterem aus in das nahe Thal der Ohre, von wo er nicht weit hatte zur Hofburg der Landesherren, der Grafen von Kevernburg, die er zum Christenthum bekehrte, und die ihm in ihrem Waldgebiete Land schenkten. Die Legende dieses Heiligen erzählt mehr als ein Wunder, das er in diesen Gegenden gethan; wie ihm und seinem Diener Speise gebrochen, und letzterer darob kleinmüthig geworden sei, aber alsbald ein Fischaar einen großen Fisch gebracht und auf den Tisch nieder fallen lassen, auch wie am Ohra-Ufer den Gottesmann himmlicher Glanz umleuchtet, und [287] in diesem Glanze der Erzengel Michael ihm erschienen sei und ihn ermuthigt habe zum großen und schweren Werke der Heidenbekehrung. Bald darauf erbaute Bonifacius zu Ohrdruf eine Kirche und ein Kloster und weihte beide dem Erzengel Michael.

Der Name der Stadt Ohrdruf ist verschiedentlich abgeleitet worden, und mehr als eine dieser Ableitungen verräth wenig Geist. Es habe an Wasser gefehlt, und ein Mönch aus dem Michaeliskloster sei deshalb ins Waldgebirge gegangen, und habe sein Ohr auf einen Platz im Walde gelegt, worauf er das Wasser habe in der Tiefe rauschen hören, und es ergraben; so sei die Ohre entsprungen und habe ihren Namen erhalten. Ohre und Dorf bildeten einfach den Namen der heutigen Stadt Ohrdruf.