Textdaten
<<< >>>
Autor: Albert Traeger
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Stumme Liebe
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 850
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[845]

Im Friedhofe des Diaconissen-Stiftes.
Originalzeichnung von R. Püttner.

[850]
Stumme Liebe.
(Mit Abbildung S. 845.)[1]

Ein Freudenstrahl im Blick des jungen Kranken,
Aus Fieberträumen ist er aufgewacht,
Da mahnen ihn die ersten Blüthenranken
An des verjüngten Lebens volle Pracht;
Die Botin all der holden Frühlingsgrüße
Erfaßt die Hand, die stumm zu danken strebt,
Ihr Auge schimmert feucht, doch eine süße,
Verstohl’ne Hoffnung ihren Busen hebt.

Ein theures Opfer eines blut’gen Sieges,
Seit langen Monden liegt er hingestreckt,
Und einen Schmerz nur fühlt der Held des Krieges,
Daß seinem Schwert so kurz das Ziel gesteckt;
Seit langen Monden ist mit frommem Triebe
Die graue Schwester still um ihn bemüht,
Das Heldenthum der Sorge und der Liebe
In diesen sanften Mädchenaugen glüht.

Der strengen Pflicht hat sie sich früh ergeben,
Doch mehr als Pflicht ist, was sie hier vollbringt;
Auf diesem Lager stirbt ihr eignes Leben,
Um das verzweifelnd mit dem Tod sie ringt!
Noch drang kein Laut aus dem verschloss’nen Munde,
Kein Auge sagt ihr, was sein Herz empfand;
Und kühlt sie lindernd ihm die offne Wunde,
Durchflammt sein heißer Kuß die bleiche Hand. –

In Schweigen steht das alte Stift versunken,
Um seine Gäste trauert noch das Haus;
Die Letzten zogen lang’ schon freudetrunken
Genesen weit in alle Welt hinaus.
Nur Einer blieb – auf einem frischen Hügel
Liegt bei der Tanne heut’ ein frischer Kranz,
Schon regen sich der Weihnacht Engelsflügel,
Und milden Segen strahlt der Sterne Glanz.

Sie hat des Jahres letztes Grün gespendet,
Mit blut’gen Zähren jedes Blatt bethaut,
Nach langem Beten sich zum Geh’n gewendet
Und immer wieder rückwärts doch geschaut;
Zum Himmel hält sie nun das Haupt gehoben –
Hat sie noch einen Gruß empor geschickt?
Sucht sie ein liebes Auge, das von oben
Mit stummem Dank auf sie herniederblickt?

Albert Traeger.


  1. Bild und Lied sind Verherrlichungen einer Thatsache. Am heiligen Abend des Jahres 1870 stand ein Norddeutscher im Corridor eines Diaconissinnenstifts Süddeutschlands, wo er seinen verwundeten Bruder suchte. Er blickte durch das hohe Bogenfenster auf den Friedhof hinab und sah – unser Bild. Eine Diaconissin legte einen Kranz auf ein noch frisches Grab, in welchem ein blutjunger norddeutscher Freiwilliger ruhte. Sie war seine einzige Pflegerin in seinen schweren Leiden gewesen, und als er starb, war es bald Niemandem im Stifte verborgen, wie sehr sie ihn geliebt hatte.
    Die Redaction.