Textdaten
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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Stärkungsmittel
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 267–268
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Bausteine zu einer naturgemäßen Selbstheillehre.
Stärkungsmittel.

Die falschesten Ansichten herrschen, bei Laien wie bei Aerzten, über die Stärkung unseres Körpers, zumal des kranken, geschwächten Körpers. Denn nicht ein einziges der gerühmten Stärkungsmittel, wie China, Eisen, Wein, Mineral- und Seebad, isländisches und Caraghenmoos, Sago, Arrow-Root, Revalenta u. s. w. stärkt und es giebt, trotz dem daß unsere Arzneimittellehren von herz-, magen- und nervenstärkenden Mitteln wimmeln, doch keine Stärkungsmittel in der Apotheke. Nur durch Hebung des Stoffwechsels läßt sich der Körper kräftigen und stärken (s. Gartenlaube Nr. 9). Es müssen deshalb die Bestandtheile des Körpers, vorzugsweise aber die des Muskel- und Nervensystems, theils richtig ernährt, theils durch zweckmäßige Abwechselung im Ruhen und Thätigkeit gehörig geübt und ausgebildet werden.

Eine richtige Ernährung unserer Körperbestandtheile ist aber nur dann zu ermöglichen, wenn dem Blute die Stoffe durch die Nahrungmittel zugeführt werden, aus denen unser Körper zusammengesetzt ist (s. Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 32) und die hauptsächlichsten Stärkungsmittel sind deshalb passende Nahrungsstoffe (s. Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 39). Unter diesen steht aber Blut, Milch (s. Gartenlaube Nr. 12), Ei, Fleisch und Fleischsaft (s. Gartenlaube Nr. 21) obenan, alle anderen Nahrungsmittel sind von geringerem Werthe, ja Sago, Arrow-Root, Revalenta, isländisches und Caraghenmoos können sogar nur als schlechte Nahrungstoffe, niemals aber als Stärkungsmittel angesehen werden, da sie fast blos stickstofflose Substanzen (Stärke, Pflanzenschleim) enthalten. Ebenso würden auch Austern für sich keine stärkende Nahrung abgeben, da sie blos aus Eiweiß bestehen. Stets ist übrigens neben kräftiger Nahrung auch die gehörige Menge Wasser und Kochsalz dem Körper zuzuführen. – Außer den Nahrungsstoffen verlangt nun aber das Blut auch noch die gehörige Menge Sauerstoff, wenn es richtig beschaffen sein und ernähren soll, sowie es ferner noch fortwährend von seinen schlechten Bestandtheilen befreit werden muß. Demnach würde die [268] Luft und das Athmen ebenfalls zur Stärkung des Körpers viel beitragen (s. Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 17 und 51) und die gute Wirkung der Badekuren, besonders des Seebades, ist vorzugsweise der Luft zuzuschreiben. Jedoch müßte der Stärkungsuchende auch selbst noch vermöge der Willkür, welche er über seine Athembewegungen hat, öfters in reiner guter Luft kräftig ein- und ausathmen, zumal da hierdurch der Blutlauf nicht unbedeutend unterstützt wird. – Was ferner die Reinigung des Blutes betrifft (s. Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 48), so kommt diese durch die Haut, die Lungen, die Nieren und die Leber zu Stande, und deshalb muß die Thätigkeit dieser Organe gehörig unterstützt werden, und zwar die Thätigkeit der Haut durch warme Bäder und Waschungen, die der Lungen durch kräftiges und tiefes Ein- und Ausathmen, die der Nieren durch reichliches Wassertrinken, die der Leber durch Bethätigung des Pfortaderblutlaufes (s. Gartenlaube Nr. 48). – Ist nun auf die angegebene Weise ein zur Stärkung passendes Blut hergestellt, so muß dasselbe aber auch ordentlich durch alle Theile des Körpers hindurchfließen, wenn es dieselben richtig ernähren soll, und deshalb ist der Kreislauf des Blutes, soweit es in unserer Macht steht, und zwar durch Bewegungen und kräftiges Athmen zu unterstützen (s. Gartenlaube Nr. 9. und Jahrg. I. Nr. 18). – Hiernach würde also das erste Erforderniß zur Stärkung des Körpers die gehörige Menge und richtige Circulation eines guten Blutes sein. Wenn nun aber auf der einen Seite die Erzeugung guten Blutes erstrebt werden muß, so darf auf der andern aber auch der Verbrauch desselben nicht außer Acht gelassen werden. Denn was würde die Einnahme von Blut helfen, wenn die Ausgabe davon im Verhältniß zur Einnahme zu groß wäre? Es würde trotz aller Blutbildung doch Blutarmuth (s. Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 49) eintreten. Demnach muß Alles vermieden werden, was zu viel Blut consumirt und dahin gehören: angreifende körperliche und geistige Anstrengungen, gemüthliche und geschlechtliche Erregungen, Nachtwachen und der Mißbrauch starker Reizmittel (Spirituosa, kalte Douchen und Bäder, Elektrizität und Magnetismus).

