Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Der fromme Bäcker

Landgrafenbegräbnis zu Reinhardsbrunn Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Der steinerne Kopf
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146.
Der fromme Bäcker.

Im Kloster zu Reinhardsbrunn lebte, als es noch im hohen Flor war, ein frommer Bäcker, des Namens Wolfhart, der ganz das Gegentheil seines Namens war, weder ein hachiger Wolf, wie so viele seines Zeichens, noch hart gegen die Armen. Da fiel eine Zeit schwerer Theuerung und Hungersnoth ein, und die Bettler drängten sich in ungewöhnlichen Schaaren, Almosen des Klosters zu heischen. Nun hatte der Abt des Klosters seit lange dem Bäcker, dessen Redlichkeit, Frommsinn und Menschenliebe ihm bekannt war, die Austheilung der für die Armen bestimmten Brodspende übertragen; da er nun sah, daß der Bäcker [281] weit mehr Brod austheilte, als sonst, und keinen Armen ohne Spende aus der Klosterpforte gehen ließ, so fürchtete der Abt, es möge bei dem eingetretenen Kornmangel zuletzt dem Convente selbst an Nahrung gebrechen, und sprach darüber mit dem Bäcker, der aber erwiederte getrost: Wir haben des Korns vollauf, und dürfen nicht sorgen. Gleichwol gebot der Abt dem Bäcker die äußerste Sparsamkeit, und verordnete, nur an bestimmten Tagen die Armen zu speisen – aber gleich am andern Tage, welcher keiner der bestimmten Tage war, sah der Abt den Backmeister mit bauschenden Geren (Rockschoß) voll Brod über den Hof kommen und nach der Pforte zu schreiten, wo die Armen harrten. Rasch trat der Abt ihn an, wie Landgraf Ludwig vordessen die heilige Elisabeth am Wartburggange, mit der Frage: Was trägst Du? – Spähne! Herr Abt Gnaden! antwortete der Bäcker. Da riß der Abt ihm den Rockschoß auf, und da fielen eitel Hobelspähne heraus. Der besorgte Abt aber begab sich nun in eigener Person auf den Fruchtboden, und erschrak nicht wenig, als er denselben fast leer fand, und so wenig Vorrath, daß damit der Convent unmöglich ausreichen konnte, und wenn auch gar kein Brod an die Armen gegeben wurde. Sehr erzürnt ließ der Abt den Bäcker nun zu sich entbieten und schalt ihn übel, und sagte ihm, der Fruchtboden sei ja fast leer, und wohin er denke? Woher er Brodfrucht nehmen wolle? – Der fromme Bäcker hörte des Abtes Strafpredigt ganz geduldig an und sprach dann: Herr Abt Gnaden, ich kann’s nicht glauben! – So sollst Du es schauen, folge mir! – gebot der Abt, und der Bruder Kornrentner mußte abermals mit hinauf und den Fruchtboden öffnen. Und da stand Korns die Fülle, Sack an Sack, genug auf Jahr [282] und Tag und schier fürs halbe Land. Da trauete der Abt kaum seinen Augen, erhob seine Hände betend und lobpreisend, und sprach zu dem Backmeister: Bruder, Du solltest des Klosters Abt sein, denn Dein Glaube ist mächtiger, wie der meine. Walte im Segen Deines Doppelamtes! –