Ueber die Zusammensetzung des Menschen, der Thiere und der Pflanzen
Ueber die Zusammensetzung des Menschen, der Thiere und der Pflanzen.
Pflanzen, Thiere und Menschen verzehren sich fortwährend gegenseitig und dadurch eben können sie sich in ihrem Bestehen auf unserer Erde bis in alle Ewigkeit erhalten. Der Mensch genießt tagtäglich Pflanzen- und Thierstoffe und sein ganzer Körper wird nach dem Tode eine Nahrung für Thiere und Pflanzen, während er bei seinem Leben auch schon eine Menge von Stoffen von sich gibt, welche zum Gedeihen der Pflanzen und Thiere beitragen. Die Pflanze konnte aber zu einer Zeit schon wachsen und gedeihen, ehe es noch Thiere und Menschen auf unserem Erdboden gab und diese Pflanzen werden in ihren halbverbrannten Ueberresten jetzt von uns als Steinkohlen verbrannt. Die Möglichkeit dieses damaligen einsamen Gedeihens der Pflanzen liegt darin, daß diese überhaupt die Fähigkeit besitzen, unorganische Stoffe (wie Luft, Wasser, Erde und Mineralien) so zu verdauen, daß sie endlich zu Pflanzenstoffen werden; eine Fähigkeit, welche Thieren und Menschen abgeht, denn diese brauchen durchaus eine Pflanzen- oder Thiernahrung zu ihrem Leben. Dies ist der Grund, weshalb diese Organismen erst nach der Erschaffung von Pflanzen auf unserer Erde sichtbar werden konnten. Eine andere Ursache, welche die Pflanze vor den Thieren und Menschen bestehen ließ, ist die, daß damals, als die ersten Pflanzen auf der Erde hervorwuchsen, die Atmosphäre enorm reich an Kohlensäure gewesen sein muß. Dieser Stoff (s. Gartenlaube Nr. 28 S. 305) ist es nun aber, welcher die Hauptnahrung der Pflanze ausmacht, während er für Menschen und Thiere Gift ist; ein Stoff, der zur jetzigen Zeit, wo sich die Atmosphäre ziemlich gereinigt von Kohlensäure zeigt, von Thieren und Menschen in großer Menge ausgehaucht wird, während die Pflanze diesen für die genossene Kohlensäure den Sauerstoff, die Lebensluft spendet (s. Gartenlaube Nr. 28 S. 304).
Von den Thieren erhalten sich die meisten und zwar die mit einfacherer Körperbildung (die sog. niedrig organisirten) nur von Pflanzenstoffen, während die höher organisirten Thiere, mit zusammengesetzterem, dem menschlichen ähnlichen Baue, entweder von pflanzlicher oder thierischer Nahrung leben. – Der Mensch kann nun aber blos bei einer Nahrung gehörig gedeihen, welche theils aus dem Thier-, theils aus dem Pflanzenreiche stammt, somit also eine gemischte ist, und er muß, will er gesund bleiben, aus beiden Reichen alle die Stoffe in der gehörigen Menge und Beschaffenheit genießen, aus denen auch sein eigener Körper gebildet ist. Naturgemäß wird er deshalb diesen Genuß nur dann einrichten können, wenn er ordentlich weiß, welche Substanzen seinen eigenen Körper zusammensetzen und welche Stoffe sich in seiner Nahrung, nämlich in den einzelnen Pflanzen- und Thiertheilen befinden.
Die Pflanze, welche aus Zellen, Fasern und Röhren oder Gefäßen aufgebaut ist, besteht in ihrer Grundlage aus Wasser und aus einem Stoffe, welcher Pflanzenfaser oder Cellulose genannt wird, der aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff und, weil er keinen Stickstoff enthält, dem Fette, der Stärke und dem Zucker ähnlich zusammengesetzt ist. Dieser Stoff ist es, aus welchem das Holz, die Baumwolle, die Leinwand und das Papier hervorgeht, und welcher durch seine Verwesung und Fäulniß die Dammerde (Humus) und den Torf, durch seine Verkohlung die Stein- und Braunkohlen bildet. In den von Pflanzenfaser gebildeten Zellen der Pflanzen finden sich sodann folgende, für die Ernährung unseres Körpers höchst wichtige Stoffe vor: die Stärke, auch Stärkemehl oder Amylum genannt, ein der Pflanzenfaser und dem menschlichen wie thierischen Fette ähnlich zusammengesetzter, stickstoffloser Stoff, aus dem sich allmälig beim Wachsthum und Blühen der Pflanze, sowie beim Keimen der Samen und Reifen der Früchte, mehrere andere Stoffe hervorbilden, die aber auch keinen Stickstoff enthalten und ebenfalls dieselbe Zusammensetzung wie Fett haben: es sind Zucker, Gummi, Schleim und Gallerte. Der Zucker kann sodann außerhalb der Pflanze in Folge der Gährung, in Spiritus (Alcohol) und dieser weiter in Essigsäure verwandelt werden, also ebenfalls wieder in stickstofflose Materien. – Von weit größerer Wichtigkeit hinsichtlich ihrer Ernährungsfähigkeit für den Menschen als die genannten stickstofflosen Stoffe sind nun aber diejenigen Pflanzensubstanzen, welche Stickstoff enthalten und zusammengenommen eiweißartige genannt werden, im Einzelnen aber als Pflanzeneiweiß, als Kleber oder Pflanzenfaserstoff, als Pflanzenleim und als Legumin oder Pflanzenkäsestoff bekannt sind.
Außer diesen stärke- und eiweißartigen Stoffen enthalten viele Pflanzen nun noch solche organische Substanzen in sich, welche für den Menschen als Nahrungsmittel nicht nur keinen besondern Werth haben, sondern die Pflanze oft sogar untauglich zum Genießen machen können, wie: Farbstoffe, Harze, Oele, Alkaloide (die meisten Gifte). Dagegen werden noch Stoffe aus dem Mineralreiche in den Pflanzen angetroffen, von welchen mehrere auch im menschlichen und thierischen Körper eine große Rolle spielen, wie Kochsalz, Kalk und Magnesia, Kali und Natron, Eisen und Mangan, Kiesel-, Talk- und Thonerde (s. Gartenlaube Nr. 29 S. 316). – Diejenigen Pflanzenstoffe, welche uns besonders interessiren müssen, sind die folgenden.
I. Stickstofflose, fettige oder fettähnliche [350] Stoffe, welche innerhalb unseres Körpers vorzugsweise zur Bildung von Fett und, indem ein Theil derselben im Blute durch den eingeathmeten Sauerstoff zu Kohlensäure und Wasser verbrannt wird, zur Entwickelung der Körperwärme verwendet wird. Sie dienen sonach theils als Ernährungs- und theils als Heizungsmaterial (s. Gartenlaube Nr. 17 S. 186). Außer dem Oele selbst sind hier die folgenden Stoffe beachtungswerth:
1. Stärke; sie findet sich fast in allen Pflanzen, ja selbst in der Rinde und im Holze der Bäume, wiewohl hier in geringer Menge. In größerer Menge trifft man dieselbe in den Kartoffeln (Kartoffelstärke), überhaupt in vielen Wurzeln und Knollen, in den Samen der Getreidearten, besonders des Weizens (Weizenstärke), in den Hülsenfrüchten, im Marke mehrerer Palmenarten (Sagopalme), in Moosen (Moosstärke) und in vielen Früchten (Aepfeln). Von außereuropäischen Pflanzen kommen stärkehaltige Substanzen unter den Namen „Sago, Arrow-root (Pfeilwurzelmehl) und Tapioka (Kassawa, Manihotwurzel)“ zu uns; auch ist das isländische Moos reich an Stärke.
2. Zucker ist wie die Stärke im Pflanzenreiche ebenfalls außerordentlich verbreitet, denn die meisten Früchte, viele Wurzeln und Stengel enthalten Zucker. Am reichlichsten und reinsten findet er sich unter dem Namen Rohrzucker im Safte des Zuckerrohrs, sowie in dem der Runkelrübe und des Ahorns, sodann in geringerer Menge in den Mohrrüben, der Eibischwurzel, dem Mais, den Melonen und Kürbissen, Kastanien. Als Trauben- oder Krümelzucker findet man denselben in fast allen, zumal sauren Pflanzensäften, vorzüglich aber in reifen Früchten (Weintrauben, Aepfeln). Der Zucker in der Manna, in vielen Schwämmen und Flechten, erhielt den Namen des Manna- oder Schwammzuckers. - Am Interessantesten ist die Zerstörung des Krümelzuckers, oder auch des Rohrzuckers nach seiner Umwandlung in Krümelzucker, mit Hülfe der Hefe oder eines gährenden (faulenden) Stoffes zu Alcohol (Spiritus) und Kohlensäure. Diese Zersetzung wird geistige oder weinige Gährung genannt und auf dieser beruht die Wein-, Branntwein- und Bierbereitung, sowie die Bäckerei. Durch eine weitere Zersetzung des Spiritus’ bildet sich aus diesem endlich Essigsäure. Diesen beiden aus dem Zucker bervorgehenden Stoffen, nämlich Alcohol und Essigsäure, mangelt wie dieser und der Stärke ebenfalls der Stickstoff.
3. Gummi findet sich zwar in sehr vielen Pflanzen, allein selten in größerer Menge und es ist deshalb dieser Stoff als Nahrungsmittel ohne Bedeutung. Nur aus einigen Pflanzen des Orients fließt es in Tropfen aus, die an der Luft erhärten und bei uns unter dem Namen „arabisches Gummi“ zu verschiedenen Zwecken, besonders zum Kleben, sogar als Arzneimittel benutzt werden.
4. Pflanzenschleim (Bassorin) ist in vielen Pflanzenstoffen anzutreffen und ertheilt diesen die Eigenschaft, mit Wasser eine zähe Flüssigkeit zu bilden, die als Nahrungsstoff nur geringen Werth hat und ebenso wenig als Arzneimittel. Größere Mengen Pflanzenschleims finden sich in der Salepwurzel, Caraghenflechte, im Leinsamen, in der Eibischwurzel, den Quittenkernen, im Tragant- und Kirschgummi.
5. Pflanzengallerte (Pectin) ist in dem Safte der meisten reifen fleischigen Früchte und Wurzeln enthalten. In unreifen Früchten stellt diese Gallerte aber eine in Wasser unlösliche, also unverdauliche Substanz dar, welche erst durch das Reifen unter dem Einflusse der Pflanzensäuren löslich wird.
II. Stickstoffhaltige oder eiweißähnliche Suhstanzen, welche im menschlichen und thierischen Körper vorzugsweise zur Blut- und Fleischbildung und zum Aufbaue der lebenswichtigen Organe verwendet werden.
1. Kleber- oder Pflanzenfaserstoff (Fibrin) kommt in festem Zustande und in Verbindung mit Pflanzeneiweiß und Pflanzenleim vorzugsweise in den Samen der Getreidearten (besonders des Weizens) vor, wo er mit Stärke vereinigt diesen Samen einen dem Hühnereie ähnlichen Nahrungswerth verleiht; denn dem Eiweiß entspricht der Kleber, dem Dotter die Stärke, der Eierschale die Samenhülle aus Cellulose.
2. Pflanzeneiweiß (Albumin) findet sich gelöst in den meisten Säften der Pflanzen, vorzugsweise aber in den Samen der Getreidearten und in allen Gemüsepflanzen.
3. Pflanzenkäsestoff, Legumin (Casein) wird in den Hülsenfrüchten, hauptsächlich in Erbsen und Bohnen angetroffen; auch kommt in den Mandeln, Nüssen und im Malz ein dem Legumin ähnlicher Stoff vor.
III. Von unorganischen Stoffen enthalten die meisten Pflanzen einige von denen, welche im Menschen- und Thierkörper große Wichtigkeit haben, nur sind in der einen Pflanzenart diese, in der andern jene Stoffe vorherrschend. Nach dem Gehalte an unorganischen Bestandtheilen lassen sich die Kulturpflanzen eintheilen: in Alkalipflanzen (mit Kali und Natron), wie die Kartoffeln und Runkeln; in Kalkpflanzen, z. B. Erbsen und Klee; in Kieselpflanzen, zu denen die Gräser gehören; in Phosphorpflanzen, wie Weizen und Roggen. Keine Pflanzenart enthält aber vom Kochsalze oder Eisen so viel, als der menschliche Körper zu seinem richtigen Bestehen bedarf.