Eine ordentliche Kräftigung und Stärkung des Körpers würde nun aber doch nicht erzielt werden, auch wenn das beste Blut in der gehörigen Menge und Ordnung durch den Körper strömte, sobald der Stoffwechsel in den zu kräftigenden Geweben nicht durch passendes und mit der erforderlichen Ruhe abwechselndes Thätigsein unterstützt wird. Trotz alles Fleischessens würde man doch keine kräftigen Muskeln bekommen, wenn man dieselben nicht ordentlich übte, und beim reichlichsten Milch- und Eiverbrauch müßte ein übrigens unthätiges Hirn- und Nervensystem doch schwach bleiben. Umgekehrt würde aber zu starkes und anhaltendes Thätigsein ebenso schwächen, wie dauernden Ruhen. Kurz nur bei einem zweckmäßigen Wechsel von Thätigsein und Ruhen kann das Neubilden und Abstoßen (der Stoffwechsel) unserer Körperbestandtheile vor sich gehen; denn während der Ruhe geschieht die Anbildung der jungen Substanz und in Folge des Thätigseins kommt das Absterben und Abstoßen (Mausern) der alten zu Stande. Zweckmäßig und die Kräftigung unterstützend ist nun aber der Wechsel zwischen Thätigsein und Ruhen nur dann, wenn er sich der Menge und Beschaffenheit der vorhandenen Gewebe und der Nahrungszufuhr anpaßt. Zu Anfange der Kräftigung, zumal bei Heruntergekommenen und Blutarmen, muß neben guter Kost und Luft die Ruhe das Thätigsein weit überwiegen und deshalb sind hier stärkere Bewegungen, sowie kalte Bäder geradezu schädlich, während langes und öfteres Schlafen, sowie Wärme sehr vortheilhaft ist. Nur nach und nach, mit der allmäligen Zunahme der Materie und der Kraft, darf das Thätigsein länger und anstrengender, die Ruhezeit dazwischen kürzer werden, die Behandlung mit Wärme zum Lauen und Kalten übergehen. Diese Regel ist aber bei der Kräftigung aller Organe, deren Thätigkeit von unserm Willen abhängig ist, zu beobachten, ebenso von allen wie von einzelnen Muskeln, vom Gehirne und Nervensysteme ebenso wie von den Sinnes- und Sprach- (Sing-)Werkzeugen u. s. w. Eben weil man diese Regel so selten ordentlich beobachtet, zeigen sich eine Menge Menschen bei aller Kräftigung doch körperlich und geistig sehr schwach. Vorzüglich unterliegt das arme Gehirn in den meisten Schulen einer schwächenden Kräftigung, weil hier auf den Ernährungszustand desselben gar keine Rücksicht weiter genommen wird, sondern um jeden Preis nur recht schnell Verstand gemacht werden soll. Die Folgen davon sieht man schon: bei allem Klugmachen werden die Menschen immer charakterloser, willensschwächer, abergläubischer, kurz dümmer. Aber nun gar erst die kaltwassersüchtigen Frauen mit ihren kalten Douchen und Waschungen, o! wie nervenschwach, nervös und reizbar! welch’ eine Mannquälerei!

