Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: So muß es kommen!
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 255–256
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Adelina Patti und ihre Gage
Blätter und Blüthen
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[255] So muß es kommen! Zu dem Unkraut, welches in der Neuzeit außerordentlich überhand nimmt, gehört der Uebermuth und die Habgier so mancher Sänger und Sängerinnen, deren unbescheidene Unersättlichkeit sich an den Hohenpriestern der schönen, göttlichen Musik sehr unästhetisch ausnimmt.

Eins der eclatantesten Beispiele dieser Art ist die Sängerin Adeline Patti, jetzt Primadonna in Paris, indessen ist hierbei die Schuld vielleicht weniger ihr selbst, als ihrem Schwager, Lehrer und Begleiter Moritz Strakosch beizumessen. Man erzählt sich einige amüsante Geschichten, wie die Speculationen dieser Nachtigall, die goldgieriger ist als irgend eine Elster, doch zuweilen fehlschlagen und mit einer Demüthigung endigen.

Kürzlich wurde sie eingeladen, in dem Salon eines vornehmen Hauses bei Gelegenheit einer Abendgesellschaft einige Arien vorzutragen, und erntete an jenem Abend einen ungeheuren Beifall. Am folgenden [256] Morgen erhielt die Sängerin von Seiten des Gastgeber ein Etui mit einem Paar geschmackvoller Brillantringe zugeschickt, deren Werth sich auf mindestens sechs- bis achttausend Franken belief. Dies Geschenk gefiel ihr wohl recht gut, allein sie beging die große Ungeschicklichkeit, dem splendiden Geber ein Danksagungsbillet zu schreiben, welches sie mit einem kleinen Postscriptum endigte, worin sie erwähnte, der geehrte Herr habe vergessen, ihr die Summe von so und so viel tausend Franken zu übersenden, den gewöhnlichen Preis, wenn sie in einer Gesellschaft singe.

Man kann sich denken, was für ein Gesicht der Mann machte, als er diesen Brief empfing, während er der Meinung war, die Patti müsse vor Freude und Dankbarkeit außer sich sein. Er wußte jedoch die Unbescheidenheit der Sängerin in der klügsten Weise zu bestrafen; er ging zu seinem Juwelier und kaufte ein Paar andere Ohrringe zum Preise von etwa fünfundsiebenzig bis einhundert Thalern, fügte die von der Sängerin beanspruchte Geldsumme hinzu und übergab Alles zusammen seinem Secretair, der sich zu der Dame verfügte und folgende Ansprache an sie richtete:

„Mein Herr erhielt heute früh Ihr geehrtes Schreiben, fand Ihre Reclamation vollständig gerecht und sendet mich nun, sein Vergessen wieder gut zu machen und Sie um Entschuldigung deshalb zu bitten. Hier übergebe ich Ihnen das Geld und ein kleines Geschenk, welches er Sie ersucht, als ein Zeichen seiner Dankbarkeit für das uns gewährte Vergnügen zu betrachten. Aber ich habe gestern leider ein bedauerliches Versehen begangen! Die Diamantohrringe, welche ich Ihnen übergab, waren nicht für Sie bestimmt; es war ein Irrthum von mir, ich sollte sie zu einer anderen Dame tragen. Wollten Sie die Güte haben, mir dieselben zurückzugeben und mir das Mißverständniß zu verzeihen?“

Die Sängerin begriff zu spät ihren Fehler. Sehr verlegen übergab sie dem Secretair die schönen Brillanten, denen sie seufzend nachblickte.

Ein anderes Mal wurde sie zugleich in ihrer Eigenliebe schwer verletzt. Eine russische Fürstin gab eine glänzende Soirée, wobei die Patti singen sollte. Diese sagte zu, bedang sich jedoch den Preis von fünftausend Franken dafür, was die Fürstin auch einging. Dann meinte Meister Strakosch, dies sei am Ende zu wenig verlangt, und auf sein Anrathen schrieb Adeline am Tage vor der Soirée ein Billet an die Fürstin, worin sie ihr meldete, sie sei leider etwas unwohl geworden und werde wohl nicht singen können. Sie war nun fest überzeugt, die Fürstin werde sofort zu ihr eilen und ihr mit inständigen Bitten sechstausend Franken bieten, damit sie nur singe, worauf sie nachgeben wollte. Aber die Sache kam ganz anders. Die Fürstin fuhr nicht zur Patti, sondern zu einer anderen Sängerin, Madame Carvalho, der sie ihr Leid klagte und die sie bat, die Stelle Adeline’s auszufüllen. Madame Carvalho erklärte sich denn auch freundlich hierzu bereit, obgleich die Zeit zur Vorbereitung sehr kurz sei. Sie bat jedoch, ihr nun auch den gleichen Preis zu bewilligen, und fügte mit feinem Lächeln hinzu: „Wären Sie zuerst zu mir gekommen, so hätten Sie es viel wohlfeiler gehabt.“

Als die Patti sah, daß die Fürstin nicht kam, wurde ihr bange; sie schrieb schnell, sie habe sich wieder erholt und wolle am Abend singen. Darauf bekam sie indessen die Antwort, die Fürstin habe nun bereits Madame Carvalho engagirt; wolle sie aber kommen, so werde sie sehr willkommen sein, indes; nur als Gast.

Jetzt weinte die Sängerin vor Zorn und gekränkter Eitelkeit, sie war außer sich; Madame Carvalho sang aber so schön, daß Niemand in der Gesellschaft die Patti vermißte.