Die Mischungsbestandtheile, welche den thierischen Körper zusammensetzen, haben die größte Aehnlichkeit mit denen des Pflanzenkörpers und deshalb eben kann das Thier durch den Genuß von Pflanzenstoffen sein Leben unterhalten. Auf gleiche Weise ist aber auch der Mensch, dessen Zusammensetzung nun wieder der der Thiere gleicht, im Stande, durch Aufnahme von solchen Thier- und Pflanzenstoffen, die sich auch in seinem Körper vorfinden, seine Existenz mehr oder weniger gut zu behaupten. Wie in der Pflanze sind die Stoffe im Thier- und Menschenkörper theils stickstofflose, theils stickstoffhaltige, theils unorganische, und diese Stoffe werden sodann zur Bildung knöcherner [351] oder knorpliger Gerüste, der Bänder, Sehnen, Muskeln, Gefäße, Nerven, Eingeweide und Häute verwendet.
I. Stickstofflose oder fettige Stoffe. Sie dienen einem dreifachen Zwecke, nämlich: zur Grundlegung aller Gewebe (durch Zellenbildung), zur Fettbildung und zur Wärmeentwicklung (indem sie im Blute durch den Sauerstoff der eingeathmeten Luft zu Kohlensäure und Wasser verbrannt werden). Sie gelangen in den thierischen und menschlichen Körper entweder durch pflanzliche Stoffe, wie durch Oel, Stärke, Zucker, Alcohol, Gallerte und Schleim, oder durch thierische Substanzen, wie: durch die verschiedenen Fettarten, durch Butter, Eidotter, Milchzucker und Milchsäure.
II. Stickstoffhaltige oder eiweißartige Stoffe. Sie dienen allerdings vorzugsweise zur Bildung des Blutes und der Gewebe, können aber doch auch in Folge ihrer Verbrennung durch den Sauerstoff des Blutes zur Wärmeentwicklung beitragen. Dies ist vorzüglich dann der Fall, wenn sie schon eine Zeit lang in die Körpersubstanz übergegangen und in der Form von Organen thätig gewesen waren; sie sind dann gewissermaßen zu brennbaren Schlacken geworden (s. Gartenlaube Nr. 17 S. 186). – Zu diesen stickstoffhaltigen Substanzen gehören: der Eiweißstoff (Albumin), welcher sich flüssig in ziemlich großer Menge im Safte des Fleisches und aller Eingeweide, im Weißen des Eies und im Blute findet. Der Faserstoff (Fibrin), welcher vorzugsweise in der Fleischfaser und im Blute (wo er das Gerinnende bildet) vorhanden ist; der Käsestoff (Casein), welcher in der Milch und im Blute vorkommt; die Gallerte oder der Leim (Gluten), welcher als Grundlage für die Knochen und Knorpel, die sehnigen Theile und die Häute verwendet wird.
III. Von unorganischen Substanzen bildet das Wasser den Haupttheil, denn fast vier Fünftel unseres Körpers bestehen aus Flüssigkeit; an dieses schließt sich dann das Kochsalz, welches fast in allen thierischen und menschlichen Säften angetroffen wird; in nicht geringer Menge findet sich ferner noch: Kali und Natron in Verbindung mit Kohlensäure und Phosphorsäure (im Blute und den übrigen Säften), Kalk und Talk als phosphorsaurer und kohlensaurer (besonders in den Knochen) und Eisen (im Blute).
Vergleichen wir nun die Zusammensetzung der sog. organischen Körper, nämlich der Pflanzen, Thiere und Menschen mit einander, so ergibt sich eine sehr große Uebereinstimmung zwischen allen Dreien und nur darin unterscheidet sich die Pflanze vom Thiere und Menschen, daß sich die Pflanze ihre organischen Bestandtheile aus unorganischen Stoffen und Elementen, besonders aus Wasser, Kohlensäure und Ammoniak (einer Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff) bervorzubilden im Stande ist, während Mensch und Thier nur die bereits vorgebildeten, pflanzlichen oder tierischen Stoffe in ihre Substanz umzuwandeln vermöge. Blos noch zwei Stoffe sind es, welche der Mensch außer der gewöhnlichen vegetabilischen und animalischen Kost in seinen Körper zum ordentlichen Wohlsein aufnehmen muß und diese sind „Wasser und Kochsalz“, denn von diesen beiden Stoffen enthält nur ein einziges Nahrungsmittel die hinreichende Menge, und dieses Nahrungsmittel ist die Milch.