Betrachten wir nun einmal die empfohlenen Stärkungsmittel etwas genauer. – Das Eisen wurde vor 3200 Jahren dem Iphikles vom Schäfer Melampus gegen Impotenz, mit trefflichem Erfolge wie die Sage berichtet, verordnet und zwar als Rost, der von einem alten Messer abgekratzt und in Wein getrunken werden mußte. Nun findet sich allerdings Eisen in unserm Blute und dient höchstwahrscheinlich zur Vermittelung der Sauerstoffaufnahme und Blutfarbstoffbildung, ist deshalb also ganz unentbehrlich zur Erhaltung des Körpers, aber für sich allein, ohne Eiweißsubstanzen, Fett, Wasser und Salze, würde es dem Körper gar nichts nützen; außerdem kommt es in den Nahrungsmitteln aus dem Thierreiche in hinreichender Menge vor, so daß es aus der Apotheke nicht geholt zu werden braucht. Jedoch kann es bei Schwäche mit Bleichsucht, wenn sonst die Verdauung in Ordnung ist, nicht schaden, daß ein Eisenpräparat oder sogen. Stahlwasser zugleich mit passenden Nahrungsmitteln genossen wird. – Die Chinarinde, welche einen Bitterstoff und einen Gerbstoff enthält und deshalb gelind reizend, sowie etwas zusammenziehend wirkt, soll deshalb stärken, weil Muskeln- und Nervenfasern, die in einen Chinabrei gelegt wurden, schwerer zerrissen, als wenn sie in bloßem Wasser eingetaucht lagen. Nun da schäle man seine Muskeln und Fasern aus dem Körper heraus und lege sie eine Weile in Chinabrei, wenn man sie stärken will; durch Einführen der China in den Magen erzielt man sicherlich keine Stärkung. – Sago, Salep, Arrow-Root u. dgl. sollen zwar Stärkungsmittel für kleine Kinder sein, aber sie sind nichts als einseitige und deshalb erbärmliche Nahrungsstoffe, weil sie wie die Kartoffel fast nur aus Stärke bestehen und höchstens Fett erzeugen. – Isländisches und Caraghenmoos, angeblich Stärkungsmittel für abgezehrte Lungenschwindsüchtige, sind den vorigen Mitteln gleich zu beurtheilen, denn das erstere Moos enthält neben etwas Bitterstoff nur stärkemehligen Nahrungsstoff, das letztere Moos aber nur Pflanzengallerte und Pflanzenschleim. – Die falsche Ansicht, daß Reizmittel, wie Spirituosa, Kaffee und Thee, ätherisch-ölige, gewürzhafte und balsamische Substanzen, stärken sollen, kommt daher, weil dieselben die Nerventhätigkeit etwas antreiben und dadurch scheinbar auf kurze Zeit ein besseres Kraftgefühl und stärkere Kraftäußerungen veranlassen. Sie ziehen dadurch aber eine um so größere Schwäche (Katzenjammer) nach sich, zumal wenn der Körper nicht die gehörige Menge von Blut und Nahrung zu verwenden hat. Diese Mittel sind der Peitsche zu vergleichen, die ein ermüdetes Pferd auf einige Zeit zum lebhafteren Laufen antreibt, aber auch das Stürzen desselben bedingen kann, während Ruhe und gutes Futter das Pferd zu neuen Kraftanstrengungen und zwar auf die Dauer tauglich macht. – Die Kaltwasserei, sowie die Seebaderei ist in den allermeisten Fällen auch nichts anderes, als ein, für den Augenblick erregendes und nachträglich Schwäche (besonders Nervenschwäche) hinterlassendes Reizungsverfahren. Ja da hierbei die Reizung so vieler Empfindungsnerven in der Haut, die sich alle in das Gehirn hineinziehen, dieses letztere Organ widernatürlich aufregen muß, so sieht man gar nicht selten Kaltwasserfanatiker ebenso wie Säufer, die ihr Gehirn durch Spiritus fortwährend stacheln, endlich verrückt oder blödsinnig werden. Etwas ganz anderes ist es, wenn man die Haut durch einen allmäligen Uebergang vom warmen zum lauen und kalten Bade gegen die äußere Kälte unempfindlicher macht, allein das ist nur keine Stärkung des Körpers durch Kälte. – Nochmals: nur nahrhaftes Essen und Trinken bei guter Luft, passender Thätigkeit und gehöriger Ruhe stärkt.
(Bock